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Da ja heute der Medienkonsum im Netz immer mehr das Multitasking in den Vordergrund rücken lässt, also den gleichzeitige Konsum von Bild und Sound und Text, machen hier hier sogleich eine Probe aufs Exempel: Und eröffnen diese Seite sogleich mit der FRESHMILK - Produktion über das sechste WebCuts-Festival im CineStar am Potsdamer Platz in Berlin.
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Es ist wahrlich nicht das erste Mal, dass in im Rahmen dieser Publikation auch über die WebCuts berichtet wurde [2] [3].
Und es ist auch nicht mehr neu zu behaupten, dass der Film nun auch im Internet "ankommen" ist. Auch wenn sicherlich selbst vor fünf Jahren noch kaum einer diese rasante Entwickung und die daraus resultierenden Folgen hätte voraussagen wollen.
Nach den ersten Startversuchen in den Jahren 2001 bis 2003 hat sich das junge Festival 2004 sogar ein "Denkpause" geleistet, weil selbst zu jenem Zeitpunkt noch nicht klar war, ob man sich weiterhin so einen "Exotismus" würde leisten können.
Inzwischen aber geht es deutlich "bergauf". Zumindest der Werbeclip und selbst der Kurzfilm sind "im Netz" heute im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur salonfähig geworden. Sondern sie werden alsbald neben den wachsenden Zugangsmöglichkeiten in den Privathäuser und Büros auch die mobilen Endgeräte bespielen.
In einer im hinteren Teil des CineStar-Kinos vor der Abendveranstaltung für die "VIP"-Gäste arrangierten Podiumsdiskussion [4] kam klar zum Ausdruck, dass die Internetplattfom heute eine valable und veritable Distributionsmöglichkeit der neuen eigenen (Ge)Werke geworden ist.
Macher und Multiplikatoren berichten davon, wie mittels dieser neuen Distributionsmöglichkeiten auch neue Zugangsmöglichkeiten eröffnet werden - und zugleich neue Anknüpfungspunkte an die schon bekannten Produktionsadresse anbieten.
Dabei - so stellt sich heraus - ist in machen Fällen der "Durchbruch" alles andere als geplant oder gewollt gewesen. Die Motivationen, überhaupt einen Film zu machen sind zu dem Zeitpunkt zu dem man damit beginnt, noch kaum von einer klaren Verwergungs-Strategie bestimmt, sondern vielmehr von inneren Beweggründen, eine eigene Idee in bewegten Bildern zur Sprache zu bringen.
Erst dann, wenn man das Gefühl habe, dass man diesem Ziel durchaus nahe gekommen sei, erst dann stellt sich die Frage nach Distribution seiner Arbeit. Und hier bietet sich heute "das Internet" wie selbstverständlich als eine weitere potenzielle Möglichkeit einer weltweiten Distribution an.
Im Gegensatz zu den vorangeganenen Jahren so wurde behauptet, sei die Zahl der Einreichungen "geradezu explosionsartig" gestiegen. Wahr ist, dass die Zeiten, dass WebCuts eine reine Insiderveranstalung war, inzwischen vorbei sind. Nach den gut 160 Filmen im Jahr zuvor wurden nach den vorliegenden Informationen diese Mals über 200 Filme eingreicht [5]. 24 von diesen kamen in die engere Wahl und wurden in 4 Gruppen zur Abstimmung gestellt.
Die Gruppen und ihre Gewinner [6] waren:
– Best Animation
En tus brazos
Matthieu Landour, Edouard Jouret, FX Gorby (Frankreich)
„En Tus Brazos“ besticht durch seine geschickten Schnitte, ein ausgefeiltes Bühnenbild und eine perfekte Abstimmung der Tanz- Animationen zur Musik des Tangos.
Emotionen, Sinnlichkeit, Leidenschaft, gepaart mit Melancholie. All dies findet sich in „En Tus Brazos". Eine Geschichte von tragischer Schönheit zum Rhythmus eines berühmten Tangos.
Der Film besitzt eine besondere argentinische Note, jedoch wurde er nicht, wie zu erwarten wäre, in Südamerika produziert: drei französischen Animators gelingt es hier, den Zuschauer emotional zu bewegen und zu fesseln. Alors, toutes nos félicitations à Matthieu Landour et Edouard Jouret.
– Best Design
Codehunters
Ben Hibon, Dana Dorian (Schottland, Großbritanien)
Nicht so sehr die Geschichte sondern das Ergebnis hat uns, vor allem optisch, sehr beeindruckt - Codehunters sieht aus wie eine gelungene Symbiose aus Manga und 3D-Animation.
„Codehunters“ ist ein großes Epos über den Kampf von Giganten in einer apokalyptischen Welt. Western und Science Fiction sind geschickt gemischt. Mangas, die von Hand gezeichneten japanischen Comics und Zeichentrickfilme, sind auch bei uns in Europa Kult geworden. Ihre Übertragung in die dritte Dimension ist bei Codehunters sehr überzeugend umgesetzt worden, der unverwechselbare Charme nicht verloren gegangen. Man könnte fast meinen, das wäre hier alles handgezeichnet.
– Best Film
I lived on the Moon
Yannick Puick (Spanien/ Frankreich)
Von der ersten Sekunde an zieht „I Lived On The Moon“ durch seine außergewöhnliche Gestaltung der Charaktere, die visuelle Sprache und Symbolik in seinen Bann. Nicht zuletzt das Tempo, das einhergeht mit der Musik, machen diesen Film zu einem herausragenden Werk.
Erst sehen wir die Welt nur als Puppentheater, eine Vorführung aus Papier und Pappe, beeinflusst von tibetanischer und nepalesischer Kunst und Farbwelt. Dann beginnt die Reise steil in die Höhe und wir fliegen stetig gemeinsam mit dem Jungen gen Mond.
Hier zeigt 3D-Animation – jenseits des Photorealismus – seine ganze Stärke und Wirkung. Atmosphäre und Schwerkraft von Lebewesen, die man aus der Unterwasserwelt kennt, aber hier im Himmel schweben, erzeugen eine melancholische Traumwelt. Die Flucht vor den Menschen – symbolisch als Kämpfer der Sonne in bedrohlichem Rot gekleidet – gelingt nur knapp.
– Best Story
Leftovers
Igor Coric (Serbien)
Der Film hat die Jury vor allem durch die schlichte Eindringlichkeit seiner Erzählweise beeindruckt. Dem Zuschauer wird ein Schaukasten präsentiert, der sich in der Grundeinstellung nie ändert. Aber innerhalb der Geschichte, die da erzählt wird, steigt die Spannung und das Staunen über komplett unerwartete Entwicklungen.
Die Entscheidung für die unbewegte Kameraeinstellung, die uns im Verlauf der Geschichte unterschiedlich kurz geratene Lebensverläufe der Protagonisten wie eine Art Peep-Show vorführt, bewirkt eigentlich zunächst eine distanzierte Betrachtung der Story. Illustration und Farbgebung, ständiges Flickern der Striche, Auf- und Abtreten der unterschiedlichsten Akteure, extreme Größenunterschiede zwischen Vorder- und Hintergrund zeigen Trickfilmtradition. Als Vertreter der „Generation Flash“ kommt dieser Trickfilm nun über das Internet zu einem erweiterten Publikum. Ausgehend von der simplen Alltagshandlung: „Frau hängt Wäsche auf...“ geschehen alle möglichen Dinge. Die offensichtliche Kreativität im Erdenken dieser Handlungsstränge hat uns dazu bewogen, „Leftovers“ den Preis für „Beste Story“ zu verleihen! Herzlichen Glückwunsch nach Serbien!
Der Publikumspreis ging in diesem Jahr an einen weiteren Beitrag, der nicht bereits von der Jury vorausgewählt worden war, nämlich an:
Global Warming von
Sheldon Lieberman (Australien)
Während die Filme im Kino liefen, wurde der Versuch gemacht, diese sogleich direkt bei der ersten Wahrnehmung jeweils mit einem Satz spontan zu kennzeichnen [7] und somit ein "Urteil" abzugeben, bevor das der Jury bekanntgegeben wurde.
Let the drummer kick that
lässt die Texte ganz für sich alleine sprechen und erinnert von seiner Machart an ein altes Jackson-Video
Global Warming
fügt dem ganzen Text auch noch eine animierte Figur hinzu und glänzt mit feinem Witz
Go Create - Web 2.0
animiert dazu, sich in bewegten Bildern selber aktiv an der Gestaltung dieses neuen Mediums zu beteiligen
Big Brother State
ist eine wohlgelungene Montage in der illustriert wird, wie weit es heute schon möglich geworden ist, die Erstellung von Bewegungsprofilen und andere Momente der Überwachung zu implementieren
Leftovers
ist dagegen ein geradezu klassischer Animationsfilm über den Tod einer Frau und die brutale Verwendungs-Geschichte eines zuvor noch von ihr auf der Wäscheleine aufgehängten Büstenhalters
Twit-Twit
ist ein drei-D-Animationsfilm über die Machenschaften und den Tod eines Schrankenwärters, der in der menschenleeren US-amerikanischen Wüste einen Dräseinenfahrer stoppt, der ihn alsdann ersetzt
Hello Kitty
ist einfach nur hübsch und muss selber erlebt werden
Duelity
berichet von der Erschafftung der Welt in den Bildern der von Computern dargestellten Welt.
Lantern Fishes
berichtet aus der Wasser-Unter-Welt, vom Fressen und Gefressenwerden der Fische - bis dass einer von Ihnen an die Angel gerät und blutig zerplatzt
En tus brazos
eröffnent mit dem klappernden Geräusch eines Filmprojektors um dann mit einem Tago seinen beiden Tänzern ein neues Leben einzuhauchen
... An dieser Stelle bricht das Netz zusammen und eine Reihe von zwischenzeitlich nicht gesicherten Kommentaren zu
Machinae und
Pedra Abertura und
The Obvious Thread und
Locked in Space und
Los Angeles I’m Yours
sind verloren gegangen. Danach wurden die Anmerkungen synchron zur Aufführung offline fortgeführt,
Codehunters
ist ein DER Film aus einer anderen Welt, die optisch begeistert und doch keiner versteht; das Ganze in Überlänge und Überweite
Kuckuck
ist der erste Film in realen Bildern von dem mörderischen Wirken eines hölzernen in der gleichnamigen Uhr beheimateten Vogels
Matter & Keys
sieht nach einer Designstudie von "Port O7" aus
Solar
beschreibt einen Unfall im utopischen System erneuerbarer Energien – und wie die Gefahr gebannt wird
Typographics
knüpft an die beiden erstgenannten Filme an "and makes the type taste good"
Getting Stoned Again
zeigt, wie und warum eine singende Ratte in der Falle endet.
Trotz aller Pannen war das Ganze eine wirklich beeindruckende Veranstaltung.
Sowohl für die Zuschauer dank der Vielfalt und Farbigkeit der ausgesuchten Beiträge, aber auch für die Macher selber, die in den meisten Fällen ihren Film damit zu ersten Mal auf einer grossen Leinwand erleben konnten.
Und schliesslich war es auch eine überzeugende Demonstration für all jene, dass ein "Film" auch dann beim Publikum ankommen kann, wenn er nicht im "2-K-DCI-Standard" auf die Leinwand projiziert wird.
Wer sich diese Filme in einem Schwung Online ansehen will, der kann sich alle 22 Beiträge auf dem Onlineportal von welt.de ansehen und sich jeden einzelnen dieser Filme auch zusenden lassen.
II
Und damit - um zumindest im Ansatz diesem hier gewählten Titel doch noch gerecht zu werden - der Hinweis, dass bereits der diesem Abend vorausgegangene Tag einer zweiten Veranstaltung "gewidmet" worden war, die ebenfalls in einem Kino stattfand, ohne dass dieser Ort heuer noch viel mit seiner Funktion als Licht-Spiel-Haus zu tun gehabt hätte: die XTOPIA-Entwickler-Konferenz von Mircrosoft im KOSMOS. [8]
Auch wer an dieser Konferenz nicht hat teilnehmen können - oder wollen: zumindest sollte mal ein Blick auf die Seite Nachlese & Kunst geworfen werden, in der aktuelle Beispiele des kreativen Umgangs mit den neuen Medien vorgestellt werden. Und das selbst dann, wenn er alles andere als ein Freund der Microsoft-Welt ist.
Die Konzentration auf ein Entwickler-Publikum machte es notwendig, jenseits von so mancherlei auch an dieser Stelle vorgetragenen Marketing-Attitüden mit dem Publikum "Tacheles" zu reden. Die sonst schon so abgegriffenen Themen wie
– Beyond Static TV and Advertisement - Be Interactive
– Der Kampf im Wohnzimmer - Neue Formen von Fernsehen und Vermarktung
– Targeting the digital Consumer 2.0
kamen im Rahmen dieser Veranstaltung zu einer ganz anderen Geltung.
[9]