Frauen in der ITK-Wirtschaft

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 16 Uhr 14 Minuten

 

Heute steht in München das Thema:
Frauen in der ITK-Wirtschaft –
Was tun ITK-Unternehmen für eine gendergerechte Personalpolitik?

im BITKOM-Unternehmergespräch auf der Tagesordnung.
_In der Zeit von 15:30 - 18:30 Uhr in der TU München, auf dem Hauptgelände, in der Arcisstraße 21, Hörsaal 1180 [1].

Nachfolgend - in kursiv - das Programm.

Darin eingestreut ein bisschen Text - und sicherlich nicht immer fehlerfrei und nicht immer frei von Widersprüchen - der im Verlauf dieser Tagung eingefügt wurde. Diese nachfolgenden Aufzeichnungen entstehen spontan, inmitten des Hörsaals.
Dort gibt es viele, viele W-Lan-Zugänge, aber kein einziges Passwort. Und es gibt eine seltsam steife Atmosphäre, vielleicht dadurch noch verstärkt, dass der Raum eher spärlich besetzt ist. Und die Klimaanlage das ihre tut, für eine eher frostige Atmo zu wirken.

15:30 Uhr Begrüßung

Da gibt es einen blutjungen Vizepräsidenten der Universität, "Pongratz" mit Namen [2], der - natürlich - die Leistungen des eingenen Hauses hervorhebt. Er verweist auf das TUM Programm: TUM Gender und Diversity - Gleichstellung und Genderfragen an der TUM. Und er spricht, als Mann, davon, dass es nunmehr drei weibliche und drei männliche Vizepräsidenten gäbe.

Nichts gegen diesen jungen Mann. Aber er repräsentiert auf seine Art und Weise mehr als eindeutig, dass von den Personen her die Uni diesem Thema nicht jenes Gewicht einräumt, dass er von seinem Sprechzettel her zu vertreten hat.

15:35 Uhr Keynote:
Chancen und Perspektiven für Frauen am Hightech-Standort Bayern
 Dr. Beate Merk
Bayerische Staatsministerin der Justiz und für Verbraucherschutz

Die Staatsministerin spricht mit Lob "von den Frauen, die schon da sind, und den Frauen, die schon da sind." Empathie sei heute in der Führungsebene unverzichtbar. Und vorurteilsfreies Handeln und Entscheiden ebenso.

Sie macht deutlich, dass der Anteil der Frauen "nur bei 20%" läge, in Führungspositionen nur bei 15% und stellt die folgenden vier Forderungen auf:
— Ja, wir brauchen mehr Frauen in der Branche.
— Eine starre gesetzliche Quote von 40% würde dazu führen, die Positionen gar nicht besetzten zu können.
— Die Frauenquote allein löst das Problem nicht.
— Es bestünde Handlungsbedarf.

"Es kann nicht sein, dass Politik und Wirtschaft immer wieder den Ball in das Feld des Anderen spielen und dann abwarten, was passieren wird". "Kind und Karriere", so die Ministerin, "darf kein Widerspruch sein". Dieser Satz - gleichwohl eine Plattitüde - sei so notwendig wie nie zuvor.

16:00 Uhr Impulsstatements
Blick zurück nach vorn: Die Erfahrungen einer Managerin
 Monika Maurer, Vice President Presales EMEA, Alcatel-Lucent Deutschland AG

Sie beginnt ihre Arbeit als Lehrerin für Physik und Chemie. Als motivierte Junglehrerin wird sie von ihrem neuen Rektor begrüsst mit dem Satz "Wir können hier keine Frau gebrauchen".
Auch auf der weiteren Jobsuche hiesst es "Eine Frau mit der Note Eins ist immer noch schlechter als ein Mann mit der Note vier". Bis dass sie als Entwicklungsingenieurin bei der Alcatel hat anfangen können. Damit sei sie in Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor die Ausnahme.
— Das Ziel: 2014 sollen soviel Frauen im Management tätig sein wie auch im Unternehmen insgesamt, also über 20%. Und das bedeutet auch, die Gehaltsstrukturen in diesen Arbeitsfeldern nach oben anzupassen.
— Das aktuelle Ziel: ab 2012 weltweit paritätisch einzustellen.
— 2 oder 3 Schlüsselpositionen sollen mit einer Frau besetzt werden
— Die Frauen soll(t)en sich untereinander im Unternehmen kennenlernen
— Die Zielsetzungen und Wünsche und Vorstellungen der Frauen kennenzulernen.
— Bei jeder Neubesetzung soll(te) zumindest eine Frau auftauchen
— In der Nachfolgeplanung sollen die Frauen gezielt mit eingebaut werden.
— Mentorenprogramme aufsetzen, um sich um ein oder zwei Frauen zu "kümmern", sie auf ihrem Berufsweg zu begleiten.
— Frauen sollten nach der Babypause wieder aktiv eingegliedert werden. Hier gehe es nicht nur um die Kinderkrippe, sondern auch um viel Kreativität bei der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitszeiten.
— Diversity soll Bestandteil des Performance-Prozesses werden.
25 Jahre habe sie auf einsamem Posten gearbeitet. Seit April 2011 sind sie zu zweit, und ab Janura 2012 sind sie zu viert.
Die Frauenquote der Telekom und ihre Umsetzung
 Mechthilde Maier, Leiterin Group Diversity Management, Deutsche Telekom AG
Unternehmenskultur – das Zünglein an der Waage?

Damals, beim Beginn des BWL-Studiums, haben die 5 Mädels von Anfang bis Ende durchgehalten. Von den 95 Jungens sind 15 übrig geblieben.
Über die Häfte der Kunden des Konzerns sind Kundinnen. Über die Hälfte des Umsatzes werden im Ausland gemacht.

Und das Ziel sei bis 2015: 30% Frauen in die Führungspositionen. Bei der bisherigen Geschwindigkeit hätte das bedeutet, darauf noch über 200 Jahre hinzuarbeiten - und abzuwarten.

Dabei geht es nicht nur um das Thema Chancengleichheit, sondern auch um das Thema Innovations- und Management-fähigkeit.

Auch die Investoren schätzen dieses Thema der Nachhaltigkeit, das so von dem Unternehmen vorangetrieben wird.

Der Weg hin zu den 30% wird vorangetrieben von Disziplinarschritten, aber auch von einem Controlling. Das Thema ist schwierig, da die Frauen nicht "auf Knopfdruck" zu haben sind. "Vielen Frauen wollen für diesen Job ’wachgeküsst’ werden." Alle Prozesse wurden auf Gender-Fairnis überprüft. Und hier gilt es - für Männer wie für Frauen - das Sichtbarmachen der Talente.

Auch die Männer würden besser verstehen, was der "Flex your Style" - Anspruch sei. Dazu gehöre auch die Zeit- und Orts-Souveränität - bis hin zu dem Verbot, Mails an Wochenende zu beantworten! Von Diversity Consultants werden individuelle Pläne entwickelt und begleitet. Vor allem das Thema Teilzeit wird neu bewertet und gewichtet.

Die Ergebnisse: In dem Bereich, der direkt an den Vorstand berichtet, konnte die Zahl der Frauen um ein Vierfaches erhöht werden.

 Eva Faenger, Diversity Manager, Hewlett Packard GmbH
Ein Frauennetzwerk in der Metamorphose – von der Schwere zu Leichtigkeit
 [3]

Der schwierigste Bereich in diesem Umfeld sind nicht die bereits von den Vorrednerinnen genannten Methoden und Möglichkeiten, hier geht es vor allem um Fragen, die eher unbewusst ablaufen. Dazu ist es extrem wichtig, mit dem Wertesystem des eigenen Unternehmens zu punkten. Diese Werte sind Integration, Talentmanagement, Karriereflexiblitität, Vertrauen. Eine solche Unternehmenskultur sei der "Boden unter den Füssen".

Abschlissend gibt es ein Statement von HP-Deutschland zum 50-Jährigen. "Es gibt den hp-spirit tatsächlich."

 Susanne Fettig, Head of Subregion Germany for Deutsche Telekom, Nokia
Siemens Networks GmbH & Co. KG

Als Leiterin des Frauenförderprogramms will sie zeigen, dass man auch in ihrem Hause Karriere machen kann. Sie spricht von der Begeisterung an ihrer Arbeit. Sie spricht davon, wie auch sie in einer "fast frauenfreien" Zone in der Krakftwerksbranche gearbeitet hat. "Ich war echt eine unangenehme Gegnerin". Dann aber gab es einen "Plan B": Raus aus dem Thema Perfektionismus, raus aus dem Kampf, hin zu einer total veränderten Kommunikation.
Für Frauen sei es nicht immer einfach, sich für Komplimente auch zu bedanken. Es sei wichtig, nicht immer sagen zu wollen, dass man fleissiger und besser sei als die männlichen Kollegen. Stattdessen sei es wichtiger geworden, was man selber gerne verändert hätte. Auch bei den Vorständen seien die Türen "sperrangelweit offen" gewesen. Das Ergegnis: ein "Female Headhunting" Programm.
Das Ergebnis: Leichtigkeit, Schwung, ... jeder ist der Meinung, dass Frauen wichtig seien, die Führungskultur eines Unternehmens zu ändern. Dafür seien Frauen der Schlüssel.

Ihr Vortrag lautet: AT THE SPEED OF IDEAS:

17:15 Uhr Vorstellung der BITKOM-Studie: „Frauen in der ITK-Branche“
 Dr. Stephan Pfisterer, BITKOM e.V.

Wir müssen weg von der "allways-on"-Mentalität:

17:20 Uhr Podiumsdiskussion
 Maria Dietz, GFT Technologies AG

Seit 25 Jahren in der IT - Branchen. Executiv für den Einkauf.
Der Anteil der Frauen in Führungspositionen liegt in diesem Unternehmen bei 25%. Und die Rolle der Frauen war schon immer wichtig beim Aufbau des Unternehmens. Von der Gründung mit 10 Personen bis zu über 1000 Personen in 2011. "Wir bieten individuell eine Möglichkeit für jedes Talent, sich zu seinem Vorteil und zum Vorteil der Firma zu entwickeln". "Wir sind näher dran an den Frauen".
Wichtig ist eine starke Arbeitgebermarke, aber wir sind nicht HP oder die Telekom. Daher haben wir bei der Auswahl der Leute andere Massstäbe gesetzt. "Dinge, die wir entscheiden, die ziehen wir dann auch 10 oder 20 Jahre durch." Wir suchen auch abseits der klassichen Karrierewege individuelle Menschen.
 Eva Faenger, Hewlett Packard GmbH
Das Nerd-Image prägt sehr stark das Job-Bild. Und gerade Frauen aus dem MINT-Bereich sind oft davon eher abgeschreckt. Die Stärken der Frauen sind aber in anderen Bereichen von Bedeutung, in Bereichen, die damit nicht wirklich was zu tun haben.
"Ich bin nicht gegen die Quote, aber auch nicht dafür". Ich bin für verbindliche Verabredungen. Auch mit Quote ist es möglich, dass hier die erste Liga führt.
 Susanne Fettig, Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG
In vielen Fällen zucken die Frauen zu lange, wenn die Chancen sich ergeben. Sie hoffen, dass man an sie denkt, was sie geleistet haben. Aber in einem Grossunternehmen ist es notwendig, sich klar bemerkbar zu machen, was man will und was man kann.
Frauen wissen sehr wohl um ihre Stärken, aber ebenso um ihre Schwächen. Die Männer dagegen haben schon Schwierigkeiten aufzuzählen, was sie nicht können. "Wir stehen uns da immer noch ein Stückerl selbst im Weg".
 Mechthilde Maier, Deutsche Telekom AG
"Wir haben junge Frauen bewusst umberaten". Und sind dazu gekommen, die Berufsbilder auch umzubenennen. Die Jobs müssen sinnstiftend und als solche erkennbar sein.
Die Männer finden eher das lange Vorstellungsgespräch verräterisch. Frauen brauchen erst einmal Zeit um eine Atmosphäre zu schaffen, aus der heraus sie auch in der Lage sind, kompetent zu antworten.
 Monika Maurer, Alcatel-Lucent Deutschland AG
Seit vielen Jahren bei den "Girls’ Days" engagiert. Aber das reicht nicht. Es geht heute weiter über den klassichen IT-Bereich hinaus. Und dafür müsse man werben.
Es gibt für die Bewerbungsgespräche mit Männern andere Vorgaben als mit den Frauen.
 Jochen Moll, BizSphere AG
"Unser Mann des Tages." Nach IBM und EMC ein eigenes Unternehmen mit 25 Leuten.
Auch im eigenen Unternehmen 20% in der Führungsetage mit Frauen besetzt. Wenn man die richtigen Talente und Persönlichkeiten finden will, dann unabhängig von den Religionen - und vom Geschlecht.
Je mehr Smartphones und Tablets Einzug nehmen, IT und EDV zum Anfassen sein werden, desto mehr Chancen gibt es auch für Frauen in diesem Bereich.
"Unser CFO nimmt sich schon mal einen halben Tag Zeit, wenn es einen Elternabend gibt".
Der Karrierebegriff ist neu zu denken. Die Netzwerkgeneration wird die Leistungen anders definieren, auch über Inhalte und Aufgaben. Und diese Erfahrung ist eine andere als die der Konzernwelt.
Moderation: Dr. Alexandra Borchardt, Süddeutsche Zeitung

Anbei ein Lageplan, der im Berliner Büro wie folgt kommentiert wurde: _ "So’n Ding, das kann nur ein Mann gemacht haben..."

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Der Kommentar. Wenn man mit einem Vorstand spricht, dann müsse man vorab zunächst einen Satz anbringen wie: "Keine Angst, ich bin gegen die Quote. Und die Frauen sind nicht immer gleich besser".

Weg mit dem Selbstmitleid der Frauen.

Und die emanzipierten Männer in den Führungspositionen sagen: "Ich würde ja gerne die Frauen für Führungspostionen wachküssen - aber wie???"

Anmerkungen

[1Zugang über Arcisstraße, 1. Stock

[2Der Name des jungen Mannes wird auf der Rückprojektion des Saales nicht angezeigt, ebenso wenig wie die Namen der nachfolgenden Sprecherinnen.

[3Sorry, zu Beginn des Vortrags auf einen Kaffee verschwunden, daher sind diese Aufzeichnungen etwas kürzer.


 An dieser Stelle wird der Text von 12479 Zeichen mit folgender VG Wort Zählmarke erfasst:
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