Hier zunächst das Programm des DJV-Kongresses zum Thema: Wert des Journalismus: eine gute Gelegenheit, alte und neue KollegInnen wieder zu sehen bzw. kennenzulernen. Aber wahrscheinlich keine Gelegenheit um herausfinden zu können, wie der Wert dieser Arbeit in "Wirtschaft und Gesellschaft" heute gesehen wird. Oder? [1]
Donnerstag, den 2. Februar 2011
Journalismus – quo vadis?
„Journalismus ist mehr wert.“ Mit diesem DJV-Slogan haben
2011 Tausende von Journalistinnen und Journalisten für
faire Tarifverträge und für den Wert des Journalistenberufs
gestritten. In den Tarifauseinandersetzungen mit den
Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern ging es nicht vornehmlich
um ein paar Prozentpunkte mehr Gehalt und Honorar.
Es ging um den Wert, den der Beruf des Journalisten hat und
künftig haben soll. Die Tarifauseinandersetzungen wurden
für die Kolleginnen und Kollegen erfolgreich beendet – das
Thema lebt indes weiter. Denn die Frage nach dem Wert des
Journalismus ist nicht beantwortet. Die Herausforderungen
an den Journalismus, die Medien und die Journalisten sind
vielfältig. Da ist zum einen die wirtschaftliche Komponente,
die vor allem freie Journalistinnen und Journalisten immer
stärker zu spüren bekommen. Texte und Fotos zu Dumping-
Konditionen – das droht allmählich zur unausgesprochenen
Übereinkunft zu werden, den erfolgreichen AGB-Klagen
der Gewerkschaften gegen manche Verlage zum Trotz.
Da ist zum anderen der gesellschaftliche Stellenwert des
Journalismus in einer Zeit, da er seine Monopolstellung bei
der Informationsvermittlung verloren hat. Und letztlich
geht es um die Frage, wie wir Journalisten unsere Aufgaben
und unser Berufsverständnis defi nieren. Darum soll es beim
Kongress „Wert des Journalismus“ am 2. und 3. Februar 2012
in Berlin gehen. Ich lade Sie herzlich ein, mit uns über diese
Zukunftsfragen zu diskutieren.
Michael Konken
DJV-Bundesvorsitzender
17.00 Begrüßungsansprache
— Thomas Kreuzer, Staatsminister und
Leiter der Bayerischen Staatskanzlei
Begrüßungsansprache
— Michael Konken, DJV-Bundesvorsitzender
17.30 Impulsreferat
Aufklärung ist Pflicht, nicht Kür
— Hans Leyendecker, Süddeutsche Zeitung
Zu seinen Ausführungen ist mehr am Ende dieser Programmübersicht zu erfahren.
18.00 Podiumsdiskussion
Plauderecke oder fünfte Gewalt? –
Qualitätsjournalismus und Internet
— MdB Dorothee Bär
Ihre Startseite sei die eigene und die erste Adresse am Morgen.
Ja, die Süddeutsche Zeitung habe sie zur inoffiziellen Twitter-Königin der CSU ernannt, aber, so DoroBaer: Es sei in ihrer Partei wahrlich nicht schwer gewesen, diesen Titel zu bekommen.
— Michael Krechting, Leitender Redakteur Online der Neuen Osnabrücker Zeitung
Er starte mit einem Twitterdienst in den Morgen und versuche, sich darüber hinaus mit iGoogle anzufreunden
Habe viel Zuspruch bei den Schülern gefunden, seit sie in der Redaktion bereit gewesen wären, anzukündigen, ob wegen schlechten Winterwetters am nächsten Tag die Schule ausfalle - oder nicht.
— Rainer Kurlemann, Chefredakteur RP Online GmbH
Seine Startseite ist die eigene: RP-Online
Ja, bei der Rheinischen Post sei bislang der Online-Bereich weniger gut bezahlt als der Print-Bereich.
Dabei sei gerade der Online-Dienst im Lokalbereich wichtiger als alles andere.
Und damit habe man gerade dort eine Chance, auch in diesem aktuellen Bereich noch neues Geld zu verdienen.
— Thomas Mrazek, Online-Journalist
Auch er würde seinen Tag am Morgen mit twitter anfangen.
Die Bezahlung der Online-Redakteure hänge insgesamt nach wie vor hinter denen von Print hinterher.
Wenn man die Leute aber gut bezahlen würde, dann würde auch zumeist was Gutes dabei herauskommen.
— Markus Beckedahl, netzpolitik.org
Auch er starte morgens mit twitter, dann komme der RSS-Reader.
Der letzte Scoop? Das sei der Bericht über die Funknetzzellenabfrage in Berlin gewesen und das Erfassen der Daten von mehr als 4,2 Millionen Handybesitzern.
"Theoretisch machen wir auch Journalismus"
Sperrfristen? "Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass die Sperrfrist im Zeitalter des Internets obsolet ist."
Die Einführung des "Flattr"-Knopfes sei zu Anfang recht erfolgreich gewesen. Darüber kamen ca. 700 Euro im Monat rein. Dann aber kam Werbung und "Flattr" wurde mit der Zweiklick-Lösung etwas komplizierter und seitdem sei der Umsatz nur noch ca. 300 Euro im Monat.
— Jörg Sadrozinski, Leiter der Deutschen
Journalistenschule in München
Auch er fängt morgens mit dem Scannen der twitter-Meldungen an.
Die Tagesschau habe nie die Möglichkeit gehabt, an Spiegel online heranzukommen.
Der Dreistufentest? Ein demokratisches Monster. Die neue Einigung, von der jetzt schon in der taz gesprochen werde, würde Angst und Bange machen.
Moderator:
— Sabine Prokscha, freie Journalistin und
stellvertretende Vorsitzende des Journalistenverbands
Berlin-Brandenburg
Sie hatte es wahrlich nicht leicht, diese bunte Reihe zu einer echten Gesprächsrunde zusammen zu schweissen. Trotz guter Vorbereitung und dem Einspielen von Beispielseiten auf der Videoleinwand bedurfte es eines grossen Aufwandes um letztendlich dann doch das Gespräch in eine lebhafte Diskussion zu verwandeln - wenn auch ohne Beteiligung des Publikums.
Am Schluss dieses Tages soll sich auch der neue
— Staatsminister Thomas Kreuzer
als Leiter der Staatskanzlei und zuständige Mann für die Medienpolitik am Podium zu Wort gemeldet haben. Zu diesem Zeitpunkt war aber schon im Nachbarraum [2] eine Leitung an die Pazifikküste der USA geschaltet, um der Präsentation des neuen Buches von Phil McKinney beizuwohnen [3].
Freitag, den 3. Februar 2011
09.30 Impulsreferat
Journalismus zwischen Qualität und Kostendruck
— Prof. Dr. Michael Haller, Universität Leipzig
10.00 Drei parallel stattfindende Workshops
Workshop 1:
Was tut sich im Online-Journalismus?
— Peter Jebsen, Leitender Redakteur AudioVideoFoto-BILD,
Mitglied des DJV-Bundesvorstands
— Thomas Mrazek, Online-Journalist,
Vorsitzender des DJV-Fachausschusses Online
Workshop 2:
Mehr Qualität im Lokaljournalismus –
Recherche für Profis
David Schraven, Leiter der WAZ-Recherchegruppe
Michael Konken, DJV-Bundesvorsitzender
Workshop 3:
Die Besten in die Medien –
Journalistenausbildung heute
— Ulrike Kaiser, stv. DJV-Bundesvorsitzende und
Leiterin der AG Bildung und Qualität im DJV
— Jörg Sadrozinski, Leiter der Deutschen
Journalistenschule in München
14.00 Podiumsdiskussion
Standortbestimmung:
Verlagsrendite contra Qualitätsanspruch?
— Alexander Schmid-Lossberg, Personalleiter Axel Springer
— Joachim Kopatzki, Personalmanager
WAZ-Mediengruppe
— Ulrike Simon, freie Journalistin, Berlin
— Annika Wind, Zeitungsredakteurin, Mannheim
— Richard Mayr, Zeitungsredakteur, Augsburg
Moderator:
— Frank Überall, freier Journalist und
DJV-Schatzmeister
15.45 Schlusswort
— Michael Konken, DJV-Bundesvorsitzender
Entgegen der ursprünglichen Absicht wird es nicht möglich sein, auch am Folgetag der Veranstaltung beizuwohnen. Von daher wird im dritten Teil danach gefahndet werden, ob und wo es anderswo Resonanzen zum Geschehen dieser Tage geben wird.
Das allerdings, was im Verlauf des ersten Tages aus der Veranstaltung mitzunehmen war, war letztendlich alles andere als erhellend. Denn der fast impertinent vorgetragene Anspruch des "Wir sind die Guten" - da wir uns immer und immer wieder um eine Verbesserung im Journalismus bemühen - half letztendlich nicht, den Blick auf unseren Alltag zu schärfen, der längst dieses Ansinnen immer schärfer bedroht, gefährdet, und über grosse Strecken unmöglich macht.
Mag sein, dass dieser Eindruck deutlich in den Workshops des zweiten Tages hat korrigiert werden können. Es ist zu hoffen, dass dieses so geschehen wird, denn die Haltungen, die in der öffentlichen Diskussion zum Ausdruck gebracht wurden, gaben nur wenig Gelegenheit, über eine Bestandsaufnahme der aktuellen Befindlichkeiten hinauszudenken und hinauszuweisen.
Diese Einschätzung schliesst auch den Vortrag von Hans Leyendecker mit ein. So beindruckend seine Haltung auch ist, so heftig seine Gegenwehr, selbst zu jenen "alten Säcken" zu gehören, gegen die er sich so nachhaltig zu verwahren sucht, ihm zuzuhören mag in einem Gespräch unter Dreien höchst aufschlussreich und amüsant sein, aber als Vortragsredner gelingt es ihm nicht, das Format zu zeigen oder gar auszufüllen, das man ihm als "Key-Note-Speaker" gerne hätte zuweisen mögen.
Verbleiben wir daher dabei, auf einige Stichworte zu rekurieren, die im Verlauf dieses Redens vor dem Publikum zur Sprache gekommen sind:
— "Was ist Aufklärung? Klarheit und Klären. Gegen Vorurteile kämpfen und gegen Autoritätsdenken, so will die Philosophie im 18. Jahrhundert aufklären.
— "Ich bin jetzt 62 Jahre alt und bis heute kein Leser, sondern ein Gegner der Bildzeitung.
— In der Affäre Wulff ist Herr Diekmann der Staatsmann und Herr Wulff der Clown geworden.
— Wenn wir die Aufmerksamkeit an diesem Thema nicht verlieren wollen, dann müssen wir ganz schnell innehalten und uns nicht noch weiter über das Bobby-Car des Bundespräsidenten aufregen.
— Es ist in der Causa Wullff jetzt alles gesagt, jetzt ist es seine Sache zu sagen, ob er gehen will, oder bleiben.
— Es ist ein Erlebnis und ein Privileg, die New York Times am Morgen des gleichen Tages ihres Erscheinens in Deutschland lesen zu können.
— Noch nie hatten die Journalisten ein potenziell grösseres Publikum als heute. Aber heute können die Bildersturzbäche, die über den Bürger hineinbrechen, die Wahrheit auch noch besser verdecken.
— Wir gehen, auch das ist wahr, nicht oft genug raus. Wir schreiben zu oft über die eigene Wirklichkeit, wir jammern zu gerne. Es ist die Neigung, alles vorher schon zu wissen und sich das dann vom Minister bestätigen zu lassen.
— Chefredaktionen verwandeln sich in Geschäftsführungen.
— Es habe einen Verleger des Bremer Weser Kurier gegeben, der einem mehrfach meckernden Leser schliesslich geschrieben hat: Hiermit kündige ich Ihnen Ihr Abonnement.
— Heute würden die Leute für uns in der Süddeutschen oder dem Spiegel nicht mehr auf die Strasse gehen, wenn wir abgeschafft werden würden.
— Die wahren Gefahren der Bedrohung der Pressefreiheit ... gehen vom Journalismus selber aus, von Journalisten, die ihren Beruf nicht ernst nehmen. Immer mehr machen sich zu Büchsenspannern der Industrievertretungen.
— Man kann nicht nur seine Familien lieben, sondern auch seine Zeitung. Das ist nicht irgendein Geschäft, nicht irgendeine Manufaktur. Heute sehnt man sich manchmal nach dem Verleger alten Typs zurück. Sein Liebesverhältnis zu seiner Zeitung, das ist heute bei den Zahlenmenschen nicht mehr gegeben.
— Wir leben in einer permanenten Gegenwart, ohne Vergangenheit und Zukunft.
— "Leute, das ist doch schizzo, was wir machen - und dabei bin ich dann auch schizzo." Manchmal schreibe ich die Nachricht an die Agentur, noch bevor ich die eigene Geschichte selbst geschrieben habe.
— Wir Journalisten laufen allzu sehr dem Event hinterher und wir bilden zu wenig die Prozesse ab.
— Wenn wir die Computer und all das überstehen wollen, dann müssen wir etwas schreiben, was eine solche Maschine nicht leisten kann. Computer haben keine Haltung.
— Journalismus hat eine Aufgabe, die über das Geld hinausgeht.
— Ja, Zeit und Internet ergänzen sich. Aber warum werden die Online-Journalisten so viel schlechter bezahlt?
— "Guttenplag war für mich die Revolution, nicht Wikileaks".
— Vielleicht sollte man erst Online veröffentlichen und dann erst drucken?!
— Was ich hasse, sind die Leute meines Alters, die alten Säcke, die alles so haben wollen, wie es war. "Hey, Leute, das ist nicht ok."
— "Hauptsache, wir machen den Versuch der Aufklärung. Ob das Pflicht ist oder Kür - ist mir egal."
– Kollege Hendrik Zörner fasst unter der Überschrift Selbstkritische Betrachtung den ersten Tag wie folgt zusammen:
Nachdenkliche und selbstkritische Töne bestimmten den Auftakt des DJV-Kongresses "Wert des Journalismus" in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin. Auch wenn die Wulff-Affäre kein eigener Programmpunkt auf der bis zum heutigen Nachmittag andauernden Tagung ist, spielt sie in den Rede- und Diskussionsbeiträgen immer wieder eine wichtige Rolle. DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken sprach in seiner Begrüßungsrede am gestrigen Nachmittag das Überziehen einiger Medien an, mahnte dazu, sich auf die kritische Berichterstattung zu beschränken. Und Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung schrieb den Kollegen ins Stammbuch, dass sie über die fortwährende Veröffentlichung kleinster Details die wichtigen Geschichten aus dem Auge verlieren. Der Titel seines Referats war Programm: "Aufklärung ist Pflicht, nicht Kür." Klar war für ihn, dass dazu nicht nur kritische und mutige Journalisten gehören, sondern dass auch die materiellen Rahmenbedingungen des Journalismus stimmen müssen. [...]
– Bericht vom Deutsches Verbände Forum-Startseite vom 03.02.2012 16:37:
Selbstbewusstes Plädoyer für mehr Qualitätsjournalismus
– Aus dem PR-Journal vom Freitag, den 03. Februar 2012 um 21:36 Uhr:
DJV: Selbstbewusstes Plädoyer für mehr Qualitätsjournalismus
– Aus "Medienmilch" vom 5. Februar 2012
DJV-Kongress: Plädoyer für mehr Qualitätsjournalismus