Deutsche Spieler Szene: Erfolgsgeschichte oder Trauerspiel?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 13 Uhr 55 Minuten

 

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Heute wurden in Berlin Mitte die Deutschen Gamestage eröffnet.

Die Teilnahme an den ersten beiden Veranstaltungen machte - wie in einem Brennglas - mit dem Glanz und aber auch dem Elend dieser Branche bekannt.

Kurz und schmerzlos waren die Eröffnungsbeiträge vom Sprecher des Berliner Senats, Dr. Meng, vom Medienboard-Geschäftsführer - "wir werden alles für diese Branche tun" - Elmar Giglinger - die "Leidensfähigkeit" des vollbesetzten Zuschauerraums lobend - und Stephan Reichart, Geschäftsführer von Aruba Events - der, nun endlich befreit von seinen GAME-Verbands-Verpflichtungen, aus seinem Herzen keine Mördergrube macht und bemängelt, dass die Politik bislang an dem Erfolg dieser Branche so gut wie keinen Anteil gehabt habe.

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Die sich anschliessende Podiumsdiskussion „Wirtschaftswunder Games – führt zuviel Regulierung ins Abseits?“ hätte man - sorry folks - auch genauso gut streichen können. Denn dort war nichts, aber auch rein gar nichts Neues zu erfahren - was dann auch einer der Gäste auf dem Podium in dem schlichten Satz zusammenfasste: „Das Problem ist: wir diskutieren. Und am Ende des Tages werden wir diskutiert haben.“ [1]

Es sei denn, man nimmt das Ganze als zivilisiertes Kasperletheater und erfreut sich an den Darstellern und ihren Rollen:
 Dr. Peter Tauber (MdB, CDU) sitzt auch noch ganz rechts und ist doch bemüht zu zeigen, dass es auch in seiner Partei Generationskonflikte gibt - und dass er sogar Komplimente bereithält für die Schwesterpartei im Süden, die die CDU davon abgehalten habe, weiter für Internetzensur einzutreten.
 Tabea Rößner (MdB, Bündnis 90/Die Grünen) als Mutter von zwei Kindern, die alle drei Spielkonsolen im Haus haben, und die den Zusammenbruch der Regulierungsbemühungen Ende letzten Jahres unendlich bedauert, trotz aller Ungereimtheiten.
 Birgit Roth (G.A.M.E.), die in die gleiche Bresche schlägt und darauf aufmerksam macht, dass bei allem Wehklagen die deutsche Erfolgsgeschichte gerade im Bereich des Online-Gaming nicht zu vernachlässigen sei.
 Dr. Gerhard Florin (Innogames), der über die Unmöglichkeit berichtet, während seiner vielen Jahre als "Europa-Chef" von Electronic Arts im Ausland begreifbar zu machen, warum es den Deutschen nicht gelänge, in der internationalen Branche so entschieden vertreten zu sein, wie es eigentlich ihren Möglichkeiten entsprechen würde.
 Guido Eickmeyer (Koch Media) schliesslich bringt das Dilemma auf den Punkt, in dem er [2] zwei wesentliche Dinge formuliert:
— „Bei den eigenen Entwicklungen müssen wir den deutschen Markt zunächst einmal ausblenden.“
— „Wir müssen uns auf Kräfte verlassen, die wir nicht aus dem eigenen Nachwuchs rekrutieren können.“

Damit ist alles gesagt. Sicher, die Lage ist heute eine deutlich andere - und bessere - als noch vor einem Jahrzehnt, als maximal 500 Leute in diesem Umfeld ihr Brot verdienten, viele Konkurse und Konflikte die Diskussion prägten und den Machern der ersten Stunde gerade auch von der Politik mit Unverständnis und blanker Unkenntnis entgegengetreten wurde.

Zitat vom Podium: "Wir reden bei Spielen über ein Thema von Leuten, die maximal 30 sind. Und die Entscheider sind alle über 40. Und die verstehen nichts von dem Alltag dieser Menschen."

Dass es aber auch damit bald vorbei sein wird und sich darüber hinaus viele inzwischen liebgewordene Vorstellungen aus der Gamer-Szene der ersten Generation überholt haben werden, dafür steht Heiko Hubertz ein, Gründer und Geschäftsführer von Bigpoint, mit seinem Eröffnungsvortrag: „From a Million to a Billion – ein erfolgreiches Businessmodell nachhaltig gestalten.“

Kein Wunder, dass einem Hauptsponsor auch der erste Platz in der Rednerliste zugewiesen wird?

Was Heiko da in wenigen Minuten an komplexen, sich gegenseitig bedingenden, also interdependenten Zusammenhängen dem Publikum zumutet, ist zu viel, als dass es hier in aller Breite dargestellt werden könnte. Geht es doch um Ungeheuerlichkeiten, dass heute seine Firma - nach 8 Jahren Anlaufzeit -1 Milliarde an virtuellen Gütern umschlägt. Und das jeden Tag. Und dass dieses Geschäft von morgen schon heute ertragreich sein kann, dass die 10 umsatzstärksten Unternehmen heute schon Dreiviertel der Umsätze unter sich ausmachen - und dass mehr als die Hälfte dieser Unternehmen heute schon in Asien angesiedelt ist.

Das vielleicht wichtigste seiner Argumente ist, dass gerade der europäische Markt von hoher Attraktivität ist. Gerade wegen seiner Vielschichtigkeit und Vielsprachigkeit, dass Lokalisierung Standard ist und nicht die Ausnahme, dass die Erfordernisse für eine erfolgreiche Globalisierung zuförderst auf dem hiesigen Markt gelernt werden können.


wird fortgesetzt:

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Hier noch einen Hinweis auf den nachfolgenden Tag:

Premiere: Berlinale Keynotes go Deutsche Gamestage!

Nachdem diese Veranstaltung zur diesjährigen Berlinale 2011 nicht stattgefunden hat, wird dieses Format nun im Rahnen der heute beginnenden Deutschen Gamestage unter der Überschrift: „Film meets Games. Trends und Tendenzen“ wiederbelegt.

Berlinale-Direktor Dieter-Kosslick: „Film und Games rücken in der Produktionsweise immer näher zusammen. Mit den Berlinale Keynotes will die Berlinale einen Diskurs über die Innovationen in diesem Bereich starten.“

Medienboard-Geschäftsführer Elmar Giglinger: „Wir freuen uns sehr, dass wir die Keynotes in diesem Jahr im Rahmen der Deutschen Gamestage präsentieren können. Die Gamesbranche zählt weltweit zu den Wachstumsfeldern des Kreativ- und Mediengeschäfts mit immer mehr Anknüpfungspunkten zu Film, TV und Musik. Deshalb ist die Verbindung mit den Berlinale Keynotes eine ebenso schöne wie stimmige Entwicklung.“

Thomas Hailer von den Berliner Festpielen macht in seinen einleitenden Worten deutlich, dass diese Veranstaltung eigentlich eine "Verlegenheitslösung" sei, wenn auch eine gute.

Immer noch gesucht würde der erste Film, dessen Skript aus einem Game-Szenario entwickelt worden sei. Da dieser Film - bislang - noch nicht vorläge, habe man sich zwischenzeitlich für diese Veranstaltungsform entschieden.

Dr. Christian Stöcker von Spiegel Online hakt in seiner Eröffnung hier sogleich ein und bemängelt die bislang eher mässigen Skripte, die in diesem Umfeld das Kino-Licht der Öffentlichkeit erblickt haben.

Dann sind zwei Vorträge angesagt, von: [3] sind

 Anita Ondine ist Story Architect bei Seize the Media in London und Beraterin für innovative Erzählmodelle und interaktive Storywelten. Sie spricht über transmediale Erzählkonzepte, die die Grenzen zwischen Film, TV und Games immer weiter auflösen.

Anita fragt gleich zu Beginn, wer diese Veranstaltung "mittwittern" würde. [4]

Ihr Thema sei "transmedia". Und das deshalb, weil aus ihrer Sicht das Thema nicht so sehr ein technisches sei, sondern dramaturgisches. Also nicht Cross-Media oder Multi-Plattform, sondern ein Konzept entwickeln, das sich wie ein Raum zur Teilnahme dem Teilnehmer erschliesst. Mehr noch: Mit dieser Teilnahme solle der Teilnehmer auch die Chance haben, die Geschichte mitzugestalten.

Ihr Buzz-Word ist nicht so sehr interactive, sondern participatory.

Die Filme und TV-Geschichten, die auch mit Spielen aufwarten, habe das Eine n e b e n dem Anderen stehen. In ihrem Modell aber würden beide Elemente von vornherein miteinander verschmolzen sein.

Ausgangspunkt all dieser Entwicklungen ist und bleibt und wird sein: The Story. Aber, was die Drehbuchautoren zu lernen haben, ist der Umstand, dass die "game-mechanics" mit in ihre Skripte Einfluss nehmen. Das gelte aber auch in die andere Richtung. Die Game-Dramaturgie sei durch das Moment des "Geschichtenerzählens" noch weiter zu vertärken.

Die Zeiten, wo noch alle zu einem "event" zusammengekommen seien, sei vorbei - ausser vielleicht bei einem "sports-event". Heute sie die Rezeption mehr und mehr "solo". Und das würde bedeuten, dass man die Idee des "social story telling" wieder mehr in den Fokus geraten wird.

Nochmals: es geht nicht nur um das Erzählen einer Geschichte, sondern auch um eine neue Dimension dieser Kulturtechnik in neue Dimensionen. Auf diesem Wege wird es möglich, die Charaktere auch dann schon in den Rezeptionsraum zu stellen, bevor das Spiel selbst überhaupt veröffentlicht worden sei. Das würde auch eine höhere Sicherheit bedeuten, dass die Finanzierung einer solchen Entwicklung von Erfolg gekrönt sei.

Dass dieses Thema Aufwind hat, würden die neuen "Fundings" für diese Versuche zeigen, auf nationalem Level als auch von Seiten der EU. Aber auch die "Fourth-Wall"-Company in den USA habe sich diesem Thema zugewandt. Produktionen wie "Dark Knight", "Lost" und "Heroes" würden sich diesem neuen Konzept verschrieben haben. Ja, es gäbe heute schon einen "PGA Transmedia Producer" - Credit.

The summary: "The people want to have a role in the story telling experience". Es gelte derzeit das "perfect storm szenario" zu entwickeln. Und dafür wird es notwendig sein, dass die Leute aus den verschiedenen Disziplinen miteinander reden."

 Rupert Ochsner, Game Director bei Beta Film München, erklärt am Beispiel von „Borgia“ die Transmedia-Strategie des Weltvertriebs. „Borgia“ ist die bislang teuerste europäische TV-Serie, die auch als Spiel erscheinen soll.

Rupert beginnt seine Präsentation mit einem langen Borgia - Trailer. Er verweist auf die Mitgliedsfirmen der Beta-Gruppe und den Produktionspartner Canal + gibt den Start-Termin mit September 2011 bekannt und verweist auf die neuen Herausforderungen, die sich aus einem neuen 50-50-Copublishing-Modell mit der Spiele-Branche ergeben. Der Partner für dieses Projekt ist "Daedalic Entertainment".

In dem neuen Konzept würden alle Spiel-Formen mit einbezogen werden. Von den Casual Gamers bis zum [Hidden Object Adventure Genre.

Er verweist später in der Gesprächsrunde darauf, dass man neben diesem Spiel-Film auch an einem Comic-Film-Konzept arbeiten würde, in der beide Welten parallel und dennoch sogleich gemeinsam entwickelt würden.

In der abschliessenden Gesprächsrunde wird darauf verwiesen, dass es bisher kaum Personal für diese neuen Formate gäbe, so Malte Wagner.

Anita spricht von einem "core-narative" mit "sup-plots and - storries" das über alle Plattformen hinweg funktionieren müsse. Wohlwissend, dass es für diese Art der Dramaturgie bislang noch einen Gengre-Begriff gäbe.

Hinzu kommt, dass die Spielemacher bislang kaum mit Drehbuchautoren vom Film zusammengearbeitet haben.

In einer Rundfrage des Moderators an das Publikum gibt es auf beide Fragen keinerlei Reaktionen:
Gefragt wird nach guten Spielen auf der Basis eine Film
Gefragt wird nach einem guten Film auf der Basis eines guten Spiels.

 Malte Wagener, Director Global Business Development bei Koch Media München, stellt das Konsolenspiel „Dead Island“ vor, das im Herbst 2011 auf den Markt kommt. Der aufwendig produzierte Game-Trailer erregt bereits seit Monaten weitweite Aufmerksamkeit im Internet. International renommierte Studios reißen sich darum, den Film zum Spiel zu produzieren.

Er spricht von der viralen Vermarktung von deathilandgame.com und der Überraschung die die Präsentation dann in den USA gefunden habe: von Jerry Bruckheimer bis Ridley Scott-Yhttp://de.wikipedia.org/wiki/Ridley_Scott].

Seiner Meinung nach ist eine gute Geschichte nur dann eine gute Geschichte, wenn sie in weniger als 4 Minuten zu erzählen sei. Und das sei die wichtigste Aussage. Und diese Aussage gilt für beide.

Anmerkungen

[1Der geschätzte Kollege Thomas Lindemann (Die Welt) - "ich komme von einer ganz normalen allgemeinen Tageszeitung, habe dort vor fünf Jahren das Thema eingeführt und muss feststellen, dass aus dem ehemaligen Widerstand heute eine grosse Unterstützung erwachsen ist" - war, dem ersten Eindruck nach, eine echte Fehlbesetzung: kein Konzept, kein Drive, keine Konfrontation mit divergierenden Positionen. Doch dann geschieht das Unerwartetete: nach so unendlich viel Unentschiedenheit nehmen die Podiumsgäste schliesslich die Sache selber in die Hand - und retten sich damit auch ohne Moderation bis an das rettende Ufer des Endes der Veranstaltung.

[2nachträglich als Zitat nochmals autorisiert

[3Weitere Infos als die hier aus der Pressemitteilung konnten am 20. April 2011 auf der Seite http://www.deutsche-gamestage.de/speakers/2011 noch nicht eingesehen werden.

[4Es stellt sich heraus, dass der Autor wohl die einzige Figur ist - wieder einmal ein Vorreiter. Wenn auch in einer verkehrten Welt. Da wo sie herkäme, sagt Anita, würde der halbe Saal mit-twittern.


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