Games Convention: Ein Spiel. Runde Drei.

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 26. September 2005 um 19 Uhr 20 Minuten

 

In der Nachfolge der CeBIT Home und als Vorreiter der IFA: die Games Convention in Leipzig.

Der Stoff, aus dem die Träume sind... hier wird er präsentiert, gesammelt, diskutiert und kommentiert. Live aus Leipzig: vom Fachbesucher- und Medientag, dessen (vorläufige) Agenda dem Bericht vorangestellt wird:

UnternehmenZeitraumOrtThema
Eröffnungs-PK GC 08:45 - 09:30 Uhr Forum GC 2005 - Highlights
Electronic Arts 09:45 - 10:30 Uhr am Stand, H3 B12 Electronic Arts - Highlights 2005/2006
Nintendo 10:30 - 11:30 Uhr am Stand, H3 C02 Expand the definition of Gaming
KOCH Media / Deep Silver 11:15 - 12:00 Uhr am Stand, H3 A20 Deep Silver presents Gothic 3, Rush for Berlin, Paraworld, X3 - Reunion, Spellforce 2 and more
Konami 11:15 - 12:00 Uhr am Stand, H5 E02 Entwickler-Prominenz und Produkt-Neuheiten: Konami of Europe stellt sein aktuelles Line-Up der GC vor, zeigt eine Weltpremiere und hat prominente Spieleentwickler aus Japan auf der Bühne
T-Online 11:15 - 12:00 Uhr PK-Raum T-Online präsentiert Neuentwicklung im Games-Bereich
Microsoft *) 12:00 - 13:00 Uhr am Stand, H5 D02 Games for Windows
Ubisoft GmbH 13:00 - 13:45 Uhr am Stand,H3 B30 Europa- & Weltpremiere in Leipzig: Peter Jackson`s KING KONG (präsentiert von Michel Ancel) und eine actionreiche Enthüllung aus dem Might & Magic-Universum
10tacle studios AG 13:45 - 14:30 Uhr am Stand, H3 B02 Weltpremieren bei 10TACLE - spannende Entwicklungen im Zeichen der Game Fonds
Buena Vista Games / Disney 13:45 - 14:30 Uhr am Stand, H5 D44 Graham Hopper, Senior Vice President & General Manager Worldwide präsentiert die Strategie von Buena Vista Games. Deutschlandpremiere mit Überraschungsgästen und weltexklusiven Ankündigungen zu den Games zum potentiellen Weihnachtsblockbuster "Die Chroniken von Narnia - Der König von Narnia". Vorschau zum Produkt Line-Up 2006
GAMES ACADEMY 14:30 - 15:15 Uhr PK-Raum Games Academy - 5 Jahre erfolgreiche Ausbildung für die Games Branche!
Microsoft *) 14:30 - 15:15 Uhr am Stand, H5 D02 Xbox 360
NBG 15:15 - 16:00 Uhr am Stand, BC Ebene 0 A14 Dr. Helmut Pfleger präsentiert live Fritz 9
Sony 16:00 - 17:00 Uhr am Stand, H3 E02 Thema folgt noch! **)
ATARI 17:00 - 18:00 Uhr am Stand, H5 E30 VIP-Presseempfang: Internationale Producer präsentieren die neusten Atari-Titel exklusiv für die Presse.[...]

*) Im Gegensatz zu allen anderen Firma hat die von Microsoft beauftragte Presseagentur nur jenen Journalisten einen Zugang zur Pressekonferenz gewährt, die sich zuvor auch für diese namentlich angemeldet hatten: Das kann man so machen, hat aber viel "böses Blut" gegeben...

**) Der nachfolgende Bericht vergibt nicht gerade Bestnoten an die Sony-Kollegen und wird nicht an allen Stellen freundlich aufgenommen werden. Dennoch sei hier pars pro toto darauf hingewiesen, dass es alle anderen Firmen irgendwann doch noch geschafft haben, den "Thema folgt noch"-Hinweis durch die Ankündigung eines "richtigen Themas" zu ersetzen: ausser bei Sony. [1]

Leipzig. Ein Spiel. Runde Drei!

Die Games Convention, G|C, ist eine internationale Ordermesse für ein deutschsprachiges Publikum: zum Ballern und Kuscheln, zum Austesten und Abzocken, zum Anmachen und Outchillen. Ein „must“ für alle Gamer - und solche, die es noch werden wollen. Der 100.000ste Besucher war ein 11jährige Leipziger Junge in Begleitung seines Vaters, beide waren schon zum zweiten Mal gekommen.

Wir sind bestrebt, neue Zielgruppen erreichen, so der Nintendo-Deutschland-Chef: Die Mädchen und jungen Frauen, die männlichen Newcomer, die Bestager - und die schon bestehende internationale Spielgemeinde soll natürlich auch weiter gepflegt werden. Mit neuen Geräten, neuen Spielen und neuer Technologie.

Spielen soll nicht nur technisch anspruchsvoller werden, sondern auch noch witziger, noch mitreißender, noch fesselnder. Horizonte sollen erweitert werden und Grenzen niedergerissen. Jegliche bisher noch geltende Definition soll aufgehoben und neu bestimmt werden - selbst die des Spielens selber.

Die Games Convention lebt wie kaum eine andere Messe von ihren Sprüchen - und Ansprüchen. Die 280 Anbieter sind mit angeblich 98 Weltneuheiten und 52 Deutschlandpremieren aufgetreten. Und das zumeist jugendliche Fachpublikum weiß, was es will, lässt sich begeistern, aber kaum hinters Licht führen. Selbst wenn die Veranstalter bestrebt sind, auch die Fachbesucher und Berichterstatter am Vortag des eigentlichen Messebeginns - eine dringend notwendige und erfreuliche Veränderung in diesem Jahr - nicht allzu sehr hinter die Kulissen schauen zu lassen, so wird doch jeder Patzer und Kratzer am Lack einer jeglichen Schau unerbittlich bemerkt, aber auch verziehen.

Viele der vorgeführten Präsentationen beziehen sich auf Material, das sich noch in statu nascendi befindet, dabei ist, noch entwickelt zu werden, gerade einmal als pre-release vorliegt und noch lange nicht den Status des „Golden Master“ erreicht hat. Keine einzige der ersten fünf an diesem Tag erlebten Shows, bei denen es nicht zumindest ein Panne gegeben hätte: Bei Electronic Arts, EA, konnte der Abschlussclip nicht gezeigt werden, bei Nintendo wurde während des Multiplayer-Games ein „Communication-Error“ signalisiert, bei Deep Silver musst das Spiel „Paraworld“ neu hochgefahren werden, bei Microsoft wurde der erste Trailer ohne Ton angefahren und bei Ubisoft konnte „King-Kong“ erst nach einem Reload dem T-Rex die Stirne bieten. Dass darüber nicht berichtet wird ist fair und nachvollziehbar. An diesem Presse- und Fachbesuchertag gab es schliesslich einen Insidereinblick von Leuten aus und für die Branche.

Aber dann gibt es noch einen ganz anderen Grund, warum das im off frank und frei Kommentierte schlussendlich doch nicht publiziert wird: „Sehen sie“, sagt ein Redakteur der einzigen Spielezeitschrift in Österreich: „wir blicken hier ganz genau durch und wissen, wer welchen Bock geschossen hat. Aber was wir dann davon auch unseren Lesern offenbaren, das ist noch eine ganz andre Geschichte. Wir wollen schließlich noch einige Jahre auf dem Markt bleiben - wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Diese Kritik bezog sich - an dieser Stelle sei es ruhig gesagt - auf die Präsentation von Sony Computer Entertainment. Mit großer Sorgfalt vorbereitet und auf einem voll besetzten Stand vorgetragen, der im Vergleich zum Vorjahr fast um das Doppelte vergrößert bzw. nur noch auf einer Ebene ausgebreitet worden war, so war die Resonanz doch kaum mehr als mau. Von den vielen Kritikpunkten war vielleicht der schwerwiegendste, dass der Herr Commercial Director ganz augenscheinlich nicht immer wusste, worüber er gerade sprach.

Dieser Mann las Text vom Blatt und die Szene las nichts von dem was er sagte in seinem Herzen: Im geradezu frappanten Gegensatz zur Microsoft-Präsentation mit einer Projektion im HD-Format auf einer eigenen Showbühne und mit kompetenten Gästen aus den USA und Japan, die frei und präzise vorzutragen in der Lage waren was wirklich „ihr Ding“ war, so wirkte diese One-Man-Show letztendlich „wie von der Stange“. Selbst ein Avatar, so ein Stimme beim anschließenden Buffet aus dem fachkundigen Publikum, hätte es vermocht mit mehr Empathie einen besseren Bezug zu den vorgestellten Produkten und Features herzustellen.

So ein Satz tut weh. Zumal das Beste an der ganzen Veranstaltung in der Tat dann das wirklich gut zubereitete und mit vielen Varianten reichhaltig ausgestattete Buffet war. Wenn es doch auch nur vorher gelungen wäre, mit etwas mehr Sinn für die Sachen und Sinnlichkeit für die Details aufzutreten! An diesem Tage hat das Rennen um die Gunst des Fachpublikums auf jeden Fall das Partner-Team aus dem Hause Microsoft mit ihrer XBox 360 gemacht, samt integriertem IPod und SPS2-Player. Die Chance, gerade die Potenziale des Marktes für mobile Anwendungen exemplarisch aufzuzeigen und nachhaltig zu demonstrieren, hat Sony - an diesem Tag zumindest - vertan.

Gewonnen dagegen haben, das sei hier zwischendrin eingeblendet da wir gerade noch beim Buffet sind: die Leipziger in toto! Ein Beispiel von vielen: Als in dem Gedrängel vor den Speisen, einiges Brot zu Boden gefallen war, machte sich die Chefin selbst daran, dieses aufzusammeln und meinte, daraufhin angesprochen, „wissen Sie, hier ist sich niemand zu schade dafür, das zu tun, was gerade gemacht werden muss“. Und eine ihrer Mitarbeiterin fand sogar einen Weg, auf besonderen Wunsch hin nach den wundervollen Süßspeisen auch noch eine Tasse heißen Kaffee zu organisieren.

[...]

Es geht hier nicht darum, „amerikanische Verhältnisse“ einführen zu wollen, die sich eh’ auch auf der G|C mehr und mehr durchzusetzen beginnen - und damit die allzeitige Verfügbarkeit von Kaffee zu fordern - es geht um eine Haltung und um eine „Stimmung“, die die Voraussetzung ist für gute Geschäfte, gerade auch in dieser Branche. Wenn es möglich ist, davon etwas im Kleinen erleben zu können, dann ist das eine gute Voraussetzung für das Gelingen im Grossen. Und da ist es mehr als eine nur klammheimliche Freude zu sehen, wie die Mitarbeiterinnen aus dem Catering-Service-Team untereinander reagieren, sich bei dem wahrlich in diesen Stressminuten nicht einfachem Job gegenseitig bei Laune halten, oder wie die jungen Damen an den Schaltern für die Presseregistrierung die Ruhe bewahren und den Überblick, gerade in den Morgenstunden, in denen sich lange Schlangen vor ihren Schaltern bilden.

Auf diese „Nebensächlichkeiten“ wird hier einen Moment eingegangen, da diese umso wichtiger werden, wenn man einen Moment lang bedenkt, was da eigentlich wirklich auf dieser Show an diesem ersten Presse- und Fachbesuchertag gezeigt und mit bewusstem Kalkül von den jeweiligen Ausstellern für die Pressedemos ausgewählt wurde. Das, was an diesem Tage in massiver Form mit allen nur denkbaren multimedialen und selbst darüber hinausgehenden Mitteln dem multiplizierenden Publikum vorgestellt wurde, war alles andere als das, was die jungen Damen auf ihren Kuschelkissen mit ihren Spielen zwischen den Fingern zu signalisieren scheinen - bei Universal Games war sogar auf leerer Szene ein riesiges in cremeweißen Farben bezogenes eisernes Doppelbett aufgestellt: es ging um die als Spiel getarnte Organisation von Maßnahmen, um den auf den Screens signalisierten Bedrohungen des ins Spiel versenkten eigenen Lebens zu entkommen. Und das immer und immer und immer wieder.

„Play it again, Sam“: Nur, dass - wie schon auf der “Tripple E” in Las Vegas - nun auch auf der “G|C” in Leipzig der Geschichtenerzähler nicht mehr Woody Allen heißt und sein heimlicher Protagonist nicht mehr Humphrey Bogart. Die neuen Freunde stellen sich vor als Crash, Clank und Jak und der jugendliche Held der Kinder der Gamesgeneration, selbst am heimatlichen TV-Sreen, heißt Harry Potter. Die Aufgabe all dieser Gestalten ist es, schon in jungen Jahren jene Affinität zu wecken zu jenen dominierenden Szenarien der Freuden des Kampfes. Allein oder mit Freunden und Verbündeten, gegen den oder die „Bösen“, zu Lande, im Wasser und in der Luft mit immer dem gleichen Ziel: sie ins „Jenseits“ zu befördern, ohne dabei ein Schaden zu nehmen am eigenen Leben.

Aufgrund des ausnehmenden Charmes und der pragmatischen Kompetenz der Leipziger Setups gelingt es, all diese Zu-Mutungen noch ertragen zu können. Nicht nur dass der Spieler am Ende die Chance hat zu gewinnen, es könnte auch sein, dass die Stadt und der Veranstalter gewinnt, sich dieser gewaltigen Herausforderungen aus den USA aber auch aus Asien zu stellen, solange man stark und selbstbewusst ist, dem etwas eigenes entgegenzusetzen, das trotz aller multi-medialer Gewalt stärker ist und versöhnlicher als all das Schlachtengetümmel und die Lust am ständigen Drauf- und Dreinschlagen.

Man tut den Veranstaltern sicherlich unrecht, wenn man den Erfolg der Show auf das Niveau einer War Games Convention herunterfahren will, aber es bleibt nach einem Besuch der Veranstaltung ein frappierendes Erlebnis zu sehen, wie einige Tage nach den ARD-Tagesthemen in der 20 Uhr Ausgabe der Tagesschau ganz ähnliche Bilder in einem ganz anderen Zusammenhang zur Schau gestellt werden. Nur, dass es dieses Mal nicht Heerscharen von Kids vor ihren Computern sind, sondern „echte“ chinesische und russische Heeresführer, die sich auf diese Art und Weise interaktiv an der von ihnen inszenierten Kriegsführung beteiligen. [2]

Als im Verlauf der neuen Xbox 360 Präsentation von den vielen Beispielen einen Moment lang auch ein Szenarium gezeigt wurde, in dem sich die virtuelle Heldin in eine wandelnde Blume verwandeln konnte um in dieser Gestalt unter einer eisernen Eingangpforte durchschlüpfen zu können, und als der Tonpegel einen längeren Moment lang unter die 100 db-Grenze abgefallen war, gab einer der US-Kollegen auf der Bühne den Satz zum besten: „I’m getting bored. I want to hit things again“. Diese „Mir-wird-das-langweilig-hier-und-brauche-wieder-was-zum-Draufhauen“-Forderung ist wirklich das wohl nicht nur heimliche Motto der meisten der Vorführungen, die für die Presse-Demos diese Messe-Vortages ausgesucht worden waren.

Vielleicht ist falsch zu sagen, dass nicht die Freunde am Leben, sondern die Freude am Kampf im Vordergrund der Dramaturgien stand, die in allerlei Facetten und multimedialen Verkleidungen daherkamen. Vielleicht kann man ja auch sagen, dass sich heute die Freude am Leben nur noch als Freude am Überleben zum Ausdruck bringen lässt. Und so gesehen, all diese „Spiele“ in keiner Weise so lebensverneinend sind wie die statistische Anzahl der Leichen und Kadaver, die den Weg des Spielers als auch des-/der-jenigen begleiten, die sich auf die Erkundung dieser Welten eingelassen haben. Vielleicht geht es ja doch nicht um die Lust am Töten, sondern um die dahinter versteckte Sehnsucht weiter leben zu können. Ja, vielleicht sogar mehrere Leben zu haben. Ja, vielleicht ist es ja sogar alles andere als ein Zufall, dass der Papst in Köln und die Play-Stations in Leipzig zwei Seiten der gleichen großen Medaille darstellen.

Auf jeden Fall war der Sonderzug zur Games Convention, der um 3 Uhr morgens Köln in Richtung Leipzig verlässt, der erste, der vollständig ausverkauft war. "Wir haben die G|C in diesem Jahr zu neuen Höhen geführt, trotz Papstbesuchs", so der Electronic Arts Deutschland-Chef Jörg Trouvain. Die Wege des Herren sind unergründlich. Und vielleicht ist ja auch das Videospiel zum Herren der Ringe - in Leipzig sogar sitzend auf einer EA-Drehbühne mit Surroundsound und 360 Grad Projektion zu erleben - ein Stück weit Verkündung von den Versprechungen einer anderen Welt, die uns dann am Weihnachtsabend auf den Gabentisch als CD zum Geschenk gemacht werden könnte.

WS.

Anmerkungen

[1Diese Aussage wird so aufrecht erhalten, nachdem die Presse-Seite auf "http://www.gc-germany.de/" letztmalig nochmals am 26. September 2005 daraufhin überprüft wurde.

[2Siehe dazu auch den Eintrag vom 20.8.2005


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