Also doch: TV macht traurig!

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 16. November 2005 um 08 Uhr 19 Minuten

 

Kannten Sie das Kriminologische Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN)? Die SPIEGEL-Redaktion kennt diese Einrichtung und ihr von der Volkswagenstiftung bis zum Mai 2008 gefördertes Projekt zum Thema
Mediennutzung und Schulleistung offensichtlich seit längerem und zitiert jetzt aus den ersten Ergebnisse einer Befragung, die bei insgesamt 23.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 15 Jahren durchgeführt wurde.

KFN-Studienleiter
Prof. Dr. Christian Pfeiffer macht aus dem Ergebnis keinen Hehl: "Ein Übermaß an Medienkonsum macht dick, dumm, krank und traurig."

Die heute in
Spiegel.de vorgestellten Ergebnisse sind eindeutig und werden hoffentlich nicht nur in der folgenden Woche Beachtung finden, denn: Der unterschiedliche Medienkonsum liefert laut KFN-Chef Pfeiffer auch einen Erklärungsansatz dafür, dass der Süden Deutschlands in der Pisa-Studie besser abschneidet als der Norden - und dafür, dass mehr Mädchen als Jungen und im Vergleich zu Ausländern überproportional viele Deutsche Gymnasien besuchen. Denn einen eigenen Fernseher im Zimmer hat nur jedes dritte Mädchen, aber fast jeder zweite Junge. Eine Spielkonsole besitzen knapp 40 Prozent der Jungen, aber nur 16 Prozent der Mädchen. Von den Migrantenkindern im Alter von zehn Jahren haben 51,3 Prozent ein eigenes TV-Gerät und 43,3 Prozent eine eigene Spielkonsole im Zimmer, bei den Deutschen sind es nur 31,9 respektive 22,3 Prozent. Und während in Dortmund mehr als die Hälfte der Kinder im eigenen Raum fernsieht, ist es in München nur ein Fünftel.

Diese Ergebnisse sind so eindeutig, dass - übertrieben gesagt - die Zeit vor dem Fernseher einer Zeit der geistigen Verwahrlosung gleichzukommen scheint. Kinder auf Hauptschulen sitzen nach der KFN-Untersuchung mehr als doppelt so lang vor Bildschirmen wie Gymnasiasten.

Es wäre jetzt interessant zu erfahren, ob und wie sich die verstärkte Nutzung von interaktiven Medien und Diensten auf dieses Profil tendenziell auswirken wird. Denn es scheint ja auch in dieser Studie einmal mehr deutlich zu werden, dass der nachteiligste Faktor bei der Nutzung des Fernsehers als Unterhaltungs-Gerät derjenige ist, dass es eben zu keiner Unterhaltung mit anderen Personen mehr kommt. Oder?

WS.


PS. Am 15. November wurde dieses Themenumfeld Gegenstand eines Vortrages in der Berliner URANIA von Herrn Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, Ärztl. Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Universität Ulm.

Er will mit den Ergebnissen der Neurowissenschaften den Nachweis erbracht haben, dass Fernsehen dumm mache. Dr. Spitzer, so die Ankündigung: hat als einer der ersten die international verfügbaren Daten umfassend gesichtet und die Auswirkungen des Medienkonsums auf das Gehirn intensiv erforscht. Die Ergebnisse sind erschreckend. Nicht nur, dass der Fernsehkonsum langsam das Gehirn strukturell verändert, auch die Folgeschäden sind erheblich: Übergewicht, Aufmerksamkeits- und Lesestörungen, zunehmende Gewaltbereitschaft und ein reduziertes Wirklichkeitsverständnis, das sind die Zukunftsaussichten, mit denen wir und die Mediengeneration umgehen lernen müssen...

Nachzulesen unter der URL:
http://www.urania-berlin.de/veranst...

Und einer Medienkritik von Thomas Hollmann im INFOradio des rbb um 08:15 Uhr, in der er folgendes ausführt:

Wir ahnen es schon lange, aber jetzt weiß es auch die Wissenschaft: Fernsehen macht blöd. Je mehr du guckst, desto dööfer, haben Verhaltensforscher im TV-Mutterland USA anhand von tausend Testsäuglingen, die sie noch vor dem ersten Bildschirmflimmern vermessen haben, nachgewiesen.

26 Jahre später spricht das Ergebnis gegen die Fernbedienung: Je länger ein Kind vor der Glotze saß, desto weniger weiß es von der Welt.

Was Christian Pfeifer nun gar nicht verwundert. Denn der Mann ist Chef des kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen. Aus irgendwelchen Gründen beschäftigt man sich dort mit fernsehenden Menschen. Und der Herr Pfeiffer sagt: „Dick, dumm, krank und traurig“ macht das viele Fernsehen. Die Gefühle der Viel-Gucker sind schnell erregt, flach, theatralisch und wenig differenziert. Wie in einer Vorabend-Soap eben.

Die Kinder verblödet, man selber kaum heller. Was tun? Guck die Hälfte, ist der klassische Diät-Vorschlag. Aber heilen kann wohl nur der Verzicht. Die Glotze auf den Müll. Leichter gesagt als getan, jetzt, wo es mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wieder aufwärts geht und der WM-Sommer ein schöner werden kann - im Fernsehen.

Aber danach! Nach der WM gucken wir nur noch echtes Leben. Versprochen. Wir gucken in ein Lagerfeuer, über dem der selbst gefischte Fisch lecker brutzelt. Und in der Holzschale gammeln keine Chips vor sich hin, sondern liegen Brombeeren, die eben noch am Strauch hingen. Wir sitzen in einer Holzhütte im südbadischen Unteruhldingen und unterhalten uns mit unseren vielen Verwandten, bis die Sonne in den nahen Weiher plumpst.

Ja, wir werden Steinzeitmenschen - wenn wir Glück haben und die ARD nimmt uns. „Leben wie vor 5000 Jahren“ heißt das neue Living History-Projekt des Ersten. Acht Wochen jagen, fischen, sammeln in der Sippe.

Wenn wir wieder zu Hause sind, können wir ja mal reinschauen und gucken, wie wir uns geschlagen haben - ohne Fernseher.

Nachzulesen unter den URLs:
http://www.inforadio.de/radiotoread...
http://www.inforadio.de/radiotoread...


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