"Was kostet..."

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 15. Januar 2015 um 16 Uhr 33 Minuten

 

... nein, nicht: "die Welt" - sondern: "ein Grab".

O.

Dazu gibt die Seite www.50plus.at "Das Leben ist schön" wie folgt Auskunft:

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Ein Grab kann prinzipiell nicht erworben werden, lediglich ein zeitlich beschränktes Nutzungsrecht (meist auf 10 Jahre oder ein Vielfaches davon), das bereits zu Lebzeiten erworben und weitervererbt werden kann, nicht jedoch verkauft oder verpachtet. Benutzungsberechtigt werden einige Monate vor Ablauf des Nutzungsrechtes brieflich verständigt. Verlängerungen von Nutzungsrechten sind möglich (ausser ein Friedhof wird aufgelassen). Hinweise auf Ablauftermine finden sich gegebenenfalls auch an den Anschlagtafeln der Friedhöfe angeschlagen. Achtung: In Wien sind die bereits fast alle Grabstellendaten online abrufbar. Eine individuelle Verständigung über den Ablauf einer Grabnutzung findet nicht mehr statt. [...]

Erwirbt man ein Nutzungsrecht für eine Grab, muss man mit Verwaltungsabgaben, Einschreibgebühren oder Verlängerungsgebühren von rund 80 bis 500 Euro rechnen.

Anders als in der jüdischen Tradition, nach der weder Leichen übereinander bestattet, noch Friedhöfe aufgelöst werden dürfen, müssen also auf den meisten anderen als Friedhof ausgewiesenen Flächen die Grabstellen immer wieder erneut verlängert werden - ein bisschen schwierig, sobald man tot ist.

I.

Das Beispiel Bremen:

Laut dem ab dem 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Ortsgesetzes zur Änderung der Gebührenordnung für die
stadteigenen Friedhöfe in Bremen
wurden die Kosten für die "Verlängerung der Nutzungsrechte an Grabstellen nach § 7 der Friedhofsordnung" um 6,1% von Euro 690,- auf 732,- erhöht.

Dazu heisst es in der Begründung u.a.:
Gerade angesichts des [...] aufgeführten veränderten
Beerdigungsverhaltens - fortschreitender Trend zur preiswerten
Urnenbestattung - lassen sich die daraus resultierenden sinkenden Einnahmen
nicht mehr durch Einsparmaßnahmen ausgleichen.
[...]
Da Zuschüsse aus dem Haushalt zur Verlustabdeckung nicht in Frage
kommen, die Aufwandsreduzierung durch Verschiebung von Sanierungs- und
Modernisierungsmaßnahmen (Verlagerung der jetzigen Probleme in die
Zukunft) ebenfalls nicht geeignet ist, die fehlende Kostendeckung zu beheben,
bleibt nur der Weg der Erlössteigerung über eine Gebührenanpassung.
[...]
Dabei ist es angemessen, dem bundesweiten Trend zur Annäherung der
Gebühren für die Urnenbestattungen an die Sargbestattung zu folgen. Im
Städtevergleich zeigen Recherchen deutlich, dass die Gebühren der
stadtbremischen Friedhöfe teilweise bis zu 34 % unterhalb der Mittelwerte
liegen.

[...]

II.

Das Beispiel Berlin:

Die Kosten für den Berliner Friedhof Heerstrasse [1]
 [2]
 [3] basieren auf der Grundlage
 des Gesetzes "über die landeseigenen und nichtlandeseigenen Friedhöfe Berlins", kurz "Friedhofsgesetz" vom 1. November 1995, sowie
 der Verordnung über die Verwaltung und Benutzung der landeseigenen Friedhöfe Berlins und sind fixiert in
 der Gebührenordnung für die landeseigenen Friedhöfe und Krematorien Berlins vom 17. November 2003.

In der zuletzt a, 13. April 2006 geänderten Ordnung heisst es:
 Verlängerung des Nutzungsrechts an einer Grabstätte EURO 14,00
 bei Verlängerung des Nutzungsrechts ohne weiteren Bestattungsfall
oder für das ohne Bestattungsfall überlassene Nutzungsrecht (Reservierung), je Grabstätte und Jahr EURO 26,00

Sollte es sich dagegen um ein sogenanntes Ehrengrab handeln, wie es zum Beispiel dem 1927 in Montana-Vermala verstorbenen Publizisten Maximilian Harden (eigentlich: Felix Ernst Wittkowski) zugesprochen worden ist, liegen die Verhältnisse anders.

In § III "Ehrengrabstätten für Persönlichkeiten mit besonderen Verdiensten", Absatz 9 heisst es dazu:
Ab Anerkennung übernimmt das örtlich zuständige Bezirksamt die Kosten für die Grabpflege, für die Instandhaltung der Ehrengrabstätte und des Grabmals sowie für die Verlängerung des Nutzungsrechts, sofern diese Kosten nicht von den Angehörigen oder Dritten getragen werden. Die erforderlichen Mittel werden in den Bezirksplänen als Sondertatbestand an-erkannt und zusätzlich im Rahmen der Finanzzuweisungen bereitgestellt.

Aber auch damit ist diese Grabstelle nicht "auf immer und ewig" gesichert. Vielmehr entscheidet der Senat nach Ablauf eines Zeitraums, der "der der geltenden Mindestruhezeit entspricht [...] auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme [...] über eine Fortdauer der Anerkennung als Ehrengrabstätte." [4]

III.

Das Beispiel Tabori:

Nach dieser hier zitierten Ausführungsverordnung könnte ein Grab von George Tabori auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof frühestens im Jahr 2012 zu einem Ehrengrab erklärt werden.

Soweit eine solche Beschlussvorlage in absehbarer Zeit weder seitens des Berliner Senats noch von anderer Seite eingereicht werden würde, wird hiermit - ersatzhalber und formlos - ein solcher Antrag gestellt.

Dieser Antrag wäre verbunden mit einer besonderen Anfrage / Auflage: Dass eine solche positive Entscheidung zumindest solange Geltung behalten solle, solange dieser Friedhof existieren wird.

WS.

Anmerkungen

[1Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen auf ihrem "Kiezspaziergang am 12.6.2004" :

Friedhof Heerstraße

Ursprünglich war der Friedhof für den 1911 als Villenkolonie geplanten Gutsbezirk "Heerstraße" zwischen Stößensee und Heerstraßenbrücke gedacht – daher sein heutiger Name, der heute in einiger Entfernung von der Heerstraße etwas deplaziert wirkt. Der Friedhof wurde 1921 bis 1924 von dem Charlottenburger Gartenbaudirektor Erwin Barth rund um den Sausuhlensee angelegt. [...]

Die Grabreihen wurden terrassenförmig um die tiefe Mulde mit dem See im Mittelpunkt gruppiert. Am 7. Oktober 1924 wurde er als interkonfessioneller Friedhof von Groß-Berlin eröffnet. Als "Waldfriedhof Heerstraße" gehörte nicht dem Bezirk Charlottenburg, sondern dem Forstfiskus. [...]

Von den zahlreichen Grabstätten berühmter Persönlichkeiten seien genannt: der Komponist und Dirigent Leo Blech, der Schriftsteller Ferdinand Bruckner, der am 3.3.2003 verstorbene Schauspieler Horst Buchholz, die Kunstsammeler-Familie Cassirer, die Schauspielerin Tilla Durieux, die Schriftsteller Theodor Däubler und Curt Goetz, der Maler und Grafiker George Grosz, der Kabarettist Wolfgang Gruner, Käte Haack, Maximilian Harden, Felix Holländer, Arno Holz, Benjamine und Georg Kolbe (mit nach Kolbes Entwürfen geschaffenen Stelen), Willi Kollo, Viktor de Kowa, Eduard und Evelyn Künneke, die Vorkämpferin der Frauenbewegung Helene Lange, der Komponist Klaus-Günther Neumann, Joachim Ringelnatz, Willi Rose, Willy Schaeffers, Hannelore Schroth, die Verleger-Familie Ullstein, Paul Wegener und Grete Weiser.

[2Aus: Kommunalpolitischer Rundgang am 19.5.2001.
Durch Ruhleben.
Bezirksbürgermeister Andreas Statzkowski:
Von den zahlreichen Grabstätten berühmter Künstler und Kunstfreunden seien genannt: George Grosz, Familie Cassirer und Tilla Durieux, Familie Ullstein, Georg und Benjamine Kolbe (mit nach Kolbes Entwürfen geschaffenen Stelen), Theodor Däubler, Curt Goetz, Maximilian Harden, Felix Holländer, Arno Holz, Joachim Ringelnatz, Ferdinand Bruckner, Viktor de Kowa, Paul Wegener, Grete Weise, Eduard Künneke, Leo Blech, außerdem Helene Lange (Vorkämpferin der Frauenbewegung).
Bemerkenswert ist auch das Familienbegräbnis Seidler mit einer der seltenen modernen Plastiken auf Berliner Friedhöfen, einer abstrakten Skulptur von Volkmar Haase.

[3Hier ein Text-Auszug aus: Beate Ziegs ’Ruhe sanft’. Die Zukunft der Friedhöfe. Erstsendung am 19.2.2005 . Erneute Sendung im DeutschlandRadio Berlin am 22. Juli 2007, die gleich zu Beginn ihrer Sendung wie in einer vorweggenommenen Zusammenfassung erklärte: "Friedwälder statt Friedhöfen ist ein zukunftsweisender Trend und die Forderung nach mehr Gestaltungsmöglichkeiten und weniger Reglementierung."
Der Link
http://www.dradio.de/dlr/sendungen/zeitreisen/349182/
konnte bei der Fertigstellung des Textes bis Ende Juli nicht aktiviert werden, daher zitieren wir hier die diesen Friedhof betreffende Passage wie folgt:
Eine normale Gruft für einen normalen Sarg auf dem Waldfriedhof Heerstraße in Berlin-Spandau. Zwei Meter zwanzig lang, einen Meter achtzig tief und einen Meter breit. Einen vollen Arbeitstag hat es gedauert, bis die Gruft ausgehoben war, jetzt ist sie innerhalb kurzer Zeit zugeschüttet. Drei Kubikmeter Erde per Hand. Die meisten Wege sind zu schmal für den Bagger. Keines der etwa 15.000 Gräber ist eingefasst, damit der Waldcharakter nicht gestört wird.

Thomas Engel: Ist ja so’ne Art Oase, so’n Friedhof, so’n abgeteiltes Stück von der Restwelt.

Thomas Engel hat fast 30 Jahre auf dem Friedhof Heerstraße gearbeitet: Gruben ausgehoben und wieder zugeschüttet, Bäume beschnitten, Urnen zum Grab getragen, Menschen in ihrer Konfrontation mit dem Tod erlebt.

Thomas Engel: Und wenn dann halt ein Kind kommt, das weiß, dass es in sechs Wochen sterben wird und sich das eigene Grab aussucht, dann ist das schon - und locker ist, also nicht heult, sondern ganz locker und gefasst ist und sagt: "Ja, da möchte ich liegen, das ist in der Sonne. Das wird mein Platz sein, wo ich den Körper hinbringe." Da stutzt man dann erstmal, ne.

Also dadurch, dass man ja wirklich den Menschen in den unterschiedlichen Aggregatzuständen angetroffen hat, bekommt man auch Abstand dazu. Und gerade, wenn man eine Weile Urnen getragen hat, ist es immer wieder erstaunlich, wenn man hinter sich hört: "Das war nun Walter gewesen." Der war vielleicht zwei Zentner, und plötzlich ist er also auf diese kleine Kapsel begrenzt. Und wenn man dann sagt: Naja, das ist ja wirklich nur der Körper. Es kann ja nicht die Seele sein. Das geht ja nicht. Und das, was uns ausmacht, ist ja nicht der Körper in der Regel, sondern die Seele. Und so schließt sich der Kreis dann: Geburt, Tod - alles eins.

"Eins" mag es tatsächlich sein, keineswegs jedoch einerlei. Jedenfalls nicht, wenn es um einen lukrativen Anteil an den etwa 8 Milliarden Euro geht, die jährlich auf dem Bestattungsmarkt umgesetzt werden. Es ist ein stark umkämpfter Markt, auf dem Steinmetze, Gärtnereien, Friedhofsverwaltungen, Krematorien oder Bestattungsunternehmen ihre Angebote nach zwei gegenläufigen Tendenzen ausrichten müssen: Einerseits lassen Discountbegräbnisse mit Billigsärgen aus stabiler Pappe - so genannten "Peace Boxes", wie sie in der Schweiz und Großbritannien verwendet werden - die Preise in den Keller purzeln. Aber dann darf es auf der anderen Seite auch schon mal die aufwendig gestaltete Urne in Erdbeerform mit Leuchtherz sein.

[4Zum Beispiel: Das Grab von Rudi Dutschke auf dem Sankt-Annen-Friedhof in Zehlendorf wurde 1999 als Ehrengrab umgewidmet. Also wird spätestens zum Jahr 2019 erneut über sein Andenken entschieden werden müssen.


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