Gottschalk spricht ... ohne Allüren

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 20. Oktober 2015 um 01 Uhr 36 Minuten

 

Thomas Gottschalk macht sich am Abend dieses Tages beimrbb-Fernsehen keine Illusionen, dass er nun nach den vielen Jahre im Ersten "nur" noch in einem dritten Programm zu Wort kommen kann. Aber er hält sich zu Gute, dass er bis heute nicht in eine der Frühstückssendungen der Privaten abgerutscht sei, auch nicht, um sein neues Buch vorzustellen. [1]

Hier drei Zitate aus dieser halben Gesprächs-Stunde, die doch so bemerkenswert sind, dass sie an dieser Stelle nochmals als Soundtrack wiederholt werden sollen:

Es geht um das Radio...

... als der schönsten Zeit seines Lebens

... als der besten Schule für die späteren Live-Moderationen

... um das zu machen, was man wirklich kann: dem Publikum ein Freund zu sein.


Nachtrag vom nachfolgenden Sonntag, den 21. Juni 2015:

Am Wochenende wird selbst auf der im Microsoft Internet-Explorer als Default URL geschalteten msn.Seite ein Stück aus der FAZ zitiert (ohne Link oder Datumsangabe).

In diesem namentlich nicht gekennzeichneten Beitrag ist zu lesen:

Warum Stefan Raabs Abschied für Thomas Gottschalk ein Problem ist
[...] " In einer Kolumne für die „FAZ“ gesteht der Moderator, er habe selbst bei der RTL-Show zu seinem 65. Geburtstag an ein Bildschirm-Ende gedacht: „Ich sag’ jetzt einfach live und spontan: „...so Freunde, das war’s! Das war mein letzter Auftritt im Fernsehen. Schönen Abend noch!““
Nur - er tat es nicht. Raab jetzt aber schon.
„Egal, ich hab’ es vermasselt. Und Stefan Raab hat mir gerade gezeigt, wie man sich richtig vom Fernsehen verabschiedet“. schreibt der TV-Dino. Und nennt Stefan Raab in seiner Kolumne den letzten „Riesen in einer Fernsehwelt, die zusehends von Zwergen bewohnt wird.“
Das konsequente Raab-Aus - es stellt Gottschalk offenbar selbst vor neue Probleme. „Bleibe ich, bin ich der tragische Riese, der die Götterdämmerung verpennt hat. Gehe ich als Nächster, wirke ich wie ein Trittbrettfahrer.“
Da hat er wohl Recht - nur eine Lösung ist nicht in Sicht.
" [2]

Was in beiden Follow-Me-Beiträgen nicht übernommen wurde, das ist die Aussage Gottschalks über den Bühnenarbeiter Rab. Er schreibt: "Er hat fasziniert, weil er nie gelangweilt zur Sache ging und weil er etwas hatte, das im Fernsehen weitgehend verlorengegangen ist: eine gewisse Unberechenbarkeit. Er hing nicht an vorgeschriebenen Texten oder Telepromptern, es war ihm egal, wie derangiert oder ramponiert ihn die Kamera zeigte, er hat sich zum Deppen gemacht, ohne je einer zu sein. Das bedeutet für mich gute Unterhaltung, und damit hat er sich meinen höchsten Respekt verdient"

Was auch nicht zitiert wurde, ist der Satz: "Meine Leopardenstiefel waren immer sehr viel aufregender als Raabs unauffällige Latschen, aber ich steh’ damit nun alleine im Regen."

Diese klaren Worte wiederum sprechen für Gottschalk. Denn er spricht damit nicht nur für sich selbst, sondern für die "Grossen Vier von der TV-Tankstelle", nicht nur von sich und Raab, sondern auch von Günther Jauch und von Harald Schmidt.

Was er nicht sagt, aber was den Abgang all dieser Anchor-Männer , die - jeder auf seine Art und Weise - sein Publikum gefunden hatten, signalisiert, das ist das Ende derjenigen Menschen und Macher, die sich jenseits aller Normierungen ihres Charakers immer noch als Persönlichkeiten haben qualifizieren können: Gottschalk als der Teddy der Nation, der es gelernt hat, rechtzeitig den Lehrer an den Nagel zu hängen, den dann sein Freund Jauch für sich entdeckt und als Rolle für sich überzeugend ausgebaut hat. Und da sind die Antipoden Schmidt und Raab: Schmidt als der Über-Erfüller und damit zugleich als Karikaturist des Intellektuellen. Und Raab als der Draufgänger, der sich vor allem durch seine Körperlichkeit bei seinem Publikum vor den TV-Bildschirmen eine ganz eigene Art der Autorität für sich hat aufbauen können.

Was tun?

Diese neuen Freiheiten nutzen. Und all den ausgemusterten Elefanten eine Chance geben, nochmals gemeinsam als Surprise-Party ohne vorherige Ankündigung aufzutreten. Zum Beispiel im Herbst diesen Jahres auf den Medientagen in München. [3] Was Besseres als diese Vier hat das deutsche Fernsehen derzeit - noch nicht - zu bieten.


Anmerkungen

[1]
Nein, das ist keine Neuauflage seiner "Biographie" aus der Feder von Gert Heidenreich aus dem Jahr 2006, sondern eine selbst verfasstes Werk aus dem Jahr 2015 mit dem Titel: "Herbstblond".

[2]
Beim Hinterhersuchen stellt sich heraus, dass der hier zitierte Beitrag von der MSN-Seite wiederum übernommen wurde aus dem Online-Auftritt des EXPRESS vom 21. Juni 2015, 13:40.
Und, im Gegensatz zum MSN-Portal, wird im Express auch auf den FAZ-Beitrag vom gleichen Tage verwiesen. Dort wird Gottschalks Beitrag wie folgt aufgemacht:
Er zeigt, wie man geht
Stefan Raab war nicht nicht nur einer der letzten Riesen in einer zusehends von Zwergen bewohnten Fernsehwelt, er zeigte auch beim Abschied Größe. War er klüger als ich?

[3]
Da es in dieser Publikation bislang keinen "Nachtrag zum Nachtrag" gibt, seien hier als pars pro toto für die Reaktionen auf diesen Beitrag zumindest zwei Vorschläge genannt, wer diese Runde moderieren könnte: Von Herrenriege Helmut Markwort und Jan Böhmermann bis zum Dreamteam Anne Will und Miriam Meckel...


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