Der Streit ist nicht neu:
Progressive Juden dringen auf Anerkennung
http://www.netzeitung.de/deutschland/279770.html
Beck will Förderung für alle jüdischen Gruppen
http://www.netzeitung.de/deutschland/279321.html
Progressive Juden schalten Bundesrechnungshof ein
http://www.netzeitung.de/deutschland/277412.html
SPD-Politikerin: Zentralrat muss auch progressive Juden fördern
http://www.netzeitung.de/deutschland/277106.html
Progressive Juden wollen Bundesregierung verklagen
http://www.netzeitung.de/deutschland/276932.html
Julius Schoeps: «Zentralrat der Juden muss sich den Liberalen öffnen»
http://www.netzeitung.de/deutschland/281456.html
Aber jetzt, nachdem die ersten Mittel aus dem Topf der drei Millionen Euro Förderung geflossen sind, gibt’s "ganz klassisch" richtig was auf die Mütze.
Zitat aus der Netzeitung vom 13. Apr 07:57:
Gemeinde-Vize warnt vor Spaltung des deutschen Judentums.
Der Streit um die Verteilung staatlicher Mittel könnte nach Ansicht des Vize-Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlin, Schoeps, das deutsche Judentum spalten. In der Netzeitung forderte er, die liberalen Juden nicht auszugrenzen.
Der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Julius Schoeps, hat vor einer Spaltung des Judentums in Deutschland gewarnt. Mit Blick auf die Weigerung des Zentralrats, die liberalen Juden an der staatlichen Förderung zu beteiligen, sagte Schoeps der Netzeitung: «Ja, in der Tat, wenn nichts passiert, könnte es zu einer Spaltung kommen». Der Zentralrat müsse sich auch «kleineren Gruppierungen, wie den Liberalen» öffnen, forderte er. «Wenn man das Prinzip der Einheitsgemeinde künftig noch vertreten will, so darf man sich nicht abschotten», sagte Schoeps.
Hintergrund des Konflikts ist der Anfang 2003 unterzeichnete Staatsvertrag zwischen Bundesregierung und dem Zentralrat. Demnach sollten alle jüdischen Gruppen an der staatlichen Förderung in Höhe von drei Millionen Euro pro Jahr beteiligt werden. Doch bisher hat lediglich der Zentralrat der Juden das Geld erhalten - und nicht, wie es im Geiste der Vereinbarung gewesen wäre, andere Gruppen wie etwa die «Union progressiver Juden in Deutschland».
Spiegel: «Kein Grund zum Klagen»
Schoeps, der auch Direktor des Moses-Mendelsohn- ["Mendelssohn-" WS.] Instituts an der Universität Potsdam ist, sprach von einem «klassischen Missverständnis», das zwischen dem Zentralrat und den 13 liberalen Gemeinden in Deutschland «aufgebrochen» sei. Dabei trat er Äußerungen des Präsidenten des Zentralrats, Paul Spiegel, in der «Jüdischen Allgemeinen» entgegen.
Spiegel schrieb in einem Artikel mit der Überschrift «Kein Grund zum Klagen»: Der Zentralrat stehe «in seinem Verantwortungsbereich für ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller pluralistischen Richtungen im Judentum». Der «Union» warf Spiegel vor, liberale Juden zu vertreten, orthodoxe und konservative aber auszuschließen. Schoeps sagte dagegen der Netzeitung: «Das stimmt einfach nicht. Ein Orthodoxer käme niemals auf die Idee, Mitglied einer liberalen Gemeinde werden zu wollen». Liberale hätten aber mit der Aufnahme sowohl Orthodoxer als auch Konservativer «kein Problem». Die Liberalen, so Schoeps, «erklären sich offen für alle Strömungen im Judentum».
Schoeps: «Großes Mißverständnis»
Paul Spiegel sieht indes weitere Gegensätze. Laut seinem Artikel für die Wochenzeitung «Jüdische Allgemeine» gibt es auch Unterschiede zwischen der «Union» und dem Zentralrat in der Ausbildung von Rabbinern. Die Ausbildung an der «Hochschule für jüdische Studien», deren Träger der Zentralrat ist, stehe im Gegensatz zu der am liberalen «Abraham Geiger Kolleg» in Potsdam, «allen Richtungen offen».
Schoeps bewertete Spiegels Äußerungen dagegen als «großes Mißverständnis». Der Netzeitung sagte er: «Wenn Paul Spiegel sich einmal die Mühe machen würde, die Universität Potsdam zu besuchen, dann würde er feststellen können, dass dort mehr als 400 Studenten aus aller Welt ’Jüdische Studien’ studieren und dass die Studenten, die sich für eine Ausbildung zum Rabbiner entschieden haben, sich nicht sehr unterscheiden von den Studenten, die an der ’Hochschule für Jüdische Studien’ in Heidelberg studieren».
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Schoeps räumte indes ein, dass die liberalen Juden in Deutschland in der «Einheitsgemeinde nur sehr bedingt einen Platz» hätten, «weil sich die Einheitsgemeinde zunehmend mehr als eine traditionelle Gemeinde versteht». Dies bedeute, dass die Liberalen zunehmend am Rand stünden. Die gegenwärtigen Proteste müssten dennoch «ernst genommen» werden. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Liberalen derzeit versuchten, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen. Käme es dazu, dann hätte «nicht nur der Zentralrat sondern auch die Politik ein Problem». Dann sei nicht mehr der Zentralrat der alleinige Ansprechpartner, so Schoeps. «Das ist eine Entwicklung, die ich für problematisch halte.»
Schoeps unterstützt stattdessen den Vorschlag des Grünen-Politikers Volker Beck. Der hatte in der Netzeitung dafür geworben, die liberalen Juden ganz unbürokratisch an den staatlichen Mitteln zu beteiligen, indem der Zentralrat liberale Gemeinden auch ohne Körperschaftsstatus aufnimmt. «Das kann man ohne weiteres machen», sagte Schoeps. Das sei «überhaupt kein Problem».
Pflege des deutsch-jüdischen Erbes
Der Konflikt, so Schoeps weiter, könne «ohne weiteres behoben werden, wenn man sich dazu durchringen würde, sich an einen Tisch zu setzen und miteinander zu reden.» Er appellierte an den Zentralrat, in dem Streit einzulenken und seine «ideologisch-religiösen Positionen» aufzugeben. Man dürfe sich nicht abschotten, «wenn man das Prinzip der Einheitsgemeinde künftig noch vertreten will».
Nach Schoeps’ Darstellung hat der Zentralrat den Staatsvertrag, den er mit der Bundesregierung abgeschlossen hat, «falsch verstanden». In dem Vertrag sei unter anderem von der Pflege des deutsch-jüdischen Erbes die Rede. Die Liberalen, betonte er, stünden «stärker in der Tradition des deutsch-jüdischen Erbes als der Zentralrat». Die staatlichen Mittel, die der Vertrag vorsieht, sollten demnach «allen Gruppierungen zustehen».
Ende des Monats, am 21. und am 27. April, wird der Konflikt auch Thema von Gesprächen zwischen Vertretern der Bundesregierung und des Zentralrats sein. «Ich habe die Hoffnung, dass alle vernünftig genug sind, eine einvernehmliche Lösung zu finden», sagte Schoeps.
Für das Web ediert von Dietmar Neuerer
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URL dieses Artikels: http://www.netzeitung.de/deutschland/281549.html
Siehe dazu, als "Backgrounder" folgenden Artikel Von Joachim H. Knollaus aus dem AUFBAU vom 3. April 3, 2003:
Ein Mann von 60 Jahren.
Julius H. Schoeps legt seine Erinnerungen vor
Julius H. Schoeps: „Mein Weg als deutscher Jude"
Pendo Verlag Zürich 2003, 318 Seiten.
Der Potsdamer Historiker Julius H. Schoeps legt in diesen Tagen seine Autobiographie vor, für deren Titel er Jakob Wassermanns Erinnerungsschrift „Mein Weg als Deutscher und Jude" abwandelt. Schoeps erläutert seine Überschrift „Mein Weg als deutscher Jude" im Text: „Ich bin ein Bürger der Bundesrepublik Deutschland, der eine jüdische Identität besitzt, aber stark vom protestantischen Milieu geprägt, deutsch fühlt und denkt". Und er fügt mit einigem Bedenken hinzu: „Ich weiß, dass das merkwürdig klingt, doch ist es exakt die Beschreibung von der ich meine, dass sie auf mich zutrifft". Diese Selbstdefinition findet sich am Ende der Autobiographie. Dort angekommen, wird der Leser sie bestätigen können: Das Buch zeigt Schoeps als Akademiker und Publizisten, dessen Lebensleistung sich zwischen Universität und Wissenschaftspolitik im Dienste der deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte ereignet hat.
Im Text dämpft Schoeps neugierige Erwartungen: „Was ich mitzuteilen habe, mag partiell von Interesse sein, ist aber zweifellos nicht so weltbewegend wie die Gedanken und Erinnerungen eines Politikers beziehungsweise so aufregend wie die intimen Kenntnisse eines Schauspielers oder Schlagersängers". Bescheiden kennzeichnet er seine Absicht: „Mir geht es darum, Spuren der eigenen Lebensgeschichte freizulegen". Und das tut er denn auch mit einem ethischen und politischen Rigorismus, mit einer Unbedingtheit und Aufrichtigkeit, die dort, wo sie das Private streift, gar ausbreitet, irritiert und eigentlich nicht öffentlich werden muss.
Manchem Leser mag sich auch die Frage aufdrängen, ob ein jetzt 60jähriger bereits seine Autobiographie schreiben solle. Aber dieser Vorbehalt ist hier nicht angebracht - in diesem Alter, das gemeinhin die Beendigung einer Berufstätigkeit vor Augen hat, kann Rückerinnerung noch relativ sicher gelingen. Schoeps neigt nicht zu den redseligen Beschönigungen, wie wir sie oft aus den Autobiographien der 80jährigen kennen. Er kommentiert seine Lebensstationen mit einer zeitgeschichtlichen Maßgeblichkeit und distanzierender Überschau.
Julius H. Schoeps wurde 1942 in Djursholm/Schweden geboren, studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Theaterwissenschaft in Erlangen und Berlin bis zur Promotion 1969. Nach seiner Habilitation 1973 lehrte er von 1974 bis 1992 als Professor für Politische Wissenschaft an der Universität / GH Duisburg und hatte Gastprofessuren inne in Budapest, Tel Aviv, Seattle, Oxford und New York. Seit 1992 ist er Professor für Neuere Geschichte (Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte) und Direktor des Moses Mendelssohn-Zentrums an der Universität Potsdam. Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft für Geistesgeschichte, Herausgeber der renommierten „Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte" und war von 1993 bis 1997 Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Wien. Schwerpunkte seiner Arbeit sind neben der deutsch-jüdischen Geschichte der Neuzeit, die Religions-, Geistes- und die Ideengeschichte.
Bemerkenswert an dieser Vita sind die Grenzüberschreitungen, die bei näherer Betrachtung der einzelnen Stationen hervortreten. In fachliche Schubladen lässt sich die Karriere von Schoeps kaum einordnen, sein Leben ist nicht gradlinig und schnörkellos verlaufen. Schon die Schulzeit liest sich wie eine Odyssee durch das öffentliche und private Schulwesen zwischen Erlangen, Nürnberg und Berchtesgaden.
Schoeps entfaltet mit einer klaren, anschaulichen Sprache das Porträt der Nachkriegsgeneration, für die eine berufliche Perspektive nicht von vornherein festgelegt war, sondern die Kraft und den Mut hatte, eigene Wege zu erkunden und sich letztlich für das ihr Gemäße und individuell Richtige zu entscheiden. Stationen solcher Selbstklärung waren das Erlebnis der Jugendbewegung, die hier mit Ungebundenheit gleichgesetzt wird; die Zeit mit und um die Erlanger Studiobühne, hier der Schauspielerei und der Regie zuneigend und dies, wenn der Rapport stimmt, auch mit einigem überregionalen Erfolg; schließlich die Hinwendung zu einem Leben, das sich zunächst zwischen ernsthaftem Studium und nächtlichen Ausflügen in die Boheme-Kultur Berlins abspielt. Da scheinen dann Plätze auf, Personen und Ereignisse, die für die Zeit der späten 60er und 70er Jahre stehen, die heute verwehte Vergangenheit ist oder allenfalls in Schickeria-Reminiszensen weiterlebt.
Mit seiner Berufung an die Universität Duisburg, nach einem Ausflug in die Gütersloher Provinz und einer Lektorentätigkeit voll skurriler Absonderlichkeit, findet Schoeps schließlich den Mittelpunkt seiner akademischen Arbeit und seines lebensbestimmenden Interesses: die deutsch-jüdische Beziehungsgeschichte. Seine Schilderung der Gründung des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts und der Konzeption eines Studienganges für jüdische Studien ist überschattet von der sehr verhaltenen Reformfreude deutscher Universitäten der 70er Jahre. Schoeps berichtet auch ausführlich von den Zunftstreitigkeiten an den Hochschulen und deren notdürftig kaschierten reaktionären Traditionen: Unerwiderte Liebe hat sich schon immer besser erzählen lassen als die erfüllte.
Der Name des Duisburger Salomon Ludwig Steinheim-Instituts geht auf den jüdischen „Polyhistor" aus Altona zurück, mit dem sich schon der Hans-Joachim Schoeps, Vater des Autors und zugleich ein bedeutender Religionswissenschaftler, intensiv beschäftigt hatte. Das Institut will in Übereinstimmung mit Steinheims Aufklärungsverständnis deutsch-jüdische Geschichte im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert dokumentieren, beschreiben und zu einer „Normalität" im Studienangebot machen. Von hier aus sind Publikationen, Forschungsprojekte sonder Zahl angeregt, Freundschaften zu gleichgesinnten und gleichgestimmten Personen aus Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus gestiftet worden.
Am Steinheim-Institut entfaltete Schoeps eine reiche Forschungstätigkeit: Editionen der Tagebücher und Briefe von Theodor Herzl; die Zuwanderung der Juden aus Osteuropa; der Zionismus in der deutschen Geschichte und in Israel; Biographisches zur jüdischen Personengeschichte: Zeitgeschichte und Gegenwart des Judentums in Deutschland. Dass dafür auch stets engagierte Mitarbeiter, Weggefährten und Freunde helfend zur Verfügung standen, gehört neben dem kommunikativen Geschick von Schoeps wohl zu den Glücksfällen seines Lebens. Solche Glücksfälle sind ihm und seinem ungestümen Aufbau- und Reformtempo stets zur Seite gewesen.
Der Abschied von Duisburg, auch vom ungeliebten Niederrhein, der hier noch im milden Licht erscheint, war überschattet von persönlichen Intrigen, von aggressiven und hitzigen Auseinandersetzungen, an deren Heftigkeit Schoeps keineswegs schuldlos war, weil er die bayerischgefärbte Mahnung der Giese nie beherzigen wollte: „I geb nix G’schriftliches". Briefeschreiben, Proteste schriftlich artikulieren, oft der momentanen Laune oder dem verletzten Stilempfinden nachgebend, gehört zu seinem Temperament, das ihm auch als Museumsdirektor in Wien gelegentlich öffentliches Ungemach eingetragen hat.
In Potsdam hat er einer neu gegründeten, mit der Universität verbundenen Einrichtung den Namen Moses Mendelssohn-Institut gegeben, wohl auch eingedenk eigener Familiengeschichte, das hernach unter dem Signet „MMZ" international bekannt geworden ist. Hier hat die europäisch-jüdische und die deutsch-jüdische Beziehungsgeschichte einen wissenschaftsinstitutionellen Ort gefunden, der in der Breite des Interesses und in der Qualität der Detailforschung nirgends eine Entsprechung findet. Auch die in Duisburg bereits vorgedachten Jüdischen Studien haben an der Universität Potsdam ihren Platz erhalten, der Studenten aus dem gesamten Bundesgebiet anzieht. Die erhebliche Zahl von Doktoranden macht die Attraktivität des Instituts anschaulich.
An dieser Stelle konnten wir nur von Ausschnitten des Buches berichten. Vieles musste unberücksichtigt bleiben: Schoeps Aktivitäten in der jüdischen Gemeinde in Berlin zum Beispiel. Oder seine Bemühungen um einen festen Ort für die brandenburgisch-preußische Geschichte. Auch seine Einsprüche gegendie Erinnerungskultur, wie sie offiziell in Szene gesetzt wird, und seine Gedanken über Architektur und Erinnerung im Zusammenhang mit dem Jüdischen Museum in Berlin, konnten nicht dargelegt werden.
In Schoeps Autobiographie lernt der Leser ein gelebtes Leben mit all seinen Widersprüchen kennen, das am Ende der Lektüre in der Tat als das eines „deutschen Juden" erscheint.
URL dieses Artikels: http://www.aufbauonline.com/2003/issue07/13.html
Zu guter Letzt noch als Zitat die Überschrift aus einem anderen Artikel von Ines Stickler aus der gleichen Ausgabe, der Appetit macht auf mehr:
Käse-Blatt will Brie-Boykott.
Die New Yorker Boulevard-Presse hetzt gegen Frankreich.
http://www.aufbauonline.com/2003/is...
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