Es ist Freitagabend, die Sachen sind gepackt um das Büro endlich verlassen zu können. Noch ein Abstecher in die Küche, um die Sachen für das Abendessen aus dem Kühlschrank zu holen. Dann wird alles eingepackt und jetzt sollen nur noch die Schuhe angezogen werden.
Und da passiert es: Ein Anstossen mit den Füssen an einer Türschwelle reicht, um das Gleichgewicht zu verlieren und mit dem Kopf mit voller Wucht an eine Türzarge zu stossen. Der Körper fällt danieder, die Hand greift an den Kopf... und spürt den vollen Strom einer warmen Flüssigkeit: Blut.
Dass es sich dabei um Blut handelt, wird eigentlich erst klar, als einem das Zeug über den Kopf hinab bis auf das weisse Hemd und dann weiter über den ganzen Körper läuft. Panik?
Eigentlich bleiben auch in diesem Moment die Reaktionen klar und konsequent: Mit der einen Hand versuchen, den Blutstrom zu stoppen, mit der anderen das Mobiltelefon zu erreichen und in Betrieb zu setzen, um die "112" anzurufen.
Kurz zuvor hörte man draussen an der Tür andere Menschen den Hausflur betreten. Dennoch die Entscheidung, nicht diese - wer auch immer das sein mag - um Hilfe zu bitten. Das Bild eines voll und ganz mit Blut überströmten Menschen könnte für sie traumatischen Folgen haben, nach dem es in diesem Hause schon Tote gegeben hat, die unfreiwillig gestorben waren. Daher trotz des Schocks die innere Einrede, dass die Leute von der Feuerwehr einen solchen Anblick schon aushalten werden.
Es war die richtige Entscheidung. Die Stimme an der 112-Notrufannahme war klar und präzise. Danach dauerte es vielleicht zehn Minuten, bis sich das Flackern vom Blaulicht an der Frontscheibe des Büros abzeichnete, die zur Strasse ausgerichtet ist.
Die Versorgung durch die zwei Frauen, die diese Wagen führen, ist eben so ansprechend wie professionell. Nach der ersten Wundversorgung im Notarztwagen nochmals zurück ins Büro, die wichtigsten Sachen und Dokumente einpackend, dann ab zur Notaufnahme ins nächste Krankenhaus.
Da das ganze Vorgehen trotz aller Beeinträchtigungen und Schmerzen bei vollem Bewusstsein verfolgt werden kann, ist es wirklich beeindruckend zu sehen und mitzuerleben, wie hier ausgeklügelte Technik und hohe Betreuungskompetenz Hand in Hand gehen.
Und das ist eigentlich auch der Grund, warum all das hier aufgeschrieben wird: Wann hast Du schon mal die Chance, zugleich als Betroffener eingeliefert zu werden und als Beobachter dieser Situation all dies mit verfolgen zu können?!
Im OP-Saal fragt der diensthabende Arzt nach dem eigenen Tun und sein Patient berichtet ihm u.a. von dieser Publikation, in der seit 2004 tagtäglich über je ein Sujet berichtet wird, das aus all den Vorfällen, Ereignissen und Meldungen eines Tages als besonders berichtenswert ausgewählt wird.
Daher auch die Entscheidung, heute nochmals rückblickend über dieses spätabendliche Ereignis vom Freitagabend zu berichten. Mehr noch, die Eindrücke von diesem Ereignis zum Anlass zu nehmen, um mit Lob und Anerkennung auf das Erlebte zurückzublicken.
Der Dialog mit allen Beteiligten auf der Station, von der Aufnahme über den Assi bis zum "Durchgangsarzt" war so lebhaft und zugleich zielführend, dass am Ende der Wundversorgung klar war, dass es nicht einmal mehr notwendig sein würde, den beschädigten Kopf im CT-Scan untersuchen zu lassen.
Stattdessen wird Dir mit der Entlassung ein mehrseitiger "Durchgangsarztbericht" überreicht, dazu ein Anschreiben des Zentralen Lob- und Beschwerdemanagements der DRK-Kliniken Berlin. Auf der Rückseite gibt es "Viel Platz für... Ihr Lob | Ihre Meinung | Ihre Beschwerde | Ihre Anregung". Und anstatt diesen Bogen weiter auszufüllen, wird stattdessen dieser hier veröffentlichte Text beigefügt.
Nochmals das Wichtigste in Kürze: Unaufgeregte aber offene und freundliche Aufnahme. In wenigen Minuten ist klar, dass Du es mit "Profis mit Herz" zu tun hast. Du bist froh und dankbar über diese Art der Ansprache, auch wenn die Umstände alles andere als angenehm sind. Positiv ist auch, dass Du nur die Karte Deiner Krankenkasse abzugeben, aber mit der weiteren Verwaltung und Schreibarbeit nichts zu tun hast. Und dass das Personal selbst dann die Nerven behält, als die gesamte EDV ausfällt.
Auch wenn dem eigenen Nachnamen ein Doktortitel vorangestellt ist, kann fachlich über das Prozedere nicht wirklich Auskunft gegeben werden. Wichtig und gut war aber, über jede der anstehenden Schritte vorab informiert worden zu sein, inklusive der klaren Warnungen, dass zur Betäubung der Kopfhaut eine Reihe von Spritzen gesetzt werden müssen. Erstaunlich, dass es dem Arzt offensichtlich gelang, die "Ca. 3 cm lange in der sagittalen Ebene verlaufenden Kopfplatzwunde oberhalb des Haaransatzes" zu nähen, ohne dass gleich ganze Haarbüschel ausrasiert werden mussten. Danke!
WS.