Flash back: Wie was das noch, das Erste mal? Dem Flugzeug entstiegen, mit Ach und Krach an all den Sicherheitsbefragungen vorbei, die Erklärungen, dass man keinerlei Schädlinge mit ins Land einführen würde, die erfolglose Suche nach den Parkplätzen der Verleihfirmen, die ersten Erfahrungen mit Shuttlebussen und deren schwarzen Chauffeuren, das in der Schlange stehen bei der Einschreibung für das vorbestellte Auto. Und dann der Moment, da man mit all seinen Papieren und seinem Gepäck und seinem nach 10 Stunden Flug strapazierten Körper sich in einem Wagen hineinsetzt, den man so noch sie zuvor in seinem Leben bedient, geschweige denn zum Fahren gebracht hat.
Und dieses Mal soll einem gleich dieser Wagen an der Auslasskontrolle vorbei in das riesige Strassengewirr einer Millionenstadt entführen an Orte, die bisher nur von der Strassenkarte abzulesen sind – aber nur solange man noch nicht zu fahren begonnen hatte. Navigationssysteme – ja, es gab schon eines auf den Skizzen einer eigenen bis zum Patent gebrachten eigenen Erfindung – aber in dieser realen Lage an diesem realen Ort zu dieser realen Zeit noch weit vor dem Ende des letzten Jahrhunderts, da galt es allen Mut zusammenzunehmen und sich - vorsichtig und doch nicht zu langsam, umsichtig, aber doch nicht durch Alles zu beeinflussen zu lassen – auf den eigenen Weg zu machen.
Ein fremdes Auto, eine fremde Strassen-Welt, eine fremde Stadt, fremde Leute die man mit fremden Geld entlohnen oder auch nur begünstigen musste… all diese vielen prägenden Momente des Schreckens – und seiner Überwindung – kommen wieder in die Erinnerung zurück in einem Moment, in dem alles heute wie selbstverständlich funktioniert.
Heute bist Du „Peferred“-Partner, wirst vom Chauffeur vor allen anderen an eigens für Dich eingerichteten Halteplatz abgesetzt, der Name ist auf einem Bulletin-Board verzeichnet samt Standorte des Wagens. Dieser wartet dort bereits auf Dich mit blinkenden Lampen, dem Schlüssel im Zündschloss und einem Zettel an dem Tacho, welcher Bedienstete mit welcher Nummer sich persönlich um den guten Zustand des Wagens gekümmert habe.
Und als der Wagen ein Nissan ist und nicht ein Ford, wie bestellt, da wird der ganze Parkplatz abgesucht, ob nicht ein doch ein solcher vorhanden ist. Der Computer sagt „Nein“, aber als dann der Kunde auf E22 einen Wagen des georderten Typs findet – was für ein Aufwand um den Kunden schlussendlich erklären zu können, dass dieser Wagen zum Verleih nicht zur Verfügung stünde, da er dort geparkt worden sei, damit er an den Hersteller zurückgeschickt werden könne.
Heute, nach so vielen Jahren Amerikaerfahrung, sind alle, auch die noch auftauchenden Probleme dieser Art, ein Kinderspiel. Man kennt die Regeln, weiss um das Verhaltenspotential der angesprochenen Personen, kennt die unausgesprochenen „to do’s“ und „don’t do’s“, weiss wo sich im Auto der Schalter zum Deaktivieren für den per Default aktivierten Overdrive befindet und vermeidet es von vornherein, die Geschwindigkeiten zu überschreiten. Dass die Ampeln nicht am Stoppstreifen sondern am anderen Ende der Kreuzung installiert sind, bewirkt nur eine kurze Verunsicherung und das Rechtsabbiegen trotz Rotlicht - auch ohne grünem Pfeil - ist eine schnell wieder angenommene Gewohnheit.
Nach all den Jahren und all den Reisen und all den Kosten und all den Erfahrungen – es ist, als wenn man heute in diesem nach wie vor so fremden Land dennoch wie in seinem zweiten Zuhause angekommen sei.
Das Unbekannte ist schon einmal bekannt gewesen, das Ungewohnte schon einmal erprobt worden, das Fremde schon einmal erfahren.
Ein solcher Satz gilt nicht nur im übertragenen Sinne. Selbst wenn auf der Karte die Strecken noch als vollkommen fremd und neutral erscheinen, kaum dass man sie – erneut – befährt, widerfährt einem der Eindruck von der vorangegangenen Reise und verändert die Wahrnehmung auf eine ganz unvorhergesehene Weise.
Nie wäre es möglich gewesen, irgendwo anders aus dem Gedächtnis heraus davon zu berichten, welchen Weg man unter welchen Bedingungen und mit welchen Eindrücken befahren hat. Aber jetzt, wo die gleiche Strecke – wenn auch mit einem anderen Wagen und unter anderen Voraussetzungen – wieder befahren wird, ist das immer noch und immer wieder neue Erlebnis der Fahrt durchsetzt mit Augenblicken der Erinnerung von bereits an dieser Strecke Erlebten, aber auch von der Möglichkeit, vorhersehen zu können, wie sich die weitere Strecke entwickeln wird.
Diese sich fortlaufend abwechselnden und immer wieder in ihrem gegenseitigen Bezug von „alt“ und „neu“ definierende Zustände machen einen besonderen Reiz dieser Fahrt aus. Es gibt nach wie vor nichts, was man nicht schon zuvor gesehen hätte oder gar gewusst hätte. Und doch gibt es immer wieder Momente des „deja vu“, die der Bewegung durch das unbekannte Land ein besonderes Flair geben, die Lust machen, weiterzufahren in eine immer noch neue Welt, die man bereits glaubte, kennengelernt zu haben.
Gesteigert wird diese Erfahrung noch als der Weg an Orten vorbeiführt, an denen Menschen wohnten oder noch wohnen, zu denen es eine engere persönliche Verbindung gibt. Es ist – wie zuhause. Man bleibt nicht an jeder Ecke stehen, an der man „jemanden“ kennt. Man weiss um diese Menschen und die Orte, über die die Verbindung zu ihnen zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Leben definiert wurde. Und jetzt fährt man – an diesen Orten vorbei. Und tut dieses wie selbstverständlich. Sei es, die Personen sind verzogen, sei es, die Begegnung ist für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen.
Die wirklich interessante Feststellung ist, dass Begriffe wie „Nachbarschaft“ oder gar „Heimat“ erst in einer Umgebung aufkommen und gedeihen können, in der Menschen leben, die man kennt und an denen man in ihrer Kenntnis ein Stück weit „aneinander vorbei leben“ kann.
Ist man an einem fremden Ort, ist man zu Besuch, dann war es jeweils ein grösseres Unterfangen, diesen Menschen wieder besuchen zu wollen und auf diesem Wege wieder zu begegnen. Ist man aber „zuhause“, so gehört auch dazu um sie zu wissen, dass sie da sind wo sie sind und an ihnen auch einfach mal vorbeigehen - bzw. vorbeifahren – zu können, ohne dass dieses als einen Verlust empfunden würde.
"Zuhause", das ist nicht nur dort, wo man seine Freunde sieht, sondern auch dort, wo man um sie weiss.