Diese Woche ist im Büro eine seltsame Stimmung von nach Aussen signalisiertem Stillstand und gleichzeitig grosser innerer Bewegung eingekehrt.
Nach Aussen wird in einer automatischen Rückantwort auf alle eingehenden Mailsendungen erklärt, dass zunächst mit einer unmittelbaren Antwort nicht zu rechnen sei, da in dieser Woche die gesamte IT und der Server-Betrieb ausser Kraft gesetzt worden sind.
Inhouse aber findet sich im Verlauf dieser Massnahmen Vieles, das auf den Prüfstand der weiteren Verwendung gestellt wird.
Dazu ein Beispiel als pars pro toto: Der Hexaglot Voice-Commander
In der Zeitung Die Welt wurde das Gerät in der Ausgabe vom 13. August 1998 wie folgt angekündigt:
Digitales Diktat und Übersetzung ohne Sekretärin
Spracheingabe ohne Pausen im natürlichen Sprachfluß
N.L.
München - Viele Manager nutzen Diktiergeräte, auf die sie unterwegs Texte sprechen, die dann später im Büro von einer Sekretärin abgetippt werden. Mit dem neuen Digital-Diktiergerät Hexaglot Voice-Commander wird die zeitraubende Schreibarbeit am PC künftig entfallen. Dieses Diktiergerät wird einfach über ein Kabel an den Computer angeschlossen, die Textdateien überspielt, und diese dann mit dem Texterfassungsprogramm Dragon Naturally-Speaking in maschinenlesbare Worte übertragen. Dazu ist ein Pentium-PC mit einer Taktrate von mindestens 166 Megahertz, einem Speicher von 48 Megabyte sowie eine Soundkarte erforderlich.Das neue Diktiergerät besitzt einen digitalen Chipspeicher mit vier Megabyte, was einer Aufnahmezeit von zirka 40 Minuten entspricht. Durch zusätzliche Speicherkarten kann die Zeit um 20, 40 oder 80 Minuten erhöht werden. Beim Diktieren müssen keine künstlichen Pausen zwischen den Worten gemacht werden; es darf im natürlichen Sprachfluß gesprochen werden. Der Voice-Commander soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen und wird als Komplettpaket mit Software 799 Mark kosten. Wer elektronisch gespeicherte Texte aus dem Deutschen ins Französische (oder umgekehrt) übersetzen möchte, kann dies nun mit einer neuen Software der französischen Firma Softissimo komfortabel erledigen. Das in Deutschland als Hexaglott Reverso für 299 Mark angebotene Programm verfügt über sehr gute Grammatikkenntnisse und ist sogar lernfähig.
In der Ankündigung der Firma Hexaglot Holding GmbH vom
25.03.1999 liest sich das so:
HAMBURG: Im Vergleich zu herkömmlichen Diktiergeräten unterscheidet sich der "Voice Commander" von Hexaglot in einem wesentlichen Punkt: Die Sprachaufnahmen gelangen nicht mehr auf eine Tonbandkassette, sondern auf einen internen 4-MB-Speicher, der digitale Aufzeichnungen von bis zu 40 Minuten erlaubt.
Die Funktionen des rund 120 x 57 x 25 Millimeter großen Rekorders entsprechen denen der klassischen Diktiergeräte. Allerdings hat er darüber hinaus ein Display und - nach Angaben des Herstellers - diverse Verwaltungsfunktionen. So können beispielsweise Aufnahmen, die sich thematisch gleichen, in einem der 99 Dateiordner abgelegt werden. Zudem lassen sich durch die digitale Aufnahmetechnik Passagen nachträglich an der richtigen Stelle einfügen, ohne daß dadurch Teile des zuerst aufgenommenen Textes gelöscht werden müssen.
Der 99 Gramm schwere Voice Commander ist über ein im Lieferumfang enthaltenes Kabel an die serielle Schnittstelle des PC anschließbar. Voraussetzung: Der Rechner sollte mit Windows 95, 98 oder NT, mindestens einem 166-MHz-Pentium-Prozessor, 64 MB Arbeitsspeicher und einer 16-Bit-Soundkarte ausgestattet sein. Rund 200 MB freier Festplattenspeicher sind außerdem nötig, um die Sprachdateien mit der mitgelieferten Software "Voice It Link" auf den PC überspielen zu können.
Danach läßt sich die Datei mit der ebenfalls im Paket enthaltenen aktuellen deutschen Version von "Dragon Naturally Speaking 3.5" bearbeiten. Kommen die mitgelieferten Module "Natural Word" zum Diktieren in Textverarbeitungen und "Best Match" zur Verbesserung der Erkennungsgenauigkeit zum Einsatz, ist im Neuprodukt ein zusätzlicher Speicher von jeweils 16 Megabyte erforderlich. Zum Lieferumfang des Diktiergerätes für 799 Mark gehört zudem ein Headset, das sich auch zur direkten Spracheingabe in ein Textverarbeitungsprogramm eignen soll.
Wir hatten damals in dieses Angebot grosse Hoffnungen gesetzt. Das Gerät wurde inklusive der Version 3.5 von NaturallySpeaking [1] angeschaft ... und heute liegt es immer noch auf einem der Schreibtische herum, ohne dass es noch irgendeine Verwendung finden würde.
Warum?
Vielleicht waren die Hoffnungen, die auf dieses Gerät und die damit vertriebene Software gesetzt wurden, zu hoch. Wie toll wäre es gewesen, wenn man mit Hilfe dieser Kombination in der Lage gewesen wäre, nicht nur Diktate zu transkribrieren, sondern sogar von Interviews eine erste schriftliche Version zu erhalten.
Doch dieser Traum war offensichtlich allzu schnell ausgeträumt.
Der Spruch des Hauses: Hexaglot: IN TOUCH WITH THE FUTURE hat auch nicht halten können, was er verspricht.
Auf der Milestones=company&page[]=milestones]-Seite des Unternehmens ist von dem Voice Commander überhaupt keine Rede mehr. Und wer diesen Begriff in dem Suchfenster im Kopf der Seite einträgt, erhält die Nachricht: "Keine Treffer gefunden".
Warum, bitte, liegt dieses Gerät also noch bei uns herum?
Weil es eines der ersten Geräte war, das sich in seiner Konzeption grundsätzlich von den mit einer Toncassette bestückten Geräten abgegrenzt und damit ein Zeichen für die neue digitale Zeit gesetzt hatte.
Auch wenn diese Generation von Geräten das gleiche Schicksal ereilt hat, wie das schon in der alten Bauern-Regel ebenso brutal wie wahrheitlich zum Audruck gebracht wird: "Dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot."