Nachfolgend gibt es zwei Verweise auf "Die internationale Pesseschau" des Deutschlandfunks vom 23. Juni 2016 und vom 25. Juni 2016. Dazwischen eine eigene Auswahl vom 24. Juni 2016. Und als "Aufmacher" dieser Tweet vom:
12. Juni 2016
#EUref countdown DAY 12: It's our very personal #hugabrit day. Hooray for awkward physical contact! @pleasedontgouk pic.twitter.com/rDYhHptwHr
— Britainisnotanisland (@GBisNOisland) 12. Juni 2016
23. Juni 2016
Die tschechische Zeitung MLADA FRONTA DNES schreibt: "Die Geschichte der europäischen Integration zeigt, dass sich ein Staatenverband nicht erweitern und sein Zusammenhalt vertiefen lässt und zugleich seine Aktionsfähigkeit gewährleistet bleibt. Die EU ist nicht in der Lage, strategische Aufgaben zu lösen, etwa in der Energiepolitik, und sie versagt in Situationen wie der Migrationskrise. Dass die Mitgliedsstaaten nicht weitere Kompetenzen an Brüssel abgeben wollen, ist ein Zeichen dafür, dass die Vision des europäischen Commonwealth auf dramatisch falschen Annahmen gründet. Die europäische Integration ist eine überkommene geopolitische Konzeption. Der Brexit ist die einzige Chance, sie kontrolliert zu reformieren", ist sich MLADA FRONTA DNES aus Prag sicher.
DE TELEGRAAF aus Amsterdam fragt mit Blick auf die Forderung nach einem EU-Austritt: "Woher kommt dieser Widerstand? In der Brexit-Kampagne war die Zuwanderung ein dominantes Thema. Hunderttausende von Osteuropäern sind nach Großbritannien gezogen - eine Folge der raschen EU-Erweiterung. Nicht jeder ist froh über den Zustrom von ’EU-Migranten’. Brüssel hat zu lange im alten Trott weitergemacht, bei dem sich die Bürger nicht wirklich vertreten fühlen. Ein Brexit oder zumindest die ganze Unsicherheit, die von dieser Möglichkeit ausgeht, ist der hohe Preis, der dafür gezahlt wird", folgert der niederländische TELEGRAAF.
Für die Pariser Zeitung LA CROIX steht fest: "Wie auch immer das Ergebnis des britischen Referendums aussehen wird - die Europäische Union wird dringend an ihrer eigenen Reform arbeiten müssen. Ihre institutionelle Komplexität ist heute eine Quelle der Schwäche. Dennoch können einige Probleme nur auf EU-Ebene behandelt werden. In unserer offenen und instabilen Welt, die von den amerikanischen und chinesischen Giganten dominiert wird, kann kein europäisches Land allein zurechtkommen. Heute wird die Frage den Briten gestellt. Sie gilt aber für alle Europäer", meint LA CROIX aus Frankreich.
"Die Wähler Großbritanniens werden eine historische Entscheidung über den künftigen Weg ihres Landes treffen", ist in der Zeitung POLITIKA aus Belgrad zu lesen: "Es geht darum, ob das Land den Austritt aus der EU künftig als Unabhängigkeitstag feiern, oder ob alles beim alten bleiben wird. Die Europäische Union hat – neben vielen Vorteilen – sicherlich auch Nachteile, aber nicht in dem Maße, wie das die Brexit-Befürworter in ihrer Kampagne dargestellt haben. Die Wahlkampagne wurde teilweise so schmutzig geführt, dass man als außenstehender Beobachter völlig vergessen hat, dass all das in einer der führenden europäischen Demokratien geschieht", resümiert die serbische Zeitung POLITIKA.
DER STANDARD aus Wien notiert: "Die meisten Beobachter erwarten, dass die sonst so coolen Briten wie meist in ihrer Geschichte doch mit dem Kopf und nicht mit dem Bauch entscheiden. Aber dass ein Referendum, das eigentlich nur dazu gedacht war, parteiinterne Rebellen ruhigzustellen, eine Nation so nahe an einen Abgrund führen kann, zeigt, wie groß das Unbehagen über Globalisierung und gesellschaftliche Diversität geworden ist und wie stark die Kräfte, die ihr Heil in der Abschottung suchen – nicht nur in Großbritannien", stellt die österreichische Zeitung DER STANDARD fest.
Die FINANCIAL TIMES aus London schreibt: "Die optimistischen Hinweise aus der Referendumskampagne sollten nicht übersehen werden. Einer der schönsten kam von der jüngeren Generation, die mehrheitlich für Europa ist. Im digitalen Zeitalter erkennen die Jungen, dass ihre Zukunft in Vernetzung und Teilnahme liegt und nicht in Separation und Isolation. Während ältere britische Wähler scheinbar auf eine imperiale Vergangenheit zurückblicken, schaut die Jugend nach vorn auf eine globale Zukunft. Es ist letztlich ihre Zukunft, die auf dem Spiel steht", zeigt sich die FINANCIAL TIMES überzeugt.
Mit den möglichen Konsequenzen eines Brexits setzt sich XINJINGBAO aus Peking auseinander: "Man fragt sich, warum manche Briten sich keine Gedanken über die Folgen eines Austritts machen. Das britische Pfund wird sofort an Wert verlieren. Dies wird die ganze Weltwirtschaft, allen voran die EU-Staaten, in Mitleidenschaft ziehen. Die großen internationalen Unternehmen könnten ihre Investitionen im Vereinigten Königreich reduzieren, weil sich die Rahmenbedingungen verschlechtern. Und um einem Dominoeffekt vorzubeugen, wird Brüssel London wohl keine Sonderrechte mehr einräumen, sondern eher mit Strafmaßnahmen reagieren", erwartet die chinesische Zeitung XINJINGBAO.
Als Folge eines Austritts könnte London seinen Status als eine der führenden Finanzmetropolen der Welt verlieren, erläutert die Zeitung NEZAWISSIMAJA GAZETA aus Moskau und fährt fort: "Im Falle des Brexits werden die Finanzmärkte in den nächsten Wochen eine erhöhte Volatilität erleben. Ein anderer Risikofaktor ist, dass sich erst noch zeigen muss, wie gravierend der Bruch zwischen Großbritannien und der EU tatsächlich sein wird. Erwartet wird, dass etwa der Handel und die finanzielle Integration beibehalten und die Änderungen lediglich die Migrationsfragen betreffen werden. Somit dürfte eine negative Reaktion der Finanzmärkte nach und nach zurückgehen. Das britische Pfund und der Euro dürften aber an Wert verlieren, und auch die Rohrstoffmärkte sowie die Ölpreise könnten einen gewissen Druck verspüren", analysiert die NEZAWISSIMAJA GAZETA aus Russland.
Nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die politischen Konsequenzen seien nicht zu unterschätzen, hebt EL ESPECTADOR aus Bogotá hervor: "Noch nie hat ein Mitglied die Union verlassen, und wenn die Anziehungskraft Europas nachlässt, könnte dies separatistische Bewegungen auch in anderen Ländern stärken. Bundeskanzlerin Merkel hat erklärt, ein Verbleib Großbritanniens sei die wünschenswerteste Alternative, und auch US-Präsident Obama hat sich gegen einen britischen Austritt aus der EU ausgesprochen. Aber auch vor dem Hintergrund einer wachsenden Terrorgefahr steht die Frage im Raum, wie es uns besser gehen wird: mit einer Schließung der Grenzen und wachsender Isolierung oder mit Zusammenarbeit und Solidarität? Und da gibt es genug Argumente für die zweite Variante", findet die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR.
Der Mailänder CORRIERE DELLA SERA glaubt, dass der Mord an der Labour-Abgeordneten Cox zu einem Stimmungsumschwung geführt hat: "Es war dieses Drama, zusätzlich zu der Angst vor den wirtschaftlichen Folgen, das die Richtung des Windes, der stark in die Segel der Austrittsbefürworter blies, noch einmal geändert hat. Der heutige Tag könnte eine Niederlage für alle werden, aber er könnte auch die Chance auf eine Wiederbelebung des europäischen Ideals sein. Das einzige undenkbare Szenario ist es, so weiterzumachen, als wäre nichts geschehen", ist im CORRIERE DELLA SERA aus Italien zu lesen.
24. Juni 2016
Ein politisch garstig Lied?
Morgens um 2
war das UK noch EuropaMorgen um 9
waren England & Wales out"Welcome back:
Ireland & Scotland"— lupusdigit (@carpecarmen) 24. Juni 2016
According to YouGov, 75% of young people voted to remain in the EU. These are some of their voices. #BrexitVotehttps://t.co/yVkD2nO5Pk
— The Guardian (@guardian) 24. Juni 2016
In Les Echos.fr veröffentlicht morgens um 07:00 Uhr Nicolas Barré, Directeur de la rédaction: Vertige du Brexit
Le référendum britannique, chacun l’a compris à présent en Europe, ne porte pas seulement sur le maintien ou non du Royaume-Uni dans l’Union européenne. C’est aussi, et peut-être davantage encore, un vote sur la nation britannique : ce qui unit est-il toujours plus fort que ce qui sépare ? Voilà pourquoi ce scrutin n’interroge pas seulement sur le projet européen. Il renvoie aussi, profondément, chaque nation européenne à ses propres doutes : passerions-nous tous sans réserve le test de Renan, qui, selon la formule, définissait l’existence d’une nation par « un plébiscite de tous les jours » ? Vertigineuse question. Des failles, un peu partout, apparaissent, sévères en Espagne ou en Belgique, plus sournoises en Pologne, aux Pays-Bas ou même chez nous... Qu’une moitié des électeurs britanniques soient prêts à prendre le risque de dissoudre leur nation par rejet du projet européen en dit long sur le cheminement des esprits depuis l’adhésion à l’UE, qui leur a pourtant tellement profité. Sait-on que, depuis 1973, leur richesse par habitant a progressé plus rapidement qu’en France, en Allemagne et en Italie ?
« Leave » ou « remain » ? Emotion ou raison ? Quelle que soit la réponse du peuple britannique, une question nous est posée en retour : savons-nous quelle Europe nous voulons ? La réponse est négative. Il n’existe aucun consensus sur le degré de partage de souveraineté souhaité par chacun des peuples européens. Le sentiment le plus répandu à l’égard de la construction européenne est le scepticisme. L’Europe des origines avait pour fondement d’assurer la paix sur le continent. C’était la préoccupation bien compréhensible de l’époque et les pères fondateurs ont été à la hauteur de cette mission historique. L’Europe de leurs enfant ou petits-enfants, celle des leaders actuels, est bien en peine, en revanche, de répondre aux trois préoccupations majeures des citoyens européens : maîtrise des frontières extérieures, sécurité intérieure et lutte contre le terrorisme, éradication du chômage de masse.
Si le Brexit l’emporte, si la passion triomphe, la réponse de l’Europe devra consister à démontrer concrètement pourquoi il est plus efficace de traiter ces enjeux au niveau européen plutôt qu’au niveau national. Pourquoi, face aux Etats-Unis et à la Chine, il est nécessaire de faire front pour défendre nos intérêts stratégiques, qu’il s’agisse de l’accès au premier marché de consommateurs du monde, de nos données numériques, du financement de notre économie ou des industries de souveraineté... Il faudra éviter les discours béats sur le « saut fédéral » auxquels personne ne croit et convaincre les citoyens européens, par des résultats tangibles, que l’Europe est plus que jamais une idée stratégiquement pertinente.
Caspar Tobias Schlenk macht an diesem Tag in der "GRÜNDERSZENE" mit der Frage auf: Wird Berlin nach dem Brexit zur Fintech-Metropole? und zitiert darin den paymendandbanking-versierten Namens"vetter" Jochen Siegert [1] mit dessem Early-Bird-Tweet:
now race of #frankfurt vs #Luxembourg vs #Berlin to take over #London as EU #Fintech Hub after #brexit
— Jochen Siegert (@jochensiegert) 24. Juni 2016
Und das sagen zwei Professoren am Standort Frankfurt a.M.:
25. Juni 2016
Auf den Seiten der Presseschau aus deutschen Zeitung wird im Deutschlandfunk am Morgen dieses Tages ab 07:05 Uhr u.a folgendes verlesen:
Nach dem Votum für einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU schreibt die TAZ aus Berlin: "Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die EU ist kaputt. Höchste Zeit, Europa neu zu denken. Und wie reagieren EU-Vertreter darauf? Mit Durchhalteparolen, trockenen Binnenmarktargumenten und dem Verweis darauf, dass der Brexit primär ’nur’ ein britisches Problem sei. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Die Börsen europaweit rutschen ab, der Euro ist auf Tiefflug, die Menschen sind stark verunsichert. Beim Brexit sitzen alle in einem Boot", heißt es in der TAZ AM WOCHENENDE.
"Die Zeiten der hellen Europabegeisterung sind selbst in Deutschland vorbei", gibt die F.A.Z. zu bedenken. "Die EU wird als uneinig, schwerfällig, intransparent, ineffizient und inkonsequent erlebt. In vielen Fällen sind daran die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten schuld und ihr Unwille, sich an Vereinbartes zu halten. Die nationalen Regierungen deuteten schon immer gerne auf den Prügelknaben ’Brüssel’, wenn sie innenpolitisch unter Druck standen. So verfuhr auch der britische Premier Cameron bis hin zur Ausrufung des Referendums, das ihn nun das Amt kostete", kritisiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Unter der Überschrift "Ein Kontinent wankt" kommentiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Die Briten setzen mit ihrem Austrittsbeschluss ein Fanal, das in aller Welt Eindruck hinterlassen wird. Die Entscheidung wird starke Kräfte in der EU entfesseln, die den Briten nacheifern wollen und in der Union der 28 mehr Bürde als Vorteil sehen. Der weitere Zerfall der EU ist also ein gar nicht so unrealistisches Szenario. Der Zerfall des Vereinigten Königreichs auch nicht. Wenn der restlichen Union an ihrem eigenen Erhalt gelegen sein sollte, muss sie das britische Votum nutzen, um ihre Politik so grundlegend zu überprüfen, wie sie das seit Gründung der EU nicht getan hat", fordert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG findet: "Ein ’Weiter so!’ kann es für die Politik der Europäischen Union nicht geben. Deutschland ist nun verdammt, die Führungsrolle zu übernehmen, die es nie wollte und die nur neue Gegner auf den Plan rufen wird. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande muss Bundeskanzlerin Angela Merkel eine akzeptable Balance finden zwischen nationalen Interessen und europäischer Politik. Von ihrer beider Erfolg hängt nun die Zukunft des Bündnisses ab", betont die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus dem brandenburgischen Frankfurt.
Für die Zeitung DIE WELT sind das keine guten Aussichten: "Der Abschied der Briten wird die Gewichte in der EU weiter verschieben. Das marode Frankreich, mit dem wir jetzt alleingelassen sind, wird an Gewicht zunehmen. Wie auch – um einen sarkastischen britischen Begriff zu verwenden – die Stimmen der Länder des ’olive belt’, des Olivengürtels, lauter und selbstbewusster erklingen werden. Es besteht die dringende Gefahr, dass die Europäische Union staatszentrierter und auf schlechte Weise südlicher wird. Die Ordnungspolitik hat eine Niederlage erlitten. Und Deutschland hat, ohne es vielleicht zu wissen, einen wichtigen Partner verloren", überlegt DIE WELT.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU blickt näher auf die Motivation der Wähler, für den Ausstieg zu stimmen - und sieht Parallelen zu anderen Staaten: "Was in Großbritannien passiert ist, findet eine Entsprechung in den meisten Industrieländern; die USA unterscheiden sich wenig von Frankreich, Italien, Deutschland. Überall haben politische Strömungen an Boden gewonnen, die den Opfern des unregulierten Marktes eine Heimat bieten. Sie setzen auf Abschottung und Ausgrenzung. Die Briten bekämpfen ihre Ängste mit der verzweifelten Hoffnung, Großbritannien könne zurückkehren in eine Zeit, als es Weltmacht war. Andernorts soll eine Mauer zu Mexiko oder, wieder woanders, ein einheitliches deutsches Staatsvolk die Menschen vor dieser Welt retten. Politik und Gesellschaft der westlichen Industrienationen büßen gerade dafür, dass sie anderthalb Jahrzehnte den Lügengeschichten über den Segen eines unregulierten Kapitalismus geglaubt haben", meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Für die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG stellen sich folgende Fragen: "Warum gelingt es Populisten denn, immer mehr Menschen davon zu überzeugen, dass es besser ist, sich lieber nur noch um sich selbst zu kümmern? Und warum gelingt es den Verantwortlichen in der Europäischen Union nicht, dagegen zu halten? Die Vision eines Vereinigten Europas scheint zwischen Griechenland-Rettung, Flüchtlingsstreit und unzähligen Verordnungen auf der Strecke geblieben zu sein", vermutet die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Der London-Korrespondent der BÖRSEN-ZEITUNG hält die Entscheidung der britischen Bevölkerung für mutig und richtig: "Das Abstimmungsergebnis ist knapp, aber deutlich genug: Yes, we can. Es ist kein Votum für nationale Kleingeistigkeit. Es ermöglicht die Öffnung zur Welt jenseits der Zollmauern der Festung Europa. Es ist eine Ohrfeige für die herablassende und anmaßende Führung der Kampagne ’Britain Stronger in Europe’, die zuletzt versuchte, rund die Hälfte der Bevölkerung in die rechte Ecke zu stellen. Kulturell haben die Menschen in Großbritannien keine Probleme mit den Einwanderern aus Bulgarien, Polen oder Rumänien. Aber auf dem nahezu völlig deregulierten Arbeitsmarkt werden die EU-Migranten gegen gering qualifizierte Briten ausgespielt. Statt sich damit auseinanderzusetzen, verbreiteten die Befürworter des Verbleibs lieber apokalyptische Szenarien zu den wirtschaftlichen Folgen eines Austritts", kritisiert die BÖRSEN-ZEITUNG, die in Frankfurt am Main erscheint.
Und die HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG resümiert: "Bei den Briten ist viel zusammengekommen, was den neuen Sonderweg eröffnet hat. Die übrigen Regierungen täten gut daran, jetzt zu Hause nachzuspüren, wie die oft schweigende Mehrheit eigentlich tickt. Sie braucht Europa, profitiert vom einzigartigen Zusammenleben der Nationen unter dem Dach der EU. Aber sie spürt es oft nicht mehr. Wer ändert das?" So weit die HANNOVERSCHE ALLGEMEINE und so viel zu diesem Thema.
Auf den Seiten der internationalen Presseschaudes Deutschlandfunks vom 12:50 ist u.a. zu lesen:
Zum Austrittsgesuch des Vereinigten Königreichs schreibt der britische TELEGRAPH: "Der 23. Juni wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die Briten sich entschieden haben, wieder die Kontrolle über ihr eigenes Land zu übernehmen. Nun sind natürlich viele besorgt über ihre Zukunft, insbesondere nachdem die Märkte mit Einbrüchen reagiert haben - dabei gibt es allen Grund, optimistisch zu sein. Großbritannien ist schon immer ein Global Player gewesen. Nachdem es sich von den institutionellen Fußfesseln der EU befreit hat, kann und wird es eine neue Blütezeit erleben", ist THE TELEGRAPH aus London überzeugt.
Der ebenfalls britische HERALD SCOTLAND sieht das völlig anders: "Wie konnte es zu diesem desaströsen Votum kommen? Für diejenigen, die in einem Land leben wollen, das sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um seine Nachbarn schert, für die Millionen von Briten, die für den Verbleib innerhalb der EU gestimmt haben, ist der gestrige Tag zu einem Tag der Verzweiflung geworden. Das Ergebnis illustriert die tiefen Gräben, die durch Großbritannien gehen: zwischen Stadt und Land, zwischen den einzelnen Landesteilen, zwischen Alt und Jung. Vor allem ältere Briten haben für den Austritt aus der EU gestimmt. Damit haben sie einen Akt der nationalen Selbstverstümmelung begangen, der nicht nur der britischen Wirtschaft schaden wird. Sie haben auch den jüngeren Generationen das verwehrt, was sie selbst ihr Leben lang genießen durften: all die Vorteile, die ein starkes und jahrzehntelang gewachsenes Europa ihnen bescherte", klagt der HERALD SCOTLAND aus Glasgow.
"Wie kann es sein, dass ausgerechnet Churchills Heimatland die europäische Idee so spektakulär verwirft?", fragt der TAGES-ANZEIGER aus der Schweiz. "Dies, obwohl die EU dafür gesorgt hat, dass wir in Westeuropa seit 70 Jahren in Frieden leben. Die Antwort auf diese Frage sollten wir nicht in England, sondern in Brüssel suchen. Der Brexit war ein Plebiszit gegen die Personenfreizügigkeit. Viele Schweizer denken genau gleich. Nicht aber der Apparat in Brüssel. Dort reagiert man, wenn es die Bevölkerung wagt, einem Beschluss der EU zu widersprechen, nicht mit Reflexion, sondern mit Druck und Angstmacherei", glaubt der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Für die kroatische Zeitung VECERNJI LIST aus Zagreb gibt es einen klaren Schuldigen: "Der britische Premierminister David Cameron versucht gerade, sich als Opfer zu inszenieren. Dabei ist er der Hauptverantwortliche in diesem Drama. Er hat in den Verhandlungen mit Brüssel zu sehr auf Risiko gespielt, um die EU zu weiteren Zugeständnissen zu zwingen. Er war derjenige, der völlig unnötig mit einem Brexit gedroht hat, nur um dann nicht mehr in der Lage zu sein, die Geister, die er rief, zu bändigen. Cameron hat hoch gepokert und hoch verloren."
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo bemerkt: "Wenn sich Schottland und Nordirland dem Brexit widersetzen, könnte Cameron als der Premier in die Geschichte eingehen, der sowohl das Referendum als auch das halbe Königreich verloren hat."
"Der Brexit ist den erfolglosen Manövern von David Cameron geschuldet", pflichtet die griechische Zeitung KATHIMERINI aus Athen bei. "Schuld sind aber auch der Provinzialismus, die Angst, von Flüchtlingen überschwemmt zu werden, die Unsicherheit der Älteren, die Stärke des Nationalpopulismus, die Haltung der Medien und die wachsenden Zweifel an der Kompetenz der politischen Elite."
EL PAIS aus Madrid hebt hervor: "Der Austrittswunsch Großbritanniens zeigt, dass es für den Nationalismus keinen besseren Nährboden gibt als die Angst und den Groll. Die EU ist zu einer Zielscheibe für all jene geworden, die ihre Frustrationen und Ängste abladen wollen. Viele Briten haben für den Brexit gestimmt in dem Glauben, dass ihr Land dadurch die Macht eines Imperiums zurückerlangen würde. Sie werden sehr rasch einsehen, dass das Land stattdessen schwächer geworden ist. Denn es gibt Landesteile wie Schottland, Nordirland oder auch Gibraltar, die sich mit der neuen Lage nicht anfreunden können und werden", hält die spanische Zeitung EL PAIS fest.
"Diese Scheidung kann nichts Gutes mit sich bringen", befürchtet die polnische RZECZPOSPOLITA. "Sie wird die EU sicher nicht gesunden lassen, sondern könnte zu ihrem tatsächlichen Ende führen. Die Behauptung, der Austritt der Briten würde eine tiefere Reflexion über die Funktionsweise der EU auslösen, ist eine Verklärung der Realität. Wenn man sich die Weltgeschichte anschaut, kann man lange nach einem Beispiel suchen, bei dem der Austritt eines großen Landes aus einem Bündnis zu einem Happy End geführt hätte", bemerkt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die belgische Zeitung DE TIJD aus Brüssel warnt, es handle sich nicht nur um ein britisches Problem: "Auch anderswo in Europa ist das Misstrauen gegenüber der EU groß. Die Unfähigkeit der Union, auf die Migration und die Eurokrise gemeinsame Antworten zu finden, hat sicherlich mit dazu beigetragen. Jetzt muss endlich eine echte Debatte geführt werden, statt nur zu polarisieren; es gilt, die erhitzten Gemüter zu beruhigen, neu über die EU nachzudenken und auf diese Weise wieder eine breite Unterstützung der Bevölkerung zu erlangen."
Das NRC HANDELSBLAD aus Amsterdam findet, die EU habe lobenswert auf das Ergebnis des britischen Referendums reagiert: "Die Europäische Union hat sich als entschlossen, aber nicht auf Rache sinnend gezeigt. Daran ist zu erkennen, dass die Idee der EU gefruchtet hat: Die europäischen Länder pflegen nach mehr als einem halben Jahrhundert Zusammenarbeit einen sehr viel besseren Umgang miteinander. Jetzt wünscht sich die EU völlig zu Recht, dass die Briten zügig das formelle Scheidungsgesuch einreichen. Die Union kann diese Herausforderung nur meistern, wenn schnell Klarheit über die neuen Verhältnisse geschaffen wird", unterstreicht das NRC HANDELSBLAD aus den Niederlanden.
In der Sendung BREITBAND im Deutschlandradio Kultur hat Marcus Richter nochmals auf die Presse im Vereinigten Königreich geschaut, hier wie folgt anmoderiert von Christiane Watti und Christian Conradi:
In den BBC NEWS hat Alex Morrison die Newspaper headlines zusammengestellt unter der URL:
http://www.bbc.com/news/blogs-the-papers-36627672 [2].
Und Natalia Zuo hat ein Video produziert, in der einige der Schlagzeilen der Internationalen Presse zusammengestelllt wurden, so wie diese hier:
Was den BBC-Internet-Seiten-Blick weiter schweifen lässt auf einen Beitrag von Peter Bowes vom 22. Juni 2016 über den "Sommer-Film des Jahres 2016": Independence Day: Resurgence:
"Resurgence imagines an alternate reality, in which The War of ’96 caused history to diverge dramatically from our own. That unity of humanity against a shared threat has lasted and resulted in technological advances far surpassing those of our world. Humanity suspects the aliens may return – and this time, they’re ready" - und die alten Britten, die sich jetzt noch freuen gewonnen zu haben, um auf diesem Wege anknüpfen zu können an ihre Tradition eines Empire?!
In der Neuauflage dieses Films haben sich die Staaten der Welt nach 1996 zu einer neuen Art der Gemeinschaft zusammengefunden. In der immer noch die englische Sprache dominiert: Ein Commonwealth of Nations 2.0 ?!
— Sandra Fiene Privat (@EUfiene) 23. Juni 2016