Über das episodische Gedächtnis

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 13. Juni 2011 um 12 Uhr 05 Minuten

 

Das ist schon toll. Am Sonntagmorgen kann man mit dem Radio-Player in die Hochschule gehen. Und sich am 13. Juni 2011 einen Vortrag vom 3. März 2011 anhören, in dem es nicht nur um das Erinnern geht, sondern auch um das Vergessen.

Es geht um einen Vortrag mit dem Titel "Dem Gedächtnis auf der Spur" von Frau Prof. Hannah Monyer, ärztliche Direktorin der klinischen Neurobiologie an der Universitätsklinik Heidelberg.

Da geht es um einen Patienten, der in der Lage ist, sich an Vieles aus seiner Vergangenheit zu erinnern aber nicht an das, was ihm gerade geschehen ist.

Was ist also los, wenn der Hypocampus nicht oder nicht mehr richtig funktioniert?

Im Labor wird an der Studie von Mäusen versucht, Verbindungen herzustellen von den Molekülen, zu den Zellen, zu den Netzwerken, zum Verhalten.

Jede Aktivität in dieser Richtung bedeutet Veränderungen in der Hirnstruktur. Allerdings hat man inzwischen gelernt, dass die Plastizität des Gehirns mit zunehmendem Alter abnimmt. Die "Spines" werden mit zunehmendem Alter abgebaut. Können aber auch im Alter neu gebildet werden. Das Motto lautet: "use it or loose it".

Die Sprache der Neuronen und der Transmitter wird im sogenannten A-Kanal aktiviert und das gehen Natrium- und Calcium-Ionen durch.

Aber bei einer repetitiven Stimulation wird auch der Mnemosyne-Kanal aktiviert. Wenn man die synaptische Effizienz steigern will, dann müssen in die Zelle mehr als ein Kanal eingebaut werden. Das kann in wenigen Minuten bzw. Stunden geschehen.

Gelernt hat man, dass es einer Reihe von Wiederholungen bedarf, dass es einer mehrfachen Stimulation bedarf, um nicht nur den A- sondern auch den M-Kanal zu öffnen.

Im Gegensatz zum bisher gültigen Dogma kann das Gehirn auch ganz neue Zellen bilden. Bei den Ratten, so hat die Forschung gezeigt, werden zum Beispiel Geruchszellen während ihrer gesamten Lebenszeit nachgebildet. Und auch für die Menschen ist diese Entwicklung nachweisbar.

Frage, ob man diese Migration der Zellen stimulieren, zum Beispiel nach einem Schlaganfall.

Es geht dabei um eine Art von Zellen, die Dirigentenzellen benannt werden. Bisher war es nämlich ein fest vorformulierter Glaube, dass die Nervenzellen, die sogenannten Pyramidenzellen, immer nur über chemische Synapsen korrespondieren. Jetzt aber kann nachgewiesen werden, dass die sogenannten Dirigenten-Zellen über "gap-junktions" direkt aneinander gekoppelt sind und sich damit noch viel schneller und effektiver austauschen können.

Wenn Zellen in einer speziellen Konfiguration - zum Beispiel während des Lernens - aktiv waren, werden diese Funktionen im "replay" dieser Sequenzen im Schlaf wiederholt.Interessant ist dabei, dass diese Wiederholung in zwei Richtungen funktioniert: Vorwärts, um das episodische Gedächtnis zu stärken - und rückwärts, um das semantische Gedächtnis zu stärken. Diese Vorgängen finden im Hypocampus statt und sind für das räumliche Gedächtnis von grosser Bedeutung.

Hier finden geradezu ungeheuerliche Vorgänge statt, die von einer Synapse ausgelöste Botschaft ist ein einer Dichte von zehn- bis zwanzigtausend Funktionen eingebunden.

Tiere, aber auch Kinder, die ein Kurzzeit-Gedächtnis haben, werden sich nach einer ersten Kurzzeit-Erfahrung immer an einer neuen Alternative orientieren, wenn ihnen diese Angeboten wird, und das bis zu 90% Wahrscheinlichkeit.

Dieses ist eine wahrlich interessante Beschreibung eines Zustandes, der von weitreichenden Folgen ist: Wird doch damit gesagt, dass das als positive besetzte Moment des "Erwachsenwerdens" sogleich auch gekoppelt ist an eine Entwicklung, in deren Verlauf die Plastizität der Gehirnarbeit immer weiter abnimmt.

Er "erwachsene" Mensch kehrt immer wieder an den Ort zurück, an den er das erste Mal die Belohnung für seine Aktivitäten gefunden hat. Er verzichtet damit zugleich auf die ursprünglich ihm angeborene Neugier, einen anderen Weg, eine andere Möglichkeit auszuprobieren.

Eben, weil dem so ist, wird nunmehr offensichtlich, warum es gerade diesen "Erwachsenen" so gut gefällt, sich in Situationen zu begeben, in denen spielerisch bzw. unter der Vorgabe des Klischees des Entertainments jene Wege und Möglichkeiten erkundet werden, die er sich in seinem realen Lebens auszuwählen Zug um Zug versagt hat.

Das Wunsch nach einem Abenteuer kann also als der heimliche oder offene Versuch beschrieben und gewertet werden, eine verlorengegangene Grundhaltung des Geistes auf einer neuen Ebene wieder zu entdecken. Und damit einen Teil von sich selbst, den man nach dem Austritt aus der Zeit der Kindheit verloren hat, hat aufgeben müssen.

Hier beginnt eine ganze Reihe von Ableitungen Platz zu greifen, die an dieser Stellen allenfalls als das "Kind im Manne" beschrieben werden kann.
Und diese sind von ganz unterschiedlicher Natur, sei es, dass die Person zunehmend vom Kurzzeitgedächtnis im Stich gelassen wird - oder auch von ihrem Langzeitgedächtnis.
Und vielleicht werden diese Erkenntnisse sogar helfen, etwas besser Bescheid zu wissen über das, was so alt ist wie die Geschichte der Menschen selbst: Das sogenannte kollektive Gedächtnis.


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