Ein Essay über die Fotos von Gudrun Alexandra Hölzer. [1]
I
Vor der Frage, wie nähert man sich den Fotos in einer Ausstellung steht die Frage, wie nähert man sich der Ausstellung selber.
Diese findet nämlich in dem Interieur einen Hauses statt, das sich durch einen riesigen aber dennoch freundlichen Lichthof auszeichnet. Und durch eine Reihe von Umgängen, von denen aus Türe in hotelähnliche Wohnungen führen.
An den Wänden des prominentesten dieser Umgänge auf der zweiten Etage sind eine Reihe von Vorrichtungen eingelassen, mit Rundrohren, an denen die Fäden für die Passepartouts eingehängt werden können und mit kleinen Leuchtkörpern, die jedes dieser Bilder für sich in einen Lichtschein tauchen.
Die Fotos sind immer in kleinen Gruppen von zwei bis vier Bildern zwischen diesen Türen gehängt. Und man geht beim Betrachten der Bilder dieser Ausstellung ein Wegstrecke, indem man einmal den ganzen riesigen Innenraum auf dieser Empore umgeht, aber man schaut nicht in den Lichthof, sondern auf die Bilder, die an den Wänden zum Dialog einladen.
II
Wie kann man über Fotos reden, ohne sie zu zeigen? Indem man zeigt, wie sie mit einem reden.
Und das tun sie, auch wenn sie jeden der Betrachter anders ansprechen werden. Denn sie sind fast nie eindeutig. Sie zeigen zumeist nicht einfach nur „sich selbst“ wie auf die Vögel auf einer Überlandleitung oder auf eine Flusslandschaft im Morgennebel, sondern sie zumeist eine Landschaft – selten auch ein Stück einer Stadtlandschaft – die sich selbst immer doppeldeutig interpretiert. In dem sie nur da ist: Stämme, die aus dem Wasser ragen, Schilf, durch den sich der Mond spiegelt, Farnkräuter, die sich vor dem hellen Sonnenlicht wie Scherenschnitte abzeichnen.
Alle diese Fotos habe immer auch das Licht zum Thema – was wundert’s – aber in einer eben so abstrakten wie ansprechenden Form, so wie sie den Bildern selbst zu eigen ist: hintergründig, aber dennoch im Verlauf des Ganges von einem Bild zum nächsten immer dominierender.
Am Schluss des Rundganges ist man sicher, wirklich „Alles“ gesehen zu haben und fragt sich doch, was man eigentlich wirklich gesehen hat.
III
Das macht den besonderen Reiz dieser Ausstellung aus. Sie besteht – weitestgehend – aus Landschaftsbildern. Oder anders, vielleicht auch besser gesagt, aus Bildern, die beim Betrachten der Landschaft gemacht wurden. In dem sich die Fotografin – was wundert’s – dieser Landschaft angenommen hat. Ja, sie hat durch die besondere Aus-Wahl und das Arrangement ihrer Motive etwas geschafft, wofür es eigentlich keinen wirklichen Begriff gibt. Zumal, wenn man wie gesagt, über eine Fotoausstellung schreibt, zu der hier keine Bilder zu sehen sind.
Um es sprachlich auf den Punkt zu bringen: mit dem, was die Fotografin hier gemacht hat, ist von einer Darstellungsweise zu sprechen, die dem auch wenn bislang so kaum definierten Genre von Landschaftsportraits nahe kommt.
IV
Die Arbeiten von Gudrun Alexandra Hölzer zeigen ihre Begegnungen mit Landschaftserfahrungen, die jenen der Portraitfotografie sehr nahe kommen: Vom „Schnappschuss“ bis zur aufwändigen Portraitsitzung. In fast jeder ihrer Bilder ist die Meta-Sprache einer Begegnung zu entdecken, so wie sie zwischen der Fotograf und Modell stattgefunden hätte.
Ja, es ist, als wenn beim jedem Streifzug durch die Natur, sei es hier vor Ort oder in fernen Ländern, alles und jedes um sie herum ihr Modell stehen möchte. Was dann, im dem Augenblick der Aufnahme, zu etwas Einzigartigem wird.
Wenn dieses Stück Natur dann nicht nur ein einem Rahmen eingefangen wurde, spüren wir, wie offensichtlich auch ein Stück der „Natur“ der Fotografin hier in diesem diesen Dialog mit sich selbst in dieser Landschaft mit in dem Bild Eingang gefunden hat.
Das führt dazu, dass diese Landschaftsaufnahmen alles Mögliche für jeden der einzelnen BetrachterInnen sein mögen, nur eines nicht: langweilig.
V
Diese Bilder lassen einen nicht in Ruhe. Und das gerade dadurch, dass jeder der aufgezeichneten Momente einen ganz besonderen Ruhepunkt fixiert – in dem dann ein Dialog stattfindet, eine Korrespondenz zwischen der Fotografin und jenem Stück der von ihr für dieses Portrait auserkorene Stück Natur – und damit immer wieder auch mit sich selbst.
Also ist diese Versammlung von Fotos auch – was wundert’s – eine stille Assamblage von Selbst-Portraits.
Die eigene Person wird ja gerne und oft in diesen Landschafts-ein- aus- und durch-blicken relativiert, in der jeweiligen Beziehung zur Natur verkleinernd in Relation gesetzt. Hier geschieht nun genau das Gegenteil: Hier wird keine grosse, aber eine sehr gute Fotografie gezeigt, weil einem die Grossartigkeit der menschlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten von Natur exemplarisch vorgeführt wird.
Und dabei wird der Mensch nicht „klein“ erlebt, sondern in den vielfältigen Ausschnitten aus und Einblicken in die Natur gelingt es, das grosse Wunder der individuellen Wahrnehmung in die Form vieler kleiner Passepartourahmen zu transformieren und so fragmentalisieren, dass sie im positiven Sinne wieder ganz und gar „komensurabel“ werden.
Natur als Erlebnis, als Entertainment, mit der Freunde an der gesamten Schöpfung, an sich selbst als der Schöpferin dieser Bildererlebnisse und als Betrachter einer Synergie von naturgebundenen Wahrheiten und sich selber.
X
Und das alles in dem Wandelgang eines Altenheimes, dem man alles an Eigenschaften andichten würde, ausser der, ein Heim für Alte zu sein.
Um dort leben zu können bedarf es eines grossen Batzens an Geld, der grösser sein muss als die Zeit, die man dort noch hofft verbringen zu können.
Wer mit der Kamera in die Natur geht, weiss, dass er oder sie dort nur als Gast für den Moment zu Hause ist, sie aber als Abbild mit „nach hause“ nehmen und dort in einem solchen Hause auch wieder zur Schau stellen kann.
Doch die Technik der Fragmentalisierung, der Abstraktion, des Blickes auf das Detail und durch dieses hindurch auf das Ganze vermag es, so eine städtische hochwohlgepflegte Wohnlandschaft mit den Anblicken der Natur immer wider neu in erstaunliche Beziehungen zu setzen.
Vielleicht mag dies die Einwohner dazu anzuregen, selber mal eine Ausflug "ins Grüne" zu machen, mit oder ohne Kamera, mit oder ohne Verwandte und Freunde. Selbst wenn man ganz für sich alleine einen solchen Ausflug unternimmt wird man dabei entdecken können, dass einem die Natur die eigene Seele entgegen zuhalten vermag.
Als Spiegel, in dem Grosses und Individuelles verschmelzen und - in Glücksfällen wie diesen - sogar abgebildet werden können.
WS.