Auf Einladung des Deutschen Journalisten Verbandes djv haben sich gestern, am Donnerstag, den 10. Januar 2008 ab 19:00 Uhr "im Automobil Forum Unter den Linden in Berlin-Mitte" [1] zu dem Thema: „Regeln oder Anarchie? – Journalismus im www“ die folgenden Fachleute auf dem Podium eingefunden.
– Hans-Ulrich Jörges vom Stern
– Prof. Dr. Wolfgang Donsbach von der Universität Dresden
– Thomas Knüwer vom Handelsblatt-Blog
[2]
– Michaela May von N 24
– Björn Sievers von Focus online
– der Blogger Don Alphonso
– der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken.
Mehr zum Hintergrund dieser Diskussion findet sich auf der DJV-Website mit dem folgenden ellenlangen Link ...
http://www.djv.de/SingleNews.20.0.h... [3]
... oder auf der "Trackback URL" von ’Veranstaltungshinweis für den 10.1.2008’ [4]
http://handelsblatt6.blogg.de/track...
... oder in den Artikel von Daniel Baumann auf der Seite 8 der Berliner Zeitung vom 10. Januar 2008:
http://www.berlinonline.de/berliner...
... oder man schaut sich selber die Diskussion - zumindest in Teilen an. Dazu gibt es einen sehr viel kürzeren Link unter der URL:
http://www.djv.de/Journalismus_im_w...
Es ist sicher, dass nach dem Verfassen dieser noch am gleichen Abend entstandenen Zeilen auch ein ganze Reihe von anderen Kolleginnen und Kollegen sich dieser Diskussion annehmen und selber in ihren Blogs ausreichend und nachhaltig kommentieren werden.
Und es würde auch dem DJV gut anstehen, nicht nur die Diskussion selber ins Netz zu stellen, sondern auch in den folgenden Tagen auf der oben genannten Seite auch einen Überblick über die daraufhin erfolgten Reaktionen bereitzustellen.
Denn leider - um das Entscheidende gleich eingangs zu sagen - hat der DJV-Chef öffentlich nicht erklärt, was auch er aus der eigenen Erfahrung an den Hochschulen zu berichten wüsste: dass die jungen Leute heute nicht mehr so sehr auf die Selbstdarstellung in den Blogs aus sind, sondern nach einer Teilhabe und Teilnahme an und in den elektronischen "communities" streben - und ihre Zukunft eher in dieser Form der sozialen Netzwerke sehen. [5]
Und so war es denn auch von manch anderer Seite zu hören: es sei einerseits gut, dass endlich nun auch von diesem Verband diese Diskussion aufgegriffen und das Thema zur eigenen Sache gemacht worden sei. Aber es sei eigentlich dafür jetzt schon wieder viel zu spät, das Thema sei eigentlich schon längst gelaufen und man würde jetzt nur noch an den Folgen und Phänomenen herumdoktern und habe das Konzept des Handelns schon längst aus der Hand gegeben.
Mehr dazu wird sicherlich alsbald samt allem Klatsch und Tratsch, auf dem Bloggertreffen in München am 20. Januar diesen Jahres ausdiskutiert werden können. Denn während sich an diesem Abend fast ausschliesslich nur Personen trafen, die mit ihrer Tätigkeit als Schreibende fest in Lohn und Brot stehen - wobei die Frage nach der "Zweitrangigkeit" des Onlinejournalismus natürlich zwangläufig einen der Schwerpunkte der Diskussion einnahm - werden sich in München eher diejenigen einfinden, für die das Bloggen die schönste Nebensache der Welt sei aber nicht der Versuch, auf diesem Weg die Welt anderen erklären zu wollen - weder en gros noch en detail...
Ja, so der eigene Kommentar: es ist sicherlich gut, dass man sich zusammengesetzt hat, um "darüber" zu sprechen. Aber es ist auch mehr als bedauerlich, dass man nicht den Mut hatte, die Konflikte wirklich auf den Tisch zu legen und an ihnen - sozusagen Mann gegen Mann - als pars pro toto die Sache aufzurollen. DJV-Chef Konken nimmt nur in seinen einleitenden Worten kurz darauf Bezug, verweist auf den Mangel an Kriterien und sozialer Absicherung für den Online-Journalismus, aber entzieht sich eben dadurch dem eigentlichen Kern der Diskussion. Denn diese liegt nicht so sehr in der Frage nach der Zukunft der Online-Distribution von generischen Inhalten, sondern der Zukunft der Journalisten als "gatekeeper of the trouth".
Konkret: Es wäre sehr viel spannender - und vielleicht auch ertragreicher gewesen, wenn man dem reuters-Moderator zunächst nur zwei Personen zur Seite gestellt hätte: den Handeslblatt-Blogger auf der einen und den DJV-Vorsitzenden auf der anderen Seite. So wie hier auf dieser Seite dokumentiert, war hier ein Konflikt ausgebrochen, der weit unter die Oberfläche ging und an dieser Stelle exemplarisch hätte ausdiskutiert werden können.
Und, so wie das nachfolgenden Bild zeigt, wären wohl auch die Kontrahenten beide dazu bereit gewesen.
Aber nein, eben das geschieht leider nicht. Es passierte auch an diesem Abend das NICHT, was man auch in der Presslandschaft insgesamt mehr und mehr zu vermissen beginnt: die Bereitschaft, "Tacheles" zu reden. Einmal mehr werden mit dem Hinweis auf die Einhaltung der Regeln einer Kommunikationskultur die erkenntnisstiftenden Möglichkeiten einer Streitkultur hintangestellt.
Sehen Sie sich selber die Diskussion im Netz (noch einmal) an: Sie war auf der einen Seite heftig und letztendlich doch weitgehend in geistiger Kongruenz geführt. Schliesslich war es - einmal mehr - eine Unterredungen fast nur zwischen Standesvertretern, die alle fest in Lohn und Brot stehen [6] und jeweils fest in ihrem Medium und mit ihren Mitteln der Kommunikation gut etabliert sind. [7]
Nochmal: die wirklich spannende Diskussion war nicht die über die Rolle der Blogger und der Autoren, der "gatekeeper" und "community manager", sowie die angebliche Zweitrangigkeit von Onlinejournalismus im Allgemeinen und im Besonderen. Die wirklich spannende Diskussion kam zum Beispiel dann auf, als es um die Frage der Legitimität, ja Notwendigkeit ging, sich als Journalist auch mit seinem Namen für das Gesagte zu verbürgen oder aber zu entscheiden, seine Beiträge anonym verfassen zu wollen.
Dass von den einhundert am häufigsten vernetzten Blogs nur sechs ohne Impressum veröffentlicht würden, repräsentiert die eine Seite dieser Diskussion, dass es geradezu notwendig sei, auf seine Anonymität beharren zu können, die andere - wobei hier nochmal eine Unterscheidung gemacht wurde zwischen den absichtlich "Namenlosen" und jenen, die sich eines "Federnamens" bedienen würden.
STOP: es ist spät am Abend, der Text soll noch in dieser Nacht "ins Netz gestellt" werden und somit zur Verfügung stehen, wenn die Diskussion dieses Themas an vielen anderen Stellen von kompetenter und engagierter Seite weitergeführt werden wird.
Daher an dieser Stelle nur noch der Hinweis auf eine Radiosendung, die zunächst auf dem Nachhauseweg mit zwei Kopfhörern im Ohr mitgehört wurde: die Sendung PERSPEKTIVEN vom Kulturradio des rbb, die in der Zeit von 22:04 bis 23:00 Uhr on air empfangen werden konnte.
Darin ging es in einem Essay von Dieter Schlesak um nichts Geringeres als um die Frage: "Gibt es ein Leben nach dem Tod?" Und um die Bezüge des Philosophen Immanuel Kant und des Hellsehers Emanuel Swedenborg zu dieser Frage. [8]
Spannend im Zusammenhang mit der hier zitierten Diskussion war die Tatsache, dass es auch Kant in seiner heftig gegen Swedenborg geführten Streitschrift vorgezogen hatte, diese nicht unter dem eigenen Namen zu publizieren, sondern anonym veröffentlichen zu lassen!
Wie wir sehen: Viele der im Netz als neu hervorzutreten scheinenden Problemstellungen können oft auch nichts anderers als die Renaissance von Methoden und Formten, die schon zu ganz anderer Zeiten nutzbar gemacht wurden. Will sagen: auf der einen Seite ist das Thema um die Blogs und die Zukunft des Journalismus schon "durch". Auf der anderen Seite aber ist auch an diesem Abend die Aufgabe nicht geleistet worden herauszustellen, ob und wo "das Internet" die alten Fragen der Branche in neuer Gestalt wieder auferstehen - und damit weiterleben - lässt, bzw. ob und wo das Überleben traditioneller Formen und Strukturen tatsächlich in Frage steht.
PS:
Dass das Beschimpfen und Beleidigen von Menschen auch ohne den Schutz der Anonymität des Netzes funktioniert, dafür gab es heute ein mehr als offenkundiges "Fall"-Beispiel.
Mit dem Fahrrad auf einer Hauptgeschäftstrasse ohne Radweg unterwegs, als urplötzlich zwischen zwei parkenden PKWs eine Frauengestalt auf die Fahrbahn tritt. Und zwar ohne zuvor nach rechts oder link geblickt zu haben. Das führte augenblicklich zu einem sehr gefährlichen Bremsmannöver und haarscharf an einem Unfall vorbei. Trotz dieser extrem kritischen Situation wurde weder die Frau angerempelt noch der Radfahrer beim Sturz verletzt.
Aber kaum, dass er sich erhoben und das Rad aufgehoben hatte, bekam er zu hören: "Du Wichser, Du". Und dann ging die Frau weiter - und liess sich auch nicht ansprechen oder gar aufhalten, als sie nach ihrem Namen gefragt wurde. Erneut nach ihrem Namen gefragt, flüchtete sie sich in ein nahegelegenes Delikatessengeschäft und mischte sich unter das feine Publikum.
Zur Erinnerung:
Kristina Sam [9] vom pressetext.austria verfasst in ihrer Aussendung vom 26.06.2006 um 15:15 Uhr folgende Meldung:
US-Weblogs ziehen Investoren an
Journalisten kündigen zu Gunsten ihrer Blogs
Blogger aus den USA suchen nach Investoren für ihre Webseiten, wie das Wall Street Journal berichtet. Immer häufiger wagen Weblog-Autoren den Schritt in den professionellen Journalismus und Finanziers scheinen nicht abgeneigt, das nötige Geld zur Verfügung zu stellen. So hat beispielsweise Alan Patricof, der Apple Computer Inc. finanzierte und das New York Magazine gründete, nun ungefähr eine Million Dollar in die ContentNext Media Inc. http://www.contentnext.com/ investiert, die Tochterfirmen wie PaidContent.org betreibt.
Diese Investition ist eine von vielen und drückt die optimistischen Erwartungen aus, die Geldgeber in Blogs setzen. Weblogs entwickeln sich von einer Mischung aus persönlicher Meinung und Tratsch zu einem Portal für qualitativen Journalismus. Besonders der geringe Kapitalaufwand und die großen Expansionsmöglichkeiten machen das neue Medium attraktiv für Investoren. Vor allem verglichen mit der Neugründung von Magazinen bieten Weblogs eindeutige Vorteile. Bei Printmedien müsse man mit Kosten von bis zu 27 Mill. Dollar rechnen und drei bis vier Jahre lang rote Zahlen wegstecken können, wie Patricof meint.
Einige professionelle Journalisten, die bisher ihre Weblogs nur nebenbei betrieben, kündigen nun sogar ihre Jobs um sich voll auf das Blog-Business zu konzentrieren. Dabei werden von den Blogs oft sehr spezialisierte Themenbereiche abgedeckt, wie beispielsweise Entwicklungen am Breitband-Markt oder betrügerische Machenschaften von Unternehmen.
Weblogs erleben zwar auch im deutschsprachigen Raum einen Aufschwung, doch hier es gibt bei diesem Thema etwas mehr Zurückhaltung als in den USA. "Es wird sich in den nächsten sechs bis zwölf Monaten zeigen, wohin die Trends gehen. Ob es in Deutschland dieselben Entwicklungen wie in den USA geben wird, kann ich weder bestätigen noch ausschließen", erklärt Christoph Salzig, Sprecher des Bundesverbands der Digitalen Wirtschaft http://www.bvdw.org, im Gespräch mit pressetext. "Das Problem mit Inhalten im Internet ist die zweifelhafte Seriosität. Wenn professionelle Journalisten diese Weblogs verfassen bietet das sicher eine Chance für zeitnahen, aktuellen Journalismus", meint Salzig.
Momentan zeigt die deutsche Wirtschaft noch kein besonderes Investitions-Interesse an Weblogs, die Bedeutung für den PR-Bereich hat man allerdings schon erkannt. "Viele behalten Weblogs im Auge, um über die wesentlichen Strömungen, Trends und Themen informiert zu sein", sagt Salzig. Möglicherweise ist der Weblog-Boom auch nur eine Zwischenstation. "Podcasting und Audioformate legen die Messlatte für Internetjournalismus ziemlich hoch", meint Salzig.