Koch! Köhler! Kanzlerin?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 01 Uhr 09 Minuten

 

Am Freitag letzter Woche hatte die Berliner Zeitung vom 28. Mai 2010 getitelt: "Köhler erklärt den Krieg.

Heute hat der Bundespräsident sich selbst den Krieg erklärt.

Erklaerung Dr. Koehler
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Mit Bezug auf diesen Reuters-Link - in dem im Gegensatz zu anderen Aufzeichnungen die Frau an der linken Seite des Bundespräsidentin nur im Anschnitt gezeigt wird, so wie die Flagge zu seiner Rechten - hier nochmals die Transkription des Gesprächs von Horst Köhler im Gespräch mit Christopher Ricke, das auf dem Rückflug von Afghanistan im Airbus "Theodor Heuss" in Anwesenheit seines Sprechers stattgefunden hatte, das erstmals am 22. Mai 2010 im Deutschlandfunk ausgestrahlt worden und später nochmals "an prominenter Stelle" (SD) wiederholt worden war.

"Sie leisten wirklich Großartiges unter schwierigsten Bedingungen"

[...] "Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Alles das soll diskutiert werden, und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg."

Sein Rücktritt wird von Stephan Detjen (SD) in einer ersten Sondersendung des Deutschlandradios als Zeichen der Überforderung an die Kommunikationskompetenz gewertet, die die Meinung von Dr. Köhler in der vergangenen Woche ausgelöst habe.

Diese Aussage ist ebenso bemerkenswert wie der Rücktritt des Bundespräsidenten, nebst Gattin, selbst.

Stephan hat schon Übung in der Bewertung solcher Ereignisse, nachdem er zuletzt, am 25. Mai 2010, die Ankündigung des Rücktritts des Ministerpräsidenten Roland Koch zu kommentieren hatte:

"Das trifft Angela Merkel"
Stefan Detjen zum Rückzug Kochs aus der Politik
Stefan Detjen im Gespräch mit Friedbert Meurer

"Das wird ein Erdbeben auslösen, das weit über Hessen hinausgeht. Das wird in Berlin zu spüren sein, das trifft Angela Merkel."

Am Nachmittag ab 15:10 wird Christopher Ricke nochmals zu diesem Interview befragt und er berichtet von den konkreten Umständen des Interviews, das lange zu vor avisiert und abgesprochen worden sei, das zunächst auch das Thema "China" zu Gegenstand hätte haben sollen, das unter akustisch widrigen Bedingungen erfolgt sei und ihn dazu veranlasst habe, mit seinem Mikro ziemlich ziemlich nah an seinen Gesprächspartner heranzukommen. [1]

Später berichtet Frau Adler, wie sie als Korrespondenten kurzfristig zu einer Presse-Erklärung einberufen worden seien, die erste ihrer Art überhaupt und ohne dass ein Thema genannt worden wäre.

Zu allem Unglück sei aus diesem Anlass auch schon die neue Pressesprecherin im Hause gesichtete worden, obwohl diese eigentlich erste ab dem 1. Juni 2010 hätte im Dienst sein dürfen.

Bei Werben und Verkaufen liesst sich das Ganze ab 14:33 Uhr dann so:

Köhler stürzt über PR-Debakel

Am Dienstag tritt Petra Diroll ihren neuen Job als Sprecherin des Bundespräsidenten an. Seit Montag 14 Uhr ist klar: Die erfahrene ARD-Redakteurin kommt zu spät.

Diroll folgt auf Martin Kothé, der das Bundespräsidialamt vor wenigen Wochen verlassen hatte - angeblich nach Meinungsverschiedenheiten mit Amtschef Hans-Jürgen Wolff. Die sprecherlose Zeit in Schloss Bellevue erwies sich für den Hausherren als fatal: Nach einem missglückten Interview mit dem Deutschlandfunk hat Bundespräsident Horst Köhler seinen Rücktritt erklärt. [...]

Köhler fühlte sich von seinen Kritikern missverstanden und beteuerte, es sei ihm niemals um die Rechtfertigung von Wirtschaftskriegen gegangen. Doch der mediale Schaden am Amt und am Nervenkostüm des Bundespräsidenten war nicht mehr zu kitten. Die Diskussion lasse "den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen", erklärte er in einer überraschend einberufenen Pressekonferenz in seinem Berliner Amtssitz.

Im abendlichen ARD/ZDF-Interview wird die Bundeskanzlerin nach diesem Rücktritt befragt. Und sie sagt:

"Der Mensch wächst an seinen Herausforderungen."

Will sagen: wir werden hier in Deutschland keine japanischen Verhältnisse einreissen lassen, in denen der vorzeitige Rücktritt schon zur Regel geworden zu sein scheint. [2]

Hier, jenseits der aktuellen Beichterstattung, entscheidenden Fragen, die sich in der nächsten Zeit stellen werden

 Werden Seiteneinsteiger auch weiterhin eine Chance haben, in der Politik mitwirken zu können, so wie es die Kanzlerin für richtig hält?

 Warum ist gerade ein Wirtschaftsfachmann in der Politik gescheitert, gerade jetzt, wo seine Meinung und ein Rat so wichtig gewesen wäre wie nie zuvor?

 Wird man es sich wirklich zutrauen, eine starke Persönlichkeit auszusuchen und nicht jemanden, der des Volkes Nähe dadurch erreicht, dass er oder sie als jemand empfunden wird, der ihnen immer noch näher ist als die Politiker, die dieses allzu gerne nur noch behaupten?

 Welcher Schaden ist damit nicht nur dem Amt, sondern auch den Institutionen insgesamt zugefügt worden?

 Wenn sowohl die Kanzlerin sagt, dass immer noch eine Menge Platz sei für Menschen, die uneigennützig Rat geben können, warum hat der Präsident sich auf solche Menschen nicht in diesen Stunden der Entscheidung beziehen können?

 Belastungen dieser Art, wie sie in den letzten Monaten zu bewältigen waren, kann man auch als Ehepaar allein nicht aushalten. Und geht dann - gemeinsam. Die Persönlichkeit und das Persönliche gehören zusammen - oder?

Anmerkungen

[1Ein ausführlicheres Interview gibt es dann noch am Folgetag in den Informationen am Morgen.
Nachzuhören unter diesem LINK.

Ricke: Es war ein langer, es war ein anstrengender Tag. Der Präsident hat auf mich einen konzentrierten Eindruck gemacht. Er hatte sich nach einem Gespräch in einer größeren Journalistenrunde auch noch mal kurz zurückgezogen, um sich dann mit mir in einem Konferenzraum in diesem Flugzeug, in der Theodor Heuss, zu treffen. Es ist eine besondere Situation in so einem Flugzeug-Interview. Es ist relativ laut, die Düsen heulen, man muss sehr nahe zusammensitzen, man muss laut und deutlich sprechen. Einen so engen, auch physischen Kontakt, so einen starken Blickkontakt hat man zu einem Politiker selten in einer normalen Situation. Und in dieser Gesprächssituation, als wir da gemeinsam in diesen Ledersesseln dieses Besprechungsraums der Theodor Heuss saßen, sprach der Präsident laut, deutlich und klar und wir hatten die ganze Zeit Blickkontakt. [...]

Ricke: Der Sprecher des Präsidenten war mit im Besprechungsraum, auch wenn ich bei Bundespräsidenten-Interviews das bislang nicht erlebt habe, dass ein Sprecher einschreitet. Das verträgt sich vielleicht auch mit der Rolle des Bundespräsidenten nicht. Aber der Sprecher war mit im Raum. Ich hatte kurz vorher mit ihm darüber gesprochen, dass wir selbstverständlich oder dass ich darum bitte, ein Afghanistan-Interview zu führen und nicht China. Das war auch allen klar, dass das ein Gespräch über den letzten Teil dieser Reise sein müsste. Der Sprecher war dabei und wir haben uns dann nachher noch verabschiedet. Ich habe ihm noch gesagt, dass ich das Interview im großen und ganzen so in den Redaktionen abgeben werde, wie wir es aufgenommen haben, dass ich einfach vorne und hinten noch ein paar Pausen entfernen werde, aber dass das Interview in der Form zur Sendung freigegeben wird aus meiner Sicht, wie wir es geführt haben.

[2Und keine 48 Stunden danach auch ihre Fortsetzung findet - und das, obwohl mit dem letzten Ministerpräsidenten Yukio Hatoyama kein Liberaldemokrat sondern ein Mitglied der Demokratischen Partei an der Spitze gestanden hatte. Wobei es auch hier um Militärfragen ging: denn sein Rücktritt als auch der des Generalsekretärs Ozawa sind auch die Konsequenz des Streits um den US-Truppenstützpunkt auf der Insel Okinawa.


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