O.
Dieses Wochenende geht die Reise nach Norwegen. In Oslo findet ein internationales Filmfestival statt, das Norway Tamil Film Festival, NTFF.
Der Autor - seit vielen Jahren (Zaun:-)Gast dieser Kultur - ist in diesem Jahr zu den Abschlussveranstaltungen in Oslo und Berlin eingeladen. [1]
Deshalb ist es nicht angebracht, in der klassischen Art und Weise eines Reporters über diese Veranstaltungen zu berichten. Stattdessen einige persönliche Eindrücke, die vielleicht auch für eine öffentliche Wahrnehmung geeignet sein mögen.
1.
Am Mittag gab es das erste Screening eines Erstlingsfilms, der in gerade mal einem Jahr in der Heimat, in Singapur und in Malaysia gedreht worden war: Vennira Iravuggal - A Romantic Touch von R.Perakas.
Und nach dem Ende standen der Autor und Produzent um den Gast herum und fragten nach seiner Meinung.
Es ist klar: in einem solchen Moment darf man die Antwort nicht verweigern. Zumal gegenüber solch mutigen Leuten, die es so weit geschafft haben, erstmals einen vollen Featurefilm über die ganze Strecke bis auf die Leinwand zu bringen. Hier ist es allemal Wert, mit der eigenen Meinung nicht hinter dem Berg zu halten und zu sagen, was Sache ist.
Es geht um eine "Beziehungsgeschichte", die weder ihre Vollendung noch ihren Abbruch findet. Und es geht um den Versuch, diese Gesichte einer "Weissen Nacht" in der Form eines Roadmovies - samt Rückblenden - zu erzählen: Wie der junge Mann versucht, sich nach und nach aus den - zunächst finanziellen - Verbindlichkeiten gegenüber einer jungen Frau zu ziehen. Diese hat ihn als den in Malaysia lebenden Schuldner aufgesucht und gestellt. Nicht nur zur Rede gestellt, was dieser Mann wunderbar kann, sondern ihn auch genötigt zu handeln. Im Verlauf von 24 Stunden versucht er, sich das Geld von anderen zusammenzubetteln - genauso wie er es einst aus ihrer Tasche gezogen hat.
Es ist klar, dass es bei einer solchen Präsentation viele Grenzen gibt: im Verständnis der Sprache, die gesprochen wird, ebenso wie der Kulturen, die gelebt und durch den Film erlebbar gemacht werden. Und doch gelingt es dieser Arbeit, etwas zum Klingen zu bringen, was jenseits dieser spezifischen Prägungen von Bedeutung ist.
Es auch um die Frage, ob eine Liebe gelebt werden kann, wenn das Verhalten der Menschen dazu angelegt ist, "alles" zu tun, was diese Empfindungen immer wieder auf die Probe stellt.
Und es geht auch darum, ob und wie es Menschen aus ganz unterschiedlichen sozialen Hintergründen schaffen, diese ihnen selbst oft zunächst nicht bewussten und doch ständig erlebten Grenzen zu erkennen, zu bewältigen und vielleicht auch zu überwinden.
Ein Erstlingsfilm, dem es gelingt, diese Spannungssituation in voller Länge immer wieder neu anzufüttern und mit seinen erzählerischen Mitteln durchzuhalten, das ist schon was. Und dabei ganz bewusst auf das Happy End zu verzichten, das ist gleich noch eine Schippe des Lobes obendrauf. Das auch dann, obwohl vieles an technischen Leistungen - von der Kamera bis zum Schnitt - sicherlich die eine oder andere Korrektur noch gut hätte vertragen können.
Bemerkenswert bleibt auf jeden Fall, dass der ganze Film mit Life-Sound gedreht wurde und unter Verwendung desselben dem Zuschauer auch so vorgestellt werden wird. Das funktioniert sehr gut, und gibt der gelegentlich leicht gestellt wirkenden Geschichte dann doch wieder jene Authentizität, derer es bedarf, um die das als Film Erlebte glaubhaft erscheinen zu lassen.
2.
Selbst auf der Abschlussveranstaltung gab es dann keine weiteren Filme mehr zu sehen, auch nicht in Ausschnitten oder als Einspieler. [2] Wie gut, dass ein Grossteil des Programms nicht nur aus der Verleihung der Preise und Andenktafeln bestand, sondern aus einem sehr engagierten und qualitativ hochwertigen Musik- und Tanzprogramm [3] Das konnte auch so verstanden werden, ohne Übersetzung.
Im Mittelpunkt standen vielmehr die Helden (hinter und auf) der Leinwand. Das Ganze war ein Marathon, das über Stunden dauerte. Und am Ende wurden die SängerInnen und sogar die Musiker einzeln ausgezeichnet - und das zu Recht. Jeder, der an diesem Abend teilgenommen hatte, hatte sicherlich auch für diese Extraminuten und Gesten die Zeit und die Hände frei für den Applaus.
3.
Als pars pro toto hier ein Bild, das im Verlauf dieser Zeremonie entstanden ist und einen DER Filmstars im Dialog mit der Moderatorin zeigt. In einem Sketch spielt er die Rolle eines Anrufers, der versucht, seinen verehrten Filmstar am Telefon zu erreichen. Und damit schliesslich Erfolg hat - aber dafür sorgt, dass der Star schliesslich genervt auflegt.
4.
Besonders schwer ist es, über die eigene Rolle in dem Ensemble all dieser Auf- und Abtritte zu berichten. "Dr. Wolf Siegert" - hier im Spiegelbild mit der Berliner Mäzenin des Events - wurde gleich mehrfach auf die Bühne gebeten, um als Pate einige der grossen Preise - u.a. für die beste Regie - zu verleihen.
Dann aber geschah etwas ganz und gar Unerwartetes. Allein auf der Bühne, wurden in Tamil offensichtlich eine Reihe von Vorzügen der eigenen Person vorgetragen, die das Publikum mehrfach zu Applaus veranlasste - selber nicht wissend, was über einen gesagt wird. [4]
Es ist wichtig, in dieser Situation sich einerseits den vorgeschriebenen Ritualen anzuschliessen, wie das öffentliche und ebenfalls von Beifall begleitete erfolgreiche Entzünden einer Kerze zu Beginn der Veranstaltung, sich aber andererseits nicht in Gesten und Haltungen zu flüchten, die nicht die eigenen sind.
Am Ende der lobpreisenden Worte zur eigenen Person kommt die Bitte der Moderatorin, selber einige Worte an das Publikum zu richten. Alle treten hinter Dich zurück oder von der Bühne ab - und Du stehst ganz alleine vor dem Publikum.
Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Du stehst nicht alleine. Du bist Teil des Publikums und versuchst zunächst, all die Menschen vor Dir aus dem Dunkel auf die Bühne zu ziehen.
Diese als stumme Geste vorgetragene Haltung hatte zur Folge, dass dieser erste Moment ausschliesslich dazu verwandt wurde, dieses Bemühen als Haltung dem Publikum gegenüber zu offenbaren. Es teil-haben zu lassen an der eigenen Bereitschaft, etwas mit-teilen zu wollen.
All das geschieht schweigend. Und es kommt zu dem erstaunlichen Ereignis, dass aus dem Saal ein grosser Beifall aufbrandet, noch bevor der erste Satz gesagt wurde.
5.
Alles das ges(ch)ehen in Oslo:
— im grossen Konzerthaus der Stadt
— abseits des offiziellen Kulturbetriebes
— aber im Beisein eines Vertreters aus der Politik. [5]
Sightseeing? Keine Zeit, nicht mal für eine einzige Postkarte.
Stadt-dessen hier zumindest einige Bilder, die auf dem kurzen Weg vom Auto zum Veranstaltungsort gemacht werden konnten:
PS.
Am Samstag, den 30. April 2013 gab es offensichtlich eine ausführliche Berichterstattung im Rahmen der "Top Ten News" auf dem Zee-TV-Tamil-Channel. [6]