Heute wurden in Berlin im Haus der Kulturen der Welt in Berlin der transmediale Award und der Vilém Flusser Theory Award 2010 verliehen.
I.
Im Gegensatz zum Eröffnungsabend am Dienstag - an dem auch Gäste mit Einladung und Eintrittskarte wegen Überfüllung abgewiesen worden waren - war der Saal an diesem Abend gut besetzt, aber bei weitem nicht voll.
Glück gehabt. denn auch die Besichtigung der Ausstellung an diesem Tag verlief ohne Probleme am Eingang. [1] Andere Besucher und Freunde berichteten, dass es zu langen Warteschlangen vor dem Eingang mit der dunklen absteigenden Treppe in den Ausstellungstrakt gekommen sei. Und auch diejenigen, die Einlass in den Club Transmediale begehrt hätten, hätten sich am Abend zuvor auf Wartezeiten von mehr als einer Stunde einrichten müssen, zumal wenn sie nicht mit einem lilafarbenen CTM-Bändchen ausgestattet worden seien.
Und es soll auch erwähnt werden, dass es in diesem Jahr möglich war, eine Akkreditierung - und gegen einen Kostenbeitrag von Euro 15.- - auch einen Zugang zu den Veranstaltungen und Exponaten zu erhalten. Und dass es - mit den Privilegien einer Akkreditierung ausgestattet - durchaus eine doppeltes Vergnügen ist, darüber berichten zu können, wie gut die "transmediale" in diesem Jahr insgesamt vom Publikum besucht - ja, zeitweise überrannt - worden ist.
II.
Dass es erst möglich war, an diesem Tag der "transmediale" beizuwohnen ist bedauerlich und wahrlich nicht dem Veranstalter anzulasten [2].
Wer sich das umfangreiche Programm einmal in Ruhe angesehen - und das Programmheft in seiner unbekümmerten Komplexität endlich zu verstehen gelernt - hat, dem wird kaum entgangen sein, dass in dieser Serien von Ausstellungen und Veranstaltungen, Projekten und Performances eine ganze Reihe von Schätzen verborgen waren - die es vermittels der eigenen Teilnahme nur zu bergen bedurft hätte.
Und wenn auch das Vergangene auf der Webseite des Veranstalters kaum zur Geltung kam, so gab es zumindest Programme wie die vom HERBSTRADIO oder vom DEUTSCHLANDFUNK KULTUR und DRADIO WISSEN, die sich den Veranstaltungen in grosser Ausführlichkeit angenommen haben.
III.
Der Besuch an diesem Tag kann also weder einen Eindruck über die Gesamtheit des Programms vermitteln noch wird er dem Leser dieser Zeilen einen wirklich objektiven Eindruck mitteilen können.
Und dass dem so ist - und diese Aussage wurde sehr lange und selbstkritische geprüft - hängt nicht mehr damit zusammen, dass seit der Gründung des "Videofest"es und seiner späteren Umbenennung in "transmediale" eine Menge an Zeit und Energie, Gestaltungswillen und Empathie in den Erfolg dieses Festivals gesteckt worden ist. Nein, das vielleicht Zufällige wie erstaunliche beim Besuch dieses Tages war, dass eine Reihe von eigenen Arbeiten und Konzepten in den Darstellungen Anderer wieder-entdeckt werden konnten.
IV.
Beispiel Eins: From One To Many
Eine auf den TV-Turm am Alex gerichtete Laserprojektion von Yvette Mattern, die an diesem Abend von 19:00 bis 23:00 Uhr zum dritten Mal in dieser Woche aktiviert wurde. [3]
Eine erste Laser-Licht-Installation war über den Augen der Zuschauer des Jahre 1999 zu sehen: sie war damals aus Anlass der 75 Jahre Internationale Funkausstellung zu sehen und bestand aus drei grünen Laserstrahlen, die zwischen den "Highlights" der deutschen Rundfunkgeschichte installiert worden waren: dem Vox-Haus (wo heute der Sony-Tower steht), dem alten Funkturm und dem Fernsehturm. Diese "High-Light-O" genannte Lichtinszenierung wurde damals gemeinsam mit dem Physiker und Freund Harald Elschner konzipiert, arrangiert, vor-finanziert und letztendlich erfolgreich inszeniert. [4]
V.
Beispiel Zwei: Buscando al Sr. Goodbar
Eine der für dieses Jahr als "preisverdächtig" nominierte Arbeiten der Wahl-Berlinerin Michelle Teran: ihr Besuch bei den Macher(innen) von YouTube Filmchen und Filmen dokumentiert nicht nur deren Arbeit, sondern holt sie mit eben dieser Dokumentation eben wieder auf jene Realitätsebene zurück, aus der sie mit ihren Filmen ausgebrochen zu sein scheinen.
Ein Projekt, das in ähnlicher dramaturgischer Anordnung, aber in einem deutlich anderen Kontext, nämlich als TV-Produktion, mit eigenen Mitteln vorfinanziert und in Zusammenarbeit mit den beiden Fern-Reisenden Wagner und Klotsikas in den Jahren 2007 und 2008 realisiert wurde. [5]
VI.
Der eigentliche Anlass dieses Textes aber ist die Teilnahme an der Abendveranstaltung, der Verleihung des Vilém Flusser [6] und des Transmediale-Awards [7].
LeserInnen von "DaybyDay" wissen, dass bereits in früheren Jahren über diese Preisverleihungen geschrieben wurde [8]. Aber eben in Kenntnis der Geschichte dieser Veranstaltungen und der Geschichten, die rund um sie erzählt und kolportiert werden wäre es not-wendig gewesen, hier endlich etwas zu unternehmen, dass die Ansammlung von Peinlichkeiten abgeräumt und von einer öffentlichen Abendveranstaltung abgelöst wird, in der der Künstler, die Künstlerin und sein/ihr Werk im Mittelpunkt stehen.
VII.
Was stattdessen an diesem Abend stattfand war indess hoch-not-peinlich. Und es möge der Leserin, dem Leser - vor allem aber auch dem Autor - erspart bleiben, hier nochmals ins Detail gehen zu müssen [9]. Das eigentlich dramatische sind nicht nur solche misslichen Umständen, dass man weder mit der ausgewählten Sprache noch mit der zum Einsatz gebrachten Ausdrucksform zurecht gekommen war [10] oder der Umstand, dass die Video-Auszüge aus den "preisverdächtigen" Arbeiten auf eine solch geringe Länge reduziert worden waren, dass die eine brutalen Kastration eben dieser Arbeiten gleich kamen.... vielleicht sagen wird es einfach mal so:
Was an diesem Abend zu sehen war, war das ebenso angestrengte wie letztendlich hilflose Bemühen, Auszeichnungen überreichen zu wollen anstatt Zensuren zu erteilen für herausragende Leistungen. Genau dieses Eindrucks aber konnte sich der Autor dieser Zeilen nicht erwehren.
Dabei sie sicherlich zugestanden, dass es wahrlich kein leichtes Unterfangen ist, einen Theorie-Preis zu verleihen, der eben nicht nur von einem Theorie-Diskurs begleitet und begründet wird. Aber eben daran misst sich letztendlich auch die Qualität einer solchen Veranstaltung. Dass sie die Wert einer solchen Theorie und ihre Funktion im "wirklichen Leben" zumindest auf- oder durchscheinen lässt, dass das Publikum versteht und nachvollziehen kann, warum hier jemand mit einem solchen Preis ausgezeichnet wird und diese Person in diesem ganz direkten Wortsinn als preis-würdig anzusehen und auszuzeichnen ist. [11]
VIII.
Wie gut, dass die Ausgezeichneten selber in ihren Reaktionen auf die ihnen verliehen Priese etwas aus ihrem Leben und ihrer Arbeit erzählten, das als authentische angenommen und verstanden werden konnte.
Und welche Koninzidenz in den Geschichten des Vilém Flusser Theory Award Winners Warren Neidich und transmediale Award Gewinnerin Michelle Teran: beide berichten - jeweils auf ihre Weise - davon, wie sie immer wieder von Aussen angeregt wurden, etwas zu unternehmen, was ihren weiteren Lebensweg mit ausgestalten würde: Warren berichtet von den Vorschlägen, die im gemacht wurden, für seine weiterführende Karriere in der Psychologie, Neurologie und Medizin immer neue Fördermittel zu beantragen - die er dann jeweils auch erhielt und zu seiner weiten Aus- und Weiterbildung nutzte. Bis er sich eines Tages - nach einer Einladung zur transmediale in den 90er Jahren - daran erinnerte, dass er eigentlich nicht (nur) Mediziner und Biologe sein, sondern Künstler. Und Michelle berichtet im Verlauf ihrer Danksagung davon, wie sie immer wieder eingeladen wurde, neue Dinge und Wirklichkeiten zu entdecken und zum Gegenstand ihrer Arbeiten zu machen. Und wie sich ihr Leben entlang dieses Leitstrahls von Einladungen zu entwickelt und entfaltet.
IX.
Alles was an diesem Abend auf der Bühne zu sehen war, war alles mögliche, nur keine Kunst.
Alles was auf der Bühne zu hören war, waren Worte, mit denen gesprochen wurde, ohne dass sie dem Verständnis hätten dienen können
Alles was auf der Bühne vermittelt wurde, war letztendlich der Mangel an der Vermittelbarkeit des an anderer Stelle schon Vor-gezeigten.
Wo bleibt das Positive?
Es ist gut, dass es die transmediale gibt und dass einen Ort und einen Zeitpunkt gibt, an dem diese Malaise sichtbar und an-hörbar wird.
Hat man sich mit dem einen oder anderen Kunst-Werk zuvor beschäftigt und geht mit einer gewissen Vor-Bildung und/oder Vor-Information in dieses Environment, kann das Ganze auch ganz anders funktionieren. Allein, an diesem Abend ist davon nichts, aber auch gar nichts, angekommen.
X.
Die eigentliche Malaise wird bereits in dem Titel selbst widergespiegelt.
Der Begriff der Zukunft wird in die Formel der Zukünftigkeit verdichtet und mit dem Zusatz: "now" ad absurdum geführt. Was in dem Schluss-Satz zum Award von einer Kuratorinen, Michelle Kasprzak, wie folgt zusammengefasst wird:
"Was wir über
die Vergangenheit erzählen oder auf die Zukunft projizieren – es spielt sich letztlich doch alles in der
Gegenwart ab. Jedes nominierte Kunstwerk besetzt einen kritischen und spekulativen Raum, in dem wir
selbst auf Entdeckungsreise gehen können."
Das Ich wird über die Geschichte gestellt, die Wahrnehmung über die Wahrnehmung, die eigene Orientierung über die Verortung in Zeit und Raum.
Das ist ein hoher Anspruch, ein gigantisches Programm. Daran zu scheitern ist keine Schande. Schade nur, dass dieser Anspruch und seine Begegnung mit der Wirklichkeit dieser Inszenierungen nicht wirklich in den Dialog gestellt wurde.
Gerade die Preisverleihung wäre dafür wahrlich ein guter Ort gewesen.