Nachdem wir uns bereits gestern weitgehend aufs Zitieren verlegt hatten [1] werden wird heute gleich so damit weitermachen. [2].
Der Anlass dafür ist einfach zu gut und die Mühewaltung der Stenographen, die die nachfolgende Texte in die Protokolle der Bundestagssitzung vom 29. Januar 2009 , Punkt 10 Zehn Jahre anerkannte Regional- und Minderheitensprachen in Deutschland Schutz –
Förderung – Perspektiven – Drucksache 16/11773 – haben zu gross, als dass man diese Gelegenheit nicht beim Schopfe fassen sollte.
Insbesondere, wenn in den letzten Zeilen dieser Zitatsammlung nochmals nachhaltig auf die Vorteile bei der Verwendung - in diesem Falle des Plattdeutschen - hingewiesen wird [3]
Und so sprachen sie denn:
– Wolfgang Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU-Fraktion:
Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und
Kollegen! Es wird sprachlich ein wenig bunter in unserem
Parlament. Ich weiß, dass viele das außerordentlich
befürworten und auch respektieren. Wat mutt, dat mutt!
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Watt kütt,
datt kütt!)
Teihn Johr is dat all her, dat uns lütte Spraken in
Düütschland „hoffähig“ wurrn sünd: dat Plattdüütsche,
Däänsch, Freesch und de Spraak vun de Sorben und vun
de Sinti und Roma. An’n 1. Januar 1999 weer dat so
wiet: Die Europäische Sprachencharta für Regional- und
Minderheitensprachen erhielt Rechtskraft in Deutschland.
Man, dat weer een Festdag för de Lütten. Die
Charta gilt für die traditionell in unserem Land gesprochenen
Minderheitensprachen. Gleichwohl hat sie, wie
ich finde, auch eine positive Wirkung für eine praktizierte
Sprachentoleranz gegenüber den vielen neuen
Minderheitensprachen in Deutschland, ob Türkisch,
Russisch, Kasachisch oder andere.
Vun 47 Länner in de Europarat hemm nur 23 Ja seggt
to de Charta. De annern hemm seggt, dat weer „zu kompliziert“.
Dat heet, 50 Prozent hemm bit jetzt Nee seggt.
Dat finn ik een Truerspeel; dat dörf nich so blieven.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD, der FDP und der LINKEN –
Zurufe von der SPD: Übersetzung!)
Der Deutsche Bundestag hat vor zehn Jahren, wie ich
finde, vorbildlich gehandelt. Er hat seinen Sprachminderheiten
Anerkennung, Schutz und Förderung zugesagt
und dazu beigetragen, dass diese Sprachencharta den
Stellenwert einer Magna Charta für inoffizielle Sprachen
einnimmt. Magst glöven oder nich, 70 lütte Spraken alleen
in Europa sünd in ehrn Bestand bedroht. Op uns
Welt gifft dat bi 7 000 Spraken; vun 4 000, dat heet fast
60 Prozent, seggt man: Wenn wi se nich schützen doon,
dann gahn se doot. Dat, finn ik, weer een groten Verlust
för de Minschheit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei
Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
– Hans-Michael Goldmann (FDP):
Verehrte Frau Präsidentin! Geachte Daamen un Heeren!
Ik bün heel blied, dat wi hier vandaag binanner komen
sünt, um teihn Jahr „Europäische Charta der Regional-
oder Minderheitensprachen“ to fiern.
As wi dat letsde Mal daröver heer satten hier in’t
Bundesdag in dat Jahr 2004, wassen wi uns all eenig: Wi
sünd up een goode Padd.
Besünners platt ward in de letsde Tied weer mehr
proot. Lüü prooten platt in Huus, up’t Straat, bi d’Arbeit,
up Böskoop un ok in de Amtsstuuven. Ok bi de Lüü
kannst best toraan komen up Platt, de verstahn Platt un
prooten ok Platt. Mien leeve Lüü, dat is mi neet genog.
Platt mut ok lehrt worden.
(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]:
Richtig!)
Studeren kann man platt up Hochskool man bloot in
Kiel. Schleswig-Holstein is dar wall een Vörbild.
(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]:
Das ist auch gut so!)
Ik dä mi freien, wenn dat annersworens ok so was.
(Zuruf des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup]
[CDU/CSU]: Wi ok!)
In acht Bundesländer word d’r Platt proot in Bedrieven
un Vereinen. Was een heel Bült beter, wenn Platt
dann ok mehr in’t Radio to hören was. Wi betahlen dar
ok ja all mehr för. Dann können wi ok uns eegen Spraak
verwachten wesen. Is ja heel moij, dat NDR all een paar
Jahr lang so wat hett as Hör mal ’n beten to.
(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]:
Richtig!)
Mi dünkt, WDR kunn ok een bietje maken.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU], an Abg.
Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU] gewandt:
Bei dir war es flüssiger!)
– Das ist meine erste Rede in Platt. Ich habe sechs Stunden
geübt.
[...]
– Karin Evers-Meyer (SPD):
Verehrte Fro Präsidentin! Leve Fruenslüüd! Leve
Mannslüüd! Teihn Johr is de Europäische Charta för Regional-
oder Minderheitenspraken nu in Düütschland
Gesetz. Na so’n lange Tiet is dat nödig – un mi dücht, dat is ok uns Plicht as Düütsche Bundesdag –, dat wi nakieken
doot:
(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]:
Richtig!)
Wat is dor bi ruutsuert? Wat hett sik an de Laag vun de
lüttjen Spraken in us Land ännert? Un: Wat mööt wi in
Gang setten, dat allens dat, wat in düt Regelwark binnen
steiht, ok würklich un wohrhaftig bi de Minschen ankummen
deit?
Ik will vör allen vun dat Plattdüütsche snacken, denn
dat is de Spraak un de Kultur, bi de ik mi utkennen do.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie
des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])
[...]
– Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Ich mag Folklore, und
ich weiß um den Wert von Sprachen. Wenn hier im Hohen
Hause aber jedes Mal vor Bundestagswahlen aus
sehr durchsichtigen Gründen ein paar Sätze auf Platt
und, wie nachher auch noch, auf Sorbisch gesagt werden
können,
(Sönke Rix [SPD]: Ich habe das auch schon
vorher gemacht, nämlich in meiner Jungfernrede!)
dann ist das angesichts der Minderheitenpolitik Ihrer
Koalition für mich Feigenblattfolklore.
(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]:
Das ist eine blöde Unterstellung!)
Noch schlimmer ist allerdings ein zweiminütiger Fototermin,
für den Ex-Kanzler Schröder 2005 die Spitze
der Domowina missbrauchte. Mehr Zeit hatte er für sie
nicht. In diesem März soll es ja nun einen Termin von
Minderheitenvertretern mit Frau Merkel geben.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Wer sagt das?)
Vielleicht hat sie etwas mehr Zeit. Ich will das hoffen.
[...]
– Maria Michalk (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Seifert, bevor ich meine eigentliche Rede
beginne, will ich ein Wort zu Ihrem Beitrag sagen. Ich
finde, es handelt sich, wenn sich alle Fraktionen an der
öffentlichen Darstellung der Sprachenvielfalt beteiligen
können, nicht um Wahlkampf. Ich jedenfalls bin dankbar,
dass wir diese Debatte heute führen dürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der
FDP)
3. rozprawa zwjazkoweje republiki k stawje přesadźenja
europskeje charty za regionalne a mjeńšinowe rěče
je dobry instrument, so na zwjazkowej runinje ze situaciju
rěčneho stawa, wosebje tež serbskeje rěče, zaběrać.
Přepytowanje Europskeje rady je wujewiło, zo su sewjerna a saterska frizišćina kaž tež delnjoserbšćina najbóle
wohrožene rěče němskeje.
Serbšćina změje jenož přichod, hdyž změjemy šule,
hdźež so maćeršćina našim dźěćom a młodostnym we
přeco lěpšej kwaliće a konsekwentnje posrědkuje a hdyž
wostanu šule tam, hdźež serbske swójby a ći, kotřiž
chcedźa našu rěč nawuknyć, bydla. Tu smy we zańdźenych
lětach dobre ale tež Bohužel serbsku rěč wohrožace
rozsudy dožiwili. Naspomnju šulsku syć a naše wojowanje
wo financne dorozumjenje za załožbu za serbski
lud.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Da hat aber die
CDU allein regiert!)
Das sorbische Volk ist nur in Deutschland anzutreffen.
Seit Jahrhunderten leben Deutsche und Sorben in
der Lausitz miteinander und befruchten sich sprachlich
und kulturell. Das macht die Besonderheit der Lausitz
aus. Das zieht viele an, vor allem Touristen, aber auch
Historiker und Wissenschaftler. Manche bleiben für immer
hier und lernen die sorbische Sprache. Wenn sie den
Geist der sorbischen Sprache für sich entdeckt haben
und feststellen: Sorbisch ist zwar eine schwere, aber außerordentlich
reiche und schöne Sprache; es ist auch eine
lebendige Sprache, die ständig weiterentwickelt wird,
deshalb also auch eine moderne Sprache, dann kennen
sie die Seele der Sorben. Nur über die Sprache kommt
man zur Seele eines Volkes.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD und der FDP)
[...]
– Clemens Bollen (SPD):
Hooggeachte Mienfroo Präsidentin, hooggeachte Damen,
mien Heren, as oostfreeske Abgeordnete is dat för
mit natürlich wat Besünners, hier in’n Bundesdag in
Plattdütsk över Regionaal- un Minderheitenspraak to
proten. Ik bün plattdüts upwussen un ik proot geern
Platt.
(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]:
Fein!)
Bi uns in Ostfreesland un Eemsland is de plattdütske
Spraak, de de meesten proten – of to Huus oder bi d’ Arbeid,
Un för heel völ Minschen is dat de Olldagsspraak,
de normaal Spraak. Un faken is dat natürlich so, dat de
Ollerden beter Platt proten as Hoogdütsk.
Problem is bi de plattdütske Spraak, dat besünners de
junge Lü immer weniger Platt proten. Wi hebben dor en
Unnersökung van de Oostfreeske Landskupp in Auerk,
woor Helmut Collmann Präsident is, de hett faststellt,
dat 1997 noch immerhin 10 Prozent van de oostfreesk
Schölerinnen un Schölers van de eerste Klass Plattdütsk
proten. Teihn Jahr later, 2007, was dat blot noch en bietje
mehr as 5 Prozent. Dit maakt dütlich, dat wi dat Erhollen
un Unnerstützen van Regionaal- un Minderheitenspraken
mehr maken möten, dat wi dat stärker unnerstütten
möten as bisher.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der
FDP)
[...]
PS. Zu Protokoll gegeben wurde die Rede von:
– Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wedder mol – veel to selten – sünd de Regional- un
Minnerheitensproken vun uns Land anseggt op uns
Tagesordnung. Fröher, bi mi bi´t Huus in Grotefehn in
Ostfreesland, worr hochdüütsch snackt.
Ik heff Plattdüütsch vun de annern Kinner in´t Dörp
lehrt. Ik sülvst bün keen professionellen, ober en passioneerten
Plattsnacker. Mien Computer jedenfalls, as ik
dor an’t Schrieven weer, hett dat allens rot anstreken mit
sien Rechtschreibautomatik, all de plattdüütschen Wöör
gefullen em nich.
Plattsnacken hett een Barg Vördeele: Man kriggt en
annere Stimmung bi´t Snacken. Man föhlt, dat man
irgendwie tosomen höört mit de, de ok platt snackt. Man
föhlt ok, dat de Soken ut uns moderne Welt, de sik nur
swor op Platt utdrücken loot, villich gor nich de wichtigsten sünd. De gröttste Vördeel is ober, dat man sik in
alle Fründschap Soken an’n Kopp smieten kann, de op
Hochdüütsch de reinste Beleidigung weern. Dor is de
fründliche Peter Harry ok mol en echten Nordstrander
„Dickkopp“. Villicht is dat in de Politik mennigmol richtig,
wenn man dor Plattdüütsch snacken deit. Villicht
schullen wi de Swattbrotthemen wie Föderalismusreform
un Huusholt mol op Platt besnacken. Ik glööv,
dor kunn en Masse klorer warrn.
[...]