I.
Ein Bild für die Götter. Da stehen zwei Unternehmensführer in einem alten ehrwürdigen „Neu“ genannten Schloss im Zentrum Stuttgarts beieinander.
Einer von ihnen ist derzeitig im Amt, der andere war es. Der, der es ist, weiss, wie wichtig das Gespür für die zukünftigen Märkte ist. Er er gibt vor, auch zu wissen, dass einem dieses allzu leicht verloren gehen kann, wenn man nur noch aus dem Glashaus seiner Firma heraus den Blick auf die grosse weite Welt erlebt, ohne diesen Blick selbst noch wirklich erleben zu können. Und doch sind für die Folgen der Globalisierung Gegenstand seines heimischen Alltags: alle Tage sind die Anforderungen die gleichen – wenn auch in immer neuen Gewändern.
Der andere war lange Zeit Führer eines europaweit bekannten Unternehmens, ebenfalls aus der IT-Branche, bevor (ihm) die gesamte Firma geschlossen wurde und er seine berufliche Heimat mit der einer nationalen Forschungseinrichtung hat vertauschen müssen – oder können.
In ihrem Gespräch geht es darum, dass der gesamte IT-Markt sich auch weiterhin verändern und zusammenziehen wird, verändern durch die Digitalisierung und zusammenziehen durch die immer geringer werdenden Margen. Ausgerechnet jener, der letztendlich selber seinen Job ob dieser Entwicklung verloren hat, rühmt sich wohl zu wissen, worum es hier gehe, schliesslich habe er zu seiner Zeit nicht weniger als dreitausend Leute entlassen müssen. Und er fügt zum Schluss – als wäre es eine nachträgliche Selbstermutigung – ein „da muss man halt durch“ hinzu.
Man ist unter sich. Gespräche dieser Art sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt [1]. Aber sie sind durchaus „bemerkenswert“, sind sie doch allzu typisch für die Unterredungen – zumeist von Männern – die, welches Schicksal sie auch immer in Zukunft noch ereilen oder von ihnen gestaltet werden mag, zumindest finanziell eigentlich schon „ausgesorgt“ haben.
II.
Es ist irgendwie beeindruckend – und zugleich befremdend – zu erleben, wie Menschen miteinander reden, die sich eigentlich um ihre wirtschaftliche Zukunft keine Gedanken mehr machen müssen. Objektiv gesehen. Natürlich machen Sie sich persönlich Gedanken über die eigene wirtschaftliche Zukunft als auch um das Wohlergehen ihres Unternehmens. Und doch: welch arger Kontrast zu zwei anderen an diesem Tag in Stuttgart gesprochenen Menschen, die beide in Stuttgart leben, in ganz Deutschland fortwährend arbeiten und am Ende eines Monat, eines Jahres doch nie wirklich sagen könnten, dass Sie aufgrund ihrer selbständigen Arbeit wirklich für dieses Jahr einmal „genug“ verdient hätten.
Wie gut, dass die beiden Unternehmensführer die Risiken dieser grossen kleinen Leute nicht wirklich kennen. Der cordon sanitaire ihrer Welt wirkt fort in ihren Familienverhältnissen, und Verbandsverbündungen, in ihrem sozialen Codex und den angenommenen Verhaltensweisen. Und wenig ist dafür in diesem Zusammenhang aussagekräftiger als ihr Reden und Verhalten auf Empfängen wie den an diesem Tag besuchten.
III.
Dieses ebenso komplexe wie – in manchen Fällen geradezu überlebenswichtige - Rollenspiel des Ansprechen-wollens und des Angesprochen-werdens anlässlich eines solchen Empfangs ist von solcher Komplexität und Vielschichtigkeit, dass es hier nur als Thema angesprochen aber nicht wirklich ausgeführt werden kann: Beginnt es doch schon mit der Aufgabe, überhaupt zur Teilnahme an einer solchen Begegnung zugelassen und bestenfalls auch eingeladen zu werden bis hin zu der Frage, ob man die Chance hat, einige der dort anwesenden Personen auch wirklich sprechen zu können, ja, bestenfalls ihnen sogar durch Dritte vorgestellt zu werden – und schliesslich und vor allem – ob und wie es gelingt, das sich dann daran anschliessende Gespräch zu seinem Gunsten bzw. zum Vorteil seiner Sache führen zu können. Kurz und gut: all diese kann nicht zum Gegenstand dieser Ausführungen gemacht werden. Es würde wahrlich den Rahmen sprengen, gerade, weil es so scheinbar nebensächlich daherkommt und doch eines der ganz entscheidenden Themen und eine der ganz wichtigen Übungen im Sozialverhalten darstellt.
VI.
Gegenstand dieses Berichtes wird also weder die Beschreibung der Begegnung mit den Unternehmensführern von gestern, von heute und vielleicht auch morgen sein noch die Frage, wie es möglich ist, sich in diesem Kreise auch dann Anerkennung und Gehör verschaffen zu können, obwohl man nicht selber aus der gleichen „Branche“ ist.
Vielmehr soll nun schliesslich zum Kern der hier in Stuttgart auf eigene Rechnung besuchten Veranstaltung vorgedrungen und über einen Festredner berichtet werden, dem es gelungen war, all diesen Herrschaften - und ihren Frauen, sowie den nur sehr vereinzelt anwesenden Damen aus Wissenschaft und Politik - kräftig die Leviten zu lesen – indem er aus seinem Vortag nicht vorlas, sondern Vortrug, was wer aus einer Erfahrungen vorzutragen hatte: Klar im Konzept, wohl vorbereitet im Zitat und doch frei im Reden – und Denken.
Die Rede ist von Alfred Grosser: den deut(s)chlichst denkenden, schreibenden und redenden Franzosen dieser Zeit.
[Dieser Text wird forgesetzt, sobald ein Transkipt seiner Rede vorliegen sollte.]