Zack - weg

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 15. Januar 2015 um 23 Uhr 20 Minuten

 

Nein, dies wird kein Nachruf auf Peter Zadek: Dazu gibt es wahrlich berufener Leute, die aus persönlichen wie aus beruflichen Gründen auf den Tod dieses Theater-Regie-Meisters eingehen. [1]

Aber das soll gesagt sein: Peter hatte auf den Urheber dieser Zeilen während seiner Zeit als Schüler, Gründer und Leiter einer Theatergruppe an der Hermann-Böse-Schule und später als Assistent, Mitarbeiter und Promoter an Kurt Hübners Theater am Goetheplatz in Bremen mit seinen Arbeiten einen nachhaltigen Einfluss gehabt - seine Räuber-Inszenierung und das Bühnenbild von Wilfried Minks waren DIE entscheidende Erweckung für dieses Metier - aber seine Arbeit als Regisseur hatte auch einen nachhaltigen Einfluss auf das eigene Verständnis von Theaterarbeit: Und das sah anders aus als das seinige.

Als sich in den letzten Jahren die Wege wieder gekreuzt haben, wurden gemeinsame Freunde und Weggefährten zu Grabe getragen: Peter Palitzsch, George Tabori, ...

Der eigentlich Grund für die Entscheidung, Peters Tod nicht mit einem eigenen Nachruf zu kommentieren - soweit dieser Text nicht schon als ein solcher ínterpretiert wird - hat aber mit einem Traum zu tun, der sich in der Nacht nach seinem Tode in schwarzweissen Bildern im Gedächtnis so sehr festgesetzt hatte, das er auch noch am Tage danach hätte re-zitiert werden können: der Autor dieser Zeilen - selbst lange Jahre in Brechts Wohnung und seinem Theater so gut wie beheimatet - ist darin Zeuge einer anderen Gedächtnisfeier: jener aus Anlass des Todes von Bert Brecht.

Mit Peter Zadeks Tod hat sich ein grosser Kreis geschlossen. Und zugleich jenem Jungen er-öffnet, der einst in ihm gefangen gehalten worden war.

Danke, Peter, für all Deine Unbotmässigkeit.

WS.

Anmerkungen

[1Siehe dazu:

Screen-Shot aus der 20 Uhr-"tagesschau" vom 30.07.2009
Bruno Ganz 1966 als Franz Moor auf den Brettern der Bühne in Bremen: "Die Post ist angekommen."
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 Christiane Justus vom NDR in der 20 Uhr- Ausgabe der Tagesschau vom 30. Juli 2009
 Hartmut Krug im Deutschlandradio ab 12:16 Uhr am 30. Juli 2009
Besonders gut gelungen die Einleitung des Nachrufs von
 Gerhard Stadelmaier in der FAZ.NET vom 3. Juli 2009, die - unter dem Titel: "Shakespeares Pirat, Freibeuter des Mehrs" - mit den Zeilen beginnt:

Theaterleute gehen nicht gern ins Theater. Sie langweilen sich dort zu Tode. Weil sie alles viel zu gut durchschauen. Vor allem im Theater, das andere machen. Und ihre eigenen Sachen haben sie bei den Proben bis zum Überdruss anschauen müssen.

Es gab zwei Ausnahmen. George Tabori und Peter Zadek. Tabori saß bei vielen seiner Premieren auf der Bühne am Rande dabei, den Kopf erhoben, nippte Tee, lutschte eine Praline, spielte mit seinem Silberknaufstock. Und war total entspannt. Zadek saß bei seinen Premieren in einer der ersten Reihen im Parkett, halb links oder halb rechts, den Kopf in die Hand gestützt, im Sessel halb lümmelnd. Und war total entspannt. Der Premierenabend schien für Tabori wie für Zadek nur eine Durchgangsstation. Als könnten sie sich noch ein ganz anderes, rätselhafteres, witzigeres, wahnsinnigeres Leben für ihre Figuren vorstellen. Als dürfe das Theater nie aufhören.

Tabori, der alte Budapester Jude mit englischem Pass, und Zadek, der alte Berliner Jude mit englischer Mentalität, die beide nie miteinander zu tun hatten, waren die großen fremden Kinder des deutschen Theaters. Beide kamen aus der von Hitlers Terrorregime erzwungenen Emigration nach Deutschland zurück - und brachten dort das Theater durcheinander.

Tabori war das sanftere, den Kelch jüdischen Schicksals witzschaudernd bis zur Neige leerende Kind. Er rechtete mit Gott, der zugeschaut hatte, wie ein Teil seiner Familie in den Gaskammern umkam, dadurch, dass er eine Komödie über ihn schrieb („Goldberg Variationen“). Das Leben blieb ihm bis zum letzten Gelächter immer lebensgefährlich. Und nur im Theater auszuhalten. Zadek war das wildere Kind. Er hatte weniger erlebt als Tabori. Gott, der zugeschaut hatte, wie ein Teil seiner Familie gerettet wurde, spielte für ihn keine Rolle, Metaphysik war ihm wurscht. Das Leben war ihm bis zum Untergang: eine Lust. Und nur im Theater auszudrücken.


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