Digital Assets Trigger Economic Visions – die DATEV
Einblicke in den Mikrokosmos eines Paradigmenwechsels
ZUM ZITIEREN NOCH NICHT FREIGEGEBEN !!!
Nachfolgender Beitrag entstand in Folge der Einladung zum vorabendlichen Besuch der Ausstellung „DER FRÜHE DÜRER“ im Germanischen National-Museum [1] und zur vormittäglichen Pressekonferenz am Standort „DATEV VIER“.
Für wen in diesem Zusammenhang die aktuellen Fakten von Bedeutung sind, möge diesen Text zunächst stehen oder liegen lassen und sich bei der Lektüre zuvörderst den hauseigenen Verlautbarungen und Beiträgen der aktuellen Tagespresse zuwenden [2]. An dieser Stelle wird - aus Anlass dieser PK - ein wenig ausschweifend über die Geschichte und Zukunft eines der wichtigsten deutschen Traditionsunternehmens reflektiert, das sich aufgemacht hat, eingedenk seiner Geschichte vieles von dem in Frage zu stellen, was es einst noch als Faktor des Erfolges geltend gemacht hat.
Tradition…
Eine Pressekonferenz ist eine Pressekonferenz. Und sie ist so gut, wie sie gut ist. Und bei all den anstehenden Veränderungen: Die Pressekonferenzen des Hauses DATEV finden immer noch traditionsgemäß an einem Freitag statt. Warum und wie lange schon, weiß niemand so genau. Ob gerade ein Freitag nun wirklich ein guter Termin für das schnelle und effektive Absetzen der Nachrichten ist oder nicht, mag allerdings dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass die Zahlen stimmen, dass die Atmosphäre stimmt, und dass es die Möglichkeit gibt, die Leitung des Hauses nicht nur in großer Runde zu befragen, sondern mit ihnen auch unter Dreien zu reden.
… und Wandel
Und doch gibt es sie, die Neuerungen. Dieses Mal fährt ein Shuttle-Bus die Teilnehmer ein ganzes Stück aus dem Zentrum heraus, vorbei an einem inzwischen abgerissenen Möbelhaus der aufgegebenen Firma Quelle. Ein Ort, an dem ein großer Neubau entsteht und in dem in zwei Jahren weit über tausend Mitarbeiter beschäftigt werden sollen. Zwar erklärt einem das bei der Vorbeifahrt niemand [3], aber in den späteren Verlautbarungen auf der Veranstaltung wird rückwirkend und rückblickend klar, dass es sich nur um diesen Ort hat handeln können. Da werden wahrlich große Räder neu gedreht. Und es wird eine echte Herausforderung, von den Altlasten bis hin zu den Finanzierungsplänen, hier die selbst gesetzten Ziele einhalten zu können. Daher macht es auch Sinn, im Kleinen exemplarisch zu erproben, was im Grossen neu gebaut werden soll. Und es ist zu hoffen, dass dort mehr geschieht als das, was sich die Designer als Modell so ausgedacht haben.
Kontinuität …
Das sollen die Zahlen signalisieren. Und das tun sie denn auch. Sie signalisieren Zuversicht: Man habe mehr verdient als die IKT-Branche im Schnitt und noch mehr als das, was an jährlichem Wirtschaftswachstum für die BRD insgesamt hat festgestellt werden können. So weit, so gut. Ein genauerer Blick auf die Zahlen macht dann aber auch klar, dass es eine Reihe von Dellen gegeben hat, die nicht so einfach unter den Teppich gekehrt werden können. Dazu gehören nicht nur die neuen Investitionen in Gebäude und Rechenzentren, dazu gehört auch ein großer Batzen an Kapital, der für die Einführung der neuen DATEV-Pro-Software hat eingesetzt werden müssen – von der Programmentwicklung bis hin zur Implementierung, zur Nachbesserung, allerlei unvorhergesehenem Support - vierhunderttausend Anrufe allein im Monat Januar des Jahres 2012, das sei dann doch ein wenig zu viel des Guten gewesen - und das Erlassen von kalkulatorischen und technischen Kosten.
… durch Wandel
Die Frage, ob man sich nur mit einer gehörigen Portion von Leiharbeitern habe aus der Patsche ziehen lassen, wurde so nicht akzeptiert. Gewiss, die Zahl der zeitweise zugekauften Fachkräfte sei ob dieser besonderen Umstände noch überproportional gewachsen, aber das sei nicht nur der Not geschuldet, sondern auch den Tugenden all jener Fachkräfte, die es heute nicht mehr darauf anlegen würden, sich fest anstellen zu lassen. Das gelte selbst dann, wenn allein im Jahr 2011 über 300 Mitarbeiter auf diesem Um-Weg eine neue feste Anstellung gefunden hätten. Es gäbe immer mehr hochqualifizierte und überdurchschnittlich gut verdienende Fachkräfte, die nicht mehr länger bereit wären, sich so einfach mir-nichts-dir-nichts an ein Haus fest zu binden, selbst wenn es sich dabei um die DATEV handeln würde.
Finden müssen…
Als ich hier angefangen habe, so berichtet einer der Vorstände im Gespräch unter vier Augen, da war das Durchschnittsalter noch Mitte Dreißig. Heute, nach einer Zeit der restriktiven Einstellungspolitik in den 90er Jahren, sei das Durchschnittsalter auf weit über 40 Jahre gestiegen. Und dabei sei es heute wichtiger denn je zuvor, junge Leute für diesen, ihren Job begeistern zu können. Das sei alles andere als einfach, trotz all der vielen neu geschaffenen Möglichkeiten, vom Angebot des Erwerbs eines DATEV-Führerscheins bis hin zum Bau einer neuen Kinderkrippe, die in den Folgejahren sowohl der Öffentlichkeit, aber vor allem den eigenen jungen MitarbeiterInnen zur Verfügung stehen soll: wohl gesprochen und versprochen. Allein, die Riege all der so gut gestimmten und gewillten Herren ist – nach wie vor - eine rein männliche. Und die zwei Frauen des Aufsichtsrates… werden bestenfalls durch zwei Frauengesichter gedoubelt, die als Cover und auf Seite 19 des Geschäftsberichtes dem Publikum preisgegeben werden.
... und findig sein wollen:
Dabei ist durch die Bank zu spüren, dass sich all diese Herren auf dem Podium darin einig sind, dass es mehr als an der Zeit sei, alte Zöpfe abzuschneiden, die „Lehmschichten des mittleren Managements“ zu durchbrechen, sich den Regelwerken der digitalen Ökonomie zu stellen und sich auch all derjenigen Kommunikationsstränge zu bedienen, die in der Generation der sogenannten „Digital Natives“ schon seit langem gang und gäbe seien. Einen Tag vor dieser PK wurde in der Nachbarschaft mit dem INNOVUM… ein Pilotzentrum eingeweiht, in dem die neuen Möglichkeiten eines offenen Arbeitsplatzes der Zukunft zur Erprobung unter realen Bedingungen eingerichtet werden. Zwei Tage zuvor waren VertreterInnen aus allen Leitungsebenen zu einer Inhouse-Veranstaltung eingeladen worden, um sich im offenen Dialog mit den Möglichkeiten und Chancen der Nutzung sozialer Netze zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. [4]
Wie zu erfahren war, hat sich auch das ehemalige Vorschlagswesen mit Erfolg in eine elektronische Plattform verwandelt, an und in der jede und jeder der MitarbeiterInnen sich mit eigenen Ideen und Konzepten, aber auch mit Kommentaren und Voten für oder gegen die angesprochenen Themen beteiligen kann. Und zwar nicht mit seinem/ihrem Klarnamen, sondern mit einem ihm oder ihr eigenen Alias, also einer netzeigenen Identität: So und nur so sei es möglich, jenseits der Hierarchie sich um der Sache willen – im positiven Sinne – zu streiten. Und sich durchaus auch von Sichtweisen und Positionen überzeugen zu lassen, die man bisher am liebsten nur mit Nichtachtung oder beißender Kritik hätte liegen lassen wollen.
The Old Boy’s Club…
Auch wenn man als Außenstehender nicht so gut wie mancher Insider informiert sein mag, auch wenn die Whistleblower der Redaktion so manche Information zuspielen, die nicht einfach nur als Donikes oder Dummheiten abgesagt werden können, und auch wenn klar ist, dass diese genossenschaftliche Einrichtung von ihrem Ursprung her auf dem Missverständnis aufbaut, dass der Staat als Widersacher in der Verfolgung des eigenen wirtschaftlichen Interesses gesehen und interpretiert wird… so wirkt es doch durchaus glaubhaft und authentisch, wenn die Herren Vorstände aus ihrer jeweiligen individuellen Geschichte heraus die Haltung einer am Kollektiven orientierten kooperativen Verfassung nicht nur zu predigen, sondern auch zu leben versuchen.
Nein, es werde auch bei den Planungen des Neubaus nicht darum gehen, dort nun endlich eine Vorstandsetage einzurichten, um sich auf diesem Wege besser von seinen Stäben abschotten und dort die Personalgespräche führen zu können. Man sei und bleibe Teil dieses Personals und sehe sich in der Verantwortung, diese Teilhabe durch das eigene Verhalten – ja Beispiel – sinnfällig und all-täglich erlebbar werden zu lassen.
… the Young Men’s Clouds:
Was dort für die Zukunft in Nürnberg aufgebaut wird, das sind alles andere als Wolkenkuckucksheime. Ein Entwicklungszentrum – IT-Campus genannt – für 1800 Fachleute aus dem IKT-Bereich ist kein Selbstzweck, sondern ganz klar orientiert an einem dedizierten Nutzerbedarf, der verlangt, dass in den immer komplexeren Zusammenhängen und Regelwerken Verfahren entwickelt und Lösungen erarbeitet werden, die so einfach sind wie die App des Nachbarn und so sicher wie der eigene Tresor, auch wenn man sich diesen weder aus Kosten- noch aus Gewichtsgründen heute noch wird leisten können. Software programmieren, so war es in einem anderen Hintergrundgespräch zu hören, Software schreiben, das können andere auch. Was wir nicht nur können, sondern auch realisieren müssen, ist eine Sicherheitsleistung, auf die real wie virtuell Bezug genommen werden kann. Wir müssen ein Trustcenter sein, vor Ort wie in der Cloud.
Pragmatische Haltung…
Dabei wird zu bedenken sein, dass viele dieser Wege und Ziele der „Vereinfachung“ im Grunde nichts anderes sind, als mentale und methodologisch geschickt inszenierte Workarounds, mit denen die Damen und Herren der alten Schule in die Lage versetzt werden, mit den aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Branche noch umgehen zu können. Bis dass sich auch ihr Arbeitsplatz vollständig auf einen oder mehrere Bildschirme verlagert haben wird, mögen die Jahre noch ins Land gehen. Und wenn der Chef des Hauses öffentlich auf der PK davon spricht, dass sein Büro heute genau an jenem Ort eingerichtet wurde – „keine Ahnung wer mich dahin gesetzt hat“ – wo einst die Lochstreifen aus den Büros der steuerberatenden Genossen eingeliefert worden seien, dann sagt er damit über sich selber aus, was auch für viele andere seines Schlages, seines Standes und seines Alters gilt: einst hineingewachsen und groß geworden zu sein mit den Anforderungen und Herausforderungen der Innovation, sei man heute voller Engagement dabei, sich in Zukunft nicht als Opfer derselben zu verstecken, sondern diese ebenso pragmatisch wie paradigmatisch erneut als Herausforderung annehmen zu wollen.
… Paradigmatische Wendungen
Die „Digitalisierung der Geschäftsprozesse“, das Thema „E-Government“ und „Mobile Computing“, das seien die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft. Soweit die Ansage des Vorstandes, und so weit, so gut. Sätze und Setzung wie diese werden weit länger von Bestand sein, als diese der rasanten Entwicklungen in diesem Bereich eigentlich geschuldet sein sollten. Und dabei wurden in diesem Jahr so leidige Themen wie die der Gesundheitskarte gar nicht erst angesprochen. Die ungenügende Entwicklung in privater Hand und schliesslich die Aufgabe des elektronischen Entgeldnachweises ELENA wurde in Grund und Boden verdonnert und weiter davon geträumt, dass die – als Angebot konzipiert - vorausgefüllte Steuererklärung, so wie sie jetzt in Dänemark zu mehr als drei Viertel aller Vorlagen angenommen würde, auch in Deutschland ihren Weg machen könne. Es wird immer wieder deutlich, dass es den Verantwortlichen ob all dieses Unfugs irgendwann reicht, immer nur die Verwalter solchen Ungemachs zu sein und dass sie sich mehr und mehr auch in der Rolle eines Gestalters solcher zukünftigen Geschäftsprozesse sehen.
Thesen….
Back ,,, \ „Schuster bleib bei Deinen Leisten“... es ist an allen Ecken und Enden in allen Gesprächen und Nebenbemerkungen immer wieder zu spüren, dass nicht mehr sein darf, was nicht mehr sein kann. Ein auf genossenschaftlicher Basis errichtetes Haus wird weder in der Mitgliederzahl noch mit seinen traditionellen Aufgaben weiter wachsen können, es wird sich in seinen Aufgaben weiter diversifizieren müssen, ohne dabei der Gefahr zu erliegen, von allem etwas und nichts mehr richtig anbieten zu können. Alles möglichst aus einer Hand anbieten zu wollen und dennoch nicht zu einem „Gemischtwarenladen“ zu verkommen, dieser Herausforderung gewachsen zu sein, bedarf es mehr denn je der offenen und teils unkonventionellen Haltung der „Alten“ an der Spitze des Hauses. Es bedarf einer großen Heerschar von MitarbeiterInnen, die jeweils in ihrem Metier Spitze sind und die dennoch an jeder dieser Positionen dazu beitragen können, dass nach wie vor die Mandantenschaft die Flagge von „unserer DATEV“ hochhält. Die sattsam bekannte Formel von der Kontinuität durch Wandel, noch wie war sie so wertvoll wie heute, und noch nie so schwierig in der Umsetzung.
Hypothesen:
Trotz all dieser Einsichten und Weitsichten kann auch ein Haus wie die DATEV Gefahr laufen, an den eigenen Herausforderungen zu scheitern. Bei aller Qualifikation und bei allem Qualitätsmanagement, bei aller Hellhörigkeit und Hellsichtigkeit, die derzeit durch die besondere Doppelrolle in der Zusammenarbeit mit dem BITKOM noch forciert wird, wird es nicht ausbleiben, immer wieder nach denjenigen Fallstricken und Abgründen zu fahnden, die oft auf ganz unvorhergesehene Weise den eingeschlagenen Weg zu behindern scheinen. Die Frage nach den Altlasten auf dem jetzt übernommenen Gelände der „Quelle Möbel“ ist dafür ein exemplarisches Beispiel. Die Erneuerung geht nur über den Weg der Entsorgung von Altlasten. Und das wird nicht nur beim anstehenden Neubau so sein, sondern auch bei der neuen Ausrichtung des Hauses.
Als Maßgabe für den Erfolg wird von entscheidender Bedeutung sein, nicht nur nachmachen zu wollen, was sich anderenorts als sinnfällig und sinnstiftend erwiesen hat, sondern in der eigenen Praxis und Geschichte nach jenen Elementen zu schauen, die sich für die Zukunft als tranformations- und transitionsfähig erweisen könnten.
Aus der zwangsläufigen Notwendigkeit, mit der DATEV kooperieren zu müssen, sollte sich ein neuer Trend herausarbeiten lassen, der dazu führt, diese Zusammenarbeit erneut als von gegenseitigem Nutzen geprägt entdecken und erleben zu können. In Zeiten wie diesen, in denen alles immer noch komplexer und komplizierter zu werden verspricht, zählt nur noch eines: das Versprechen, die schwierigste aller Aufgaben bewältigen zu können: das Einfache wieder herstellen zu können.
Die DATEV auf dem Wege zu einem neuen Trustcenter in der digitalen Welt: Dank der Digitalisierung des Makrokosmos von allem Berechenbaren – und, trotz der Digitalisierung, der Bewältigung all des Unberechenbaren im Mikrokosmos des Alltäglichen.