Die Nachricht aus dem Berliner Ensemble hat mich erreicht.
"Die Beisetzung von Peter Palitzsch wird am Donnerstag, 30. Dezember, um 10 Uhr auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof sein."
Als ich kurz vor 10 Uhr den Friedhof betrete, ist das kleine Haus, in dem laut Portal alle Menschen ihre Zuflucht bei Gott suchen, schon bis zum letzten Platz gefüllt. Die Menschen stehen bis draussen vor der Tür und im Vorhof. Die, die drinnen sitzen, lauschen; die, die draussen sind, vertreten sich in der Kälte die Beine, rauchen und reden.
Ich setze mich auf die grüne Bank am Rande des Vorhofs und schaue von dort aus auf das nun arg renovierte Brecht-Haus. So viele Jahre, dass ich dort gearbeitet habe. Morgens brachte ich Kohle mit für den Ofen oder Papier für den einzigen Kopierer, ein Heiligtum, das die meiste Zeit nicht funktionierte...
Aus dem Inneren ertönt langer Geigenklang, dann spricht ein Mann, dann im Wechselspiel mit der Geige ein zweiter und dann, mit einem sehr langen Text, ein Dritter. Wir können davon draussen nichts hören und nichts sehen. Aber es scheint, dass bei dem dritten Text die Menschen drinnen durchaus Anlass haben, zu lachen.
Am Ende dieser Rede wird eine Gasse gebildet und der Sarg mit dem Toten wird an mir vorbei getragen. Er ist ohne jeglichen Schmuck, aber die Taube des Berliner Ensembles ist oben auf dem hellen Holz aufgetragen. Sechs Männer heben das Holz mit der sterblichen Hülle auf ihre Schultern. Und dann beginnt der letzte Weg zum Grab. Es ist, als schwebe der Tote über unseren Köpfen entlang der langen Birkenallee - uns allen voran.
Ich bleibe hinter dem Trauerzug auf einer kleinen Empore stehen und präge mir diesen Moment gut ein. „In ewigem Angedenken“. Ein Bild für die Götter.
Cymbal, Fagott und Trompete begleiten den Trauerzug. Die Grabrede des Freundes stellt alles in den Schatten, was andere hätten sagen oder schreiben können. Ein Abschied ins Dunkel oder ins Licht. Wer will es wissen?
Es ist kalt. Uns wird sehr kalt. Wir warten, bis jeder dem Toten die letzte Referenz erwiesen hat. Das kalte Wasser schmerzt auf der Haut. Taschentücher.
Am liebsten wollen wir alle wieder weg, ins Warme. Und doch sind wir alle noch da. Aber „er“ ist weg. Auf nimmerda.
Du lebtest wohl, Peter.
WS.