Brückenschlag – Kommunikation in unruhigen Zeiten

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 22. März 2019 um 17 Uhr 57 Minuten

 

Der hier schon sehr früh eingestellte Aufruf zur Teilnahme am Fachkongress: „Brückenschlag – Kommunikation in unruhigen Zeiten“ im ALEX Berlin Zentrum hat zusammen mit den vielen anderen unermüdlichen Aktivitäten das Seine getan, dass nunmehr am Vorabend dieser Veranstaltung die Tagung in allen Kategorien als "ausverkauft" angezeigt wird:

Wir wünschen allen Gästen - genauso wie den OrganisatorInnen - einen wahrlich erfolgreichen Verlauf dieses Tages, viel Streit-Kultur und daraus erwachsend produktiv gewordene Einsichten.

Für alle, die mit ihrer Anmeldung nicht angekommen [1] oder zu kurzfristig darauf aufmerksam gemacht worden sind, gibt es heute dennoch eine Chance der - zumindest virtuellen - Teilnahme: Per Fern-Sehen auf ALEX in der Zeit von 10 - 12 Uhr und ab 14.30 - 16:00 Uhr auf dem LIVE-Kanal.

Es sprechen am Vormittag dieses Tages:

 René le Riche, Moderator

 Prof. Dr. Frank Überall, DJV-Vorsitzender

 Robert von Heusinger, HSBC Deutschland

IMPULSVORTRAG: WIE GELINGT EIN SEITENWECHSEL?
10.15 Uhr – 11.05 Uhr

Immer mehr Journalistinnen und Journalisten verlassen die Redaktionen und gehen in die PR.

Raus aus der Krise, rein in die Abhängigkeit? Immer mehr Journalistinnen und Journalisten wechseln in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Welcher Reiz liegt in der PR, dass Journalisten die unabhängige Berichterstattung aufgeben, um fortan die Geschichte eines Unternehmens zu schreiben? Ihre Erfahrungen und Kontakte können Journalisten gewinnend für die Pressearbeit einbringen – doch reicht das aus? Vor welchen Herausforderungen stehen die Kolleginnen und Kollegen bei einem Wechsel? Wie verändern sich Arbeitsweise und Anforderungen an den Job? Und wie verändert der Wechsel das Verhältnis zur anderen Seite?

 Florian Martens, Sascha Pallenberg, Daimler

11.10 Uhr – 12.00 Uhr
DISKUSSION: MULTI-CHANNELING – PR-NERDS GEFRAGT?
Unternehmen setzen bei der Kommunikation verstärkt auf eigene Medien und Inhalte und sind damit erfolgreich – so auch die Daimler AG.

Auch wenn die hier eingestellten Mitschnitte nicht immer ganz vollständig sind, lässt sich folgendes schon am Ende des Vormittages festhalten:

 jede der Firmen, die sich hier mit ihren PR-Leuten auf die Bühne gestellt hat, wird von diesen Auftritten profitieren

 ihre "Repräsentanten" - und zugleich (ehemalige?) - Kollegen (Frauen wurden am Vormittag noch keine auf dem Podium gesichtet) sprechen offen und kompetent über ihre Arbeit, ihre Herausforderungen, aber auch über ihre Haltung, mit der sie selbst das C-Level ihres jeweiligen Hauses herausfordern

 die vielen Fragen aus dem gut gemischten Publikum - ca. die Hälfte JournalistInnen die Hälfte PR (und "Diverse" ;-) - zeigen, wie sehr die hier behandelten Themen auf den Nägeln brennen und beim Publikum ankommen

 auch wenn diese Veranstaltung in Berlin stattfindet, die Menschen kamen aus allen Ecken und Regionen dieser Republik zusammen (und bleiben vielleicht auch noch zum Wochenende?)

 die Tagung im und die Ausstrahlung durch ALEX ist eine echte win-win-Situation: hier begegnen sich Profis auf Augenhöhe.

PAUSE,
aber keine Sendepause, wie diese Tafel zunächst behauptet:

ENDE DER PAUSE

 Magdalena Rogl, Microsoft

 Dr. Anja Zimmer, Medienanstalt Berlin-Brandenburg

 Frank Bojack, ALPHA POOL GmbH

DISKUSSION: INFLUENCER MARKETING – FLUCH, SEGEN, DÄMON: WIE INFLUENCER MEINUNG MACHEN
14.30 Uhr – 15.15 Uhr

Unternehmenskommunikation, Marketing und Pressestellen haben gleichermaßen Influencer als Zielgruppe entdeckt.

Unternehmenskommunikation und Marketing haben gleichermaßen Influencer als Zielgruppe für sich entdeckt. Denn die Multiplikatoren auf YouTube, Instagram & Co. sind vertrauenswürdige Fürsprecher von Produkten von Unternehmen. Doch die Grenzen zwischen Empfehlung und Werbung sind schwimmend und ein Problem ist daher auch unzureichende oder gar fehlende Kennzeichnung von Werbung. Anders ist es bei Corporate Influencern – also Mitarbeitern, die ihrem Unternehmen ein Gesicht verleihen. Hier wird die Verbindung zum Produkt bewusst unterstrichen und die Kommunikation emotional. Für welche Zwecke eignet sich Influencer Marketing und wie kann es auch sinnvoll für die Unternehmenskommunikation genutzt werden? Worauf muss man bei der Auswahl der Influencer achten und wann ist vielleicht der Aufbau von Corporate Influencern sinnvoller? Wann wird ein Influencer-Kanal mit hoher Reichweite zum Sender mit entsprechender Beobachtung bzw. sogar Lizenz? Wo müssen presseähnliche Rahmenbedingungen eingehalten werden?

 Dirk Benninghoff, fischerAppelt

 Christiane Wolff, Crafty GmbH

 Katrin Voges, TEMPUS CORPORATE – ein Unternehmen des Zeitverlags

DISKUSSION: CONTENT MARKETING – WIE SICH PR-LEUTE IN UNTERNEHMEN NEU POSITIONIEREN MÜSSEN
15.20 Uhr – 16.00 Uhr

Unternehmen haben Content Marketing als Instrument entdeckt, um relevante Inhalte selbst im Netz zu streuen. Wie hat sich dadurch die Arbeit verändert?

Unternehmen haben Content Marketing als Instrument entdeckt, um relevante Inhalte im Netz zu streuen – sei es über eigene oder fremde Kanäle. Denn Content Marketing
bietet Kommunikatoren die Chance, die Story ihres Unternehmens zu erzählen und ihre Zielgruppe direkt anzusprechen. Für Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter, PR-Agenturen und Freie entstehen damit neue Arbeitsfelder, aber auch Fragen: Wie müssen und sollten Absender presserechtlich kenntlich gemacht werden? Wie können die bisherigen Kanäle sinnvoll miteinander verknüpft werden? Wieviel technisches Know-how (SEO, SEM etc.) muss in einer Content-Marketing-Strategie stecken? Und wie wahrscheinlich ist eine Gegenbewegung – zum Beispiel ein Bedeutungszuwachs von wenigen vertrauenswürdigen Leit- und Fachmedien?

Das endlich aufkommende strittige Gespräch am Ende dieser Runde machte klar, dass es diese zwei "klassischen" Positionen zwischen Journalismus und PR nach wie vor gibt:

Entweder Bestandteil jener Kraft zu sein, die sich - tendenziell eher auf der Seite der Schwächeren, so wurde es heute gesagt - um eine relevante Vertonung der Stimmen bemühen, die dann im Chor als die vierte Säule der Macht repräsentiert werden - oder aber auf die andere Seite zu wechseln, die der "dunklen Macht", die sich immer wieder erneut darum bemüht, dass ihr Licht nicht länger unter den Scheffel gestellt wird.

Aber dieses - hier "klassisch" genannte - Schwarz-Weiss-Bild wird von immer mehr Facetten durchzogen, durch vielerlei Grautöne aufgelöst, da aber - insbesondere von der jüngeren Leserschaft - auch in dieser neuen Vielfalt so angenommen werden.

Denn das hat sich verändert:

 Die Bedeutung wird wichtiger als der Beleg. Die Story wichtiger als die social responsability. Der impact wichtiger als die Information selber

 Die Journalisten interessieren sich immer mehr für das content marketing: nicht weil sie diesen Bereich noch attraktiver fänden als die Arbeit in und/oder mit einer "klassischen" Redaktion, sondern weil sie die Not dazu treibt

 Die Wertigkeit dessen, was beispielsweise ein "guter Text" ist, wird nicht mehr allein vom senior editor bestimmt, sondern zunehmend von Einflussgrössen wie den von SEO-Parametern

 Es wird nach wie vor jene dann "gut" genannten Texte geben, die sich dadurch auszeichnen, dass es mit ihrer Hilfe gelungen ist, Werbekunden anzulocken, zu binden, zu neuen Aufträgen zu veranlassen... und vice versa (sic!).

Es gab am Schluss dieses Publikumsgesprächs sogar eine Stimme, die zu Protokoll gab, sei sei deshalb vom Journalismus in das PR-Fach gewechselt, weil es ihr nicht mehr länger möglich war, den Druck der Werbekunden auf die Ausrichtung der von ihre in deren Sinne zu verfassenden Inhalte weiterhin auszuhalten...

Ohne das Thema an dieser Stelle zu weit ausweiten zu wollen, hat sich dieses doch deutlich abgezeichnet. Die potenziellen Konfliktlinien mögen noch die selben sein, wie jene in den "alten Zeiten", aber sie sind nicht mehr die gleichen.

Das "standing" der Journalisten - im Positiven als Ver-Fechter der Wahrheit, im Negativen als Beutelratte und Schleimscheisser - hatte immer noch eine gewisse Prominenz, da man immer und immer wieder von den Prominenten als Multiplikatoren ihrer Ansichten und Positionen in Anspruch genommen wurde.

Denn die Journalisten waren bis in die letzten Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts auch die Schoß-, Tor- oder Jagd-Hunde mit einer gatekeeper-Funktion, sie wurden auf der mentalen Flughöhe von Ärzten und Rechtsanwälten wahrgenommen, auch wenn ihre Berufsbezeichnung im Gegensatz zu den zuvor Genannten nicht im eigentlichen Sinne geschützt war.

Aber jetzt, jetzt gibt es noch so viele weitere neue "Berufe", neue Kohorten von Multiplikatoren, die - ebenfalls mit rechtlich nicht geschützten Funktionsprofilen - sich nicht nur neue Kommunikationskanäle erschlossen haben, sondern auf diesen auch die "klassischen" Kommunikationsfelder neu erobern. Weil sie schneller sind, agiler, poppiger, natürlicher, zielgerichteter, spezialisierter, ... ja, auch digitaler und - ein Widerspruch? - vertrauenswürdiger.

Gleichzeitig profitieren sie davon, das heute nicht nur Anzeigen gekauft und Marken-Kampagnen entwickelt werden, sondern dass sie sich selber als "Marke" einkaufen lassen.

Die "Edelfeder" eines Verlages und der Influencer als Selbstverleger sind als Prototypen dennoch die zwei Seiten einer Medaille - einer Medaille, solange sich sich noch wie heute zu dieser Konferenz unter dem ALEX-Dach zusammenfinden und miteinander reden. Denn, noch braucht der/die Eine den/die Ander(n).

Das Web wird die Verlage nicht töten, aber die Verlage werden ohne das Web tot sein. So ist es auch mit den Gutmenschkämpfern und den Agenten der dunklen Mächte - beides nur Karikaturen ihrer selbst und ihres Selbstverständnisses. Und doch sind sie auch die sich in Zukunft ergänzenden Antipoden zwischen Urhebern und Dienstleistern.

WS.