Google. Macht. Politik.

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 12. Februar 2022 um 12 Uhr 41 Minutenzum Post-Scriptum

 

Was Nachrichten sagen - und was sie bedeuten könn(t)en.

Die zu DDR-Zeiten geübte Praxis, auch zwischen den Zeilen lesen zu können, ja, lesen zu müssen, ist immer noch von Nutzen.

Hier das aktuelle Beispiel einer Nachricht, in der sogar im Text selbst steht, was eigentlich eine Ungeheuerlichkeit ist.

Zunächst als Zitat die komplette Nachricht dieses Tages:

Telegram / Behörden erstmals in Kontakt mit Messengerdienst-Betreibern

Bundesinnenministerin Faeser hat mit Vertretern der Konzernspitze des umstrittenen Messengerdienstes Telegram gesprochen.

04.02.2022

Sie teilte über Twitter mit, ein konstruktives Gespräch geführt zu haben. Dabei habe Telegram Bereitschaft zu intensiverem Austausch signalisiert. Faeser meinte, dies sei ein guter Schritt, auf dem man aufbauen könne. Das Gespräch ist dem Innenministerium zufolge über eine durch Google vermittelte E-Mail-Adresse verabredet und koordiniert worden.

Der Messengerdienst gilt als zentrale Plattform für sogenannte Querdenker und Verschwörungsideologien. Zudem wird Telegram vorgeworfen, Morddrohungen gegen Politiker zu verbreiten. Nach dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist die Plattform zwar verpflichtet, diese Inhalte zu löschen. Dies geschieht aber nicht.

Diese Nachricht wurde am 04.02.2022 im Programm Deutschlandfunk gesendet.

Und jetzt nochmals jene Zeile, in der - nach Ansicht der Redaktion - eine Ungeheuerlichkeit steckt:

Das Gespräch ist dem Innenministerium zufolge über eine durch Google vermittelte E-Mail-Adresse verabredet und koordiniert worden.

Capisci ?!

P.S.

"Kleine Anfrage" der Redaktion: Wer ist hier "Wir"?

Entgegen den eigenen Erwartungen, ja, Hoffnungen, waren die Reaktionen aus dem Kreis der Leserinnen und Leser eher verhalten. Nach dem Motto "Was hast Du denn, es ist doch gut, dass auch diesen Betreibern endlich auf die Finger geklopft wird..." - der grössere Zusammenhang dagegen wird kaum erkannt.
Dabei hat ein Konzern selten so viel Geld für die politische Einflussnahme in Bruxelles ausgegeben, wie der Alphabet-Konzern, um Einfluss zu nehmen auf die aktuelle Rechtsdebatte um das Digitale Dienste Gesetz, wie es Anfang des Jahre 2022 vom EU-Parlament in Strasbourg beschlossen wurde:

In Deutschland hatte der Konzern bereits im Sommer letzten Jahres in Köln gegen die Erweiterung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes in Deutschland geklagt, da nunmehr, so Google, die Privatsphäre der Nutzer nicht mehr sichergestellt werden könne.
Das ist eine Strategie von Peitsche und Zuckerbrot. Denn jetzt gehört man zu den "Guten", da es laut der hier zitierten Pressemeldung der Vermittlung eben dieses Konzerns bedurft habe, um überhaupt mit den Vorständen bei telegram in Kontakt kommen zu können.
Spätestens jetzt wird es Zeit, die Rede von der "vierten Gewalt" in einem Gemeinwesen neu zu überdenken. Und für den Fall, dass man der Presse immer noch diesen Status nicht absprechen möchte, von einer neuen "fünften" Gewalt zu reden. Und: Zu verstehen, wie sie inter-agiert!

WS.

PP.S.
Hier ein Screenshot aus den 12-Uhr-Nachrichten der ARD-tagesschau vom 12. Februar 2022: