Arbeits-Bericht, begonnen am Ort einer jener "Workstations", so wie die Arbeitsplätze im Pressezentrum im (D)Englischen genannt werden:
Erstaunlich, wer sich da so alles auf der Buchmesse tummelt...
... so wie in Köln die Anbieter von Klebstoffen auf der Photokina [1] absolut unerwartete Anbieter waren (die dazu an ihren Ständen auch noch verkaufen durften - oder es zumindest taten) finden sich auch in Frankfurt Firmen wieder, die hier im ersten Moment nicht erwartet worden wären: Im letzten Jahr auf der grossen offenen Fläche war es die Firma Audi mit ihrem futuristischen temporären Bauwerk, in diesem Jahr in der Halle 3.1 eine grössere von Publikum besetzte Freifläche, an deren Rückwand die Firma Miele eine grosse Küche aufgebaut und in Gebrauch gestellt hat, um dort live cooking - Programme zu fahren.
... oder die Firma rotring, die mit einem Karrikaturen-Mittmach- Wettbewerb das Publikum und damit potenzielle neue Nutzer und Käufer anzusprechen versucht - und das mit Erfolg [2] [3] [4]
... und dann gibt es da die gesamte Fangemeinde rund um den Prägestock aus dem Gutenberg-Museum, die das Ding in einer Vor-Ort-Life-Show wieder und wieder zum Leben erwecken - und damit sogar Publikum binden - können. Auch wenn das, was in Leipzig auf ein geradezu riesiges Interesse stösst und regelmässig zu Menschentrauben führt, hier in Frankfurt von den Branchenvertretern eher distanziert wahrgenommen wird. [5]
Aber wird das reichen, die Messe mit Automobilherstellern, Schreibgerätefirmen, historischen Exkursen und Partnern aus dem Umfeld der sogenannten "Weissen Ware" aufzumotzen? Kann das IFA-"Erfolgs"-Rezept - die Einbindung der "Weissen Ware" - auch im Falle der Buchmesse in Frankfurt den Erfolg dieser Traditionsveranstaltung für die Zukunft sichern?
Wenn die Hugendubels dieser Welt ihre Verkaufstempel abgerüstet haben werden, wann wird sich die Messe für die neuen Entwicklungen aufgerüstet und zugleich ihr klassisches Portfolio zwecks Renovierung eingerüstet haben? Denn man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass nach dem weiterhin fortschreitenden Rückgang der Ausstellerzahlen [6] auch die der anwesenden Fachbesucher weiter zurückgehen wird.
Immer mehr der wirklich spannenden Ansätze rund um das Thema des Publizierens haben schon seit langem begonnen, ins Netz abzuwandern - um dort vom Veranstalter zumindest aufgefangen und wieder in die Messelandschaft zurückprojiziert zu werden.
— So im Blogger-Portal "www.buchmesse.de/blog/geld_und_leidenschaft" [7] in dem sich auch spannende Hinweise auf andere Ereignisse jenseits des eigenen Messegeschehens finden: so auf die ONA 12, die Online News Association Conference & Awards Banquet, die dieses Mal in der Zeit vom 20.-22. September im Hyatt Regency in San Francisco ausgerichtet wurde.
— So in der hintersten Ecke der Halle 4.2 in der SPARKS-Corner" in der all jene Angebote vorgestellt werden, mit denen schon jetzt die Zukunft des Buches positiv ausgestaltet werden kann: "www.buchmesse.de/de/im_Fokus/SPARKS/index.html".
Damit spiegelt der Veranstalter auch das Bemühen der Dienstleister wieder, dass der Zugang der klassischen Verlage und Vermarkter zu den neuen internetaffinen Nutzern nicht abbricht. Sie bieten in ihren Suchsystemen nun auch Schnittstellen zu den "Sozialen Netzwerken" an. Online am Desktop und als App. Ein grosses Vorhaben, in das schon jetzt viel Mühe gesteckt wurde.
Doch ein erster Versuch zeigt, dass dieses Ziel noch lange nicht erreicht ist.
Als pars pro toto geht es um die Buchvorstellung des Titels: "Internet: Segen oder Fluch!" von Kathrin Passig und Sascha Lobo.
Die Aufgabe war, herauszufinden, wo und wer in diesen Netzwerken auf diesen neuen Titel schon reagiert hat.
Hier nun das erste generierte Ergebnis: Vier Hinweise auf vier Zeitungsartikel. Und die Beiträge/Reaktionen aus den sozialen Netzen? Fehlanzeige:
Nicht einmal der sogenannte "Beipackzettel" aus Saschas eigenem Blog wurde gefunden:
Also: Weitermachen - Bessermachen! [8]
Auf dem frühdonnerstagabendlichen Sektempfang einer ebenso kleinen wie bedeutenden Verlegerfamilie, sagt der Mann, der von sich sagt, dieses Mal die 47. Buchmesse besucht zu haben, dass diese Veranstaltung sehr schwierigen Zeiten entgegensähe:
Die Grossen würden immer grösser, könnten aber allein bei weitem nicht die Umsatzerwartungen des Veranstalters befriedigen. Die Kleinen würden immer mehr an Bedeutung gewinnen, aber - auch in der Masse als long-tail-heroes - nicht genügend Umsatz einspielen können. Und der klassische Mittelstand werde mehr und mehr "aus den Latschen kippen" und an Bedeutung - auch ökonomisch gesehen - verlieren.
Was tun?
Der in der WELT vom 10. Oktober 2012 übernommene dapd-Artikel über Das Buch der Zukunft verweist auf einige der neuen Möglichkeiten wie Slicebooks oder Total BooX oder Nook-Tablets.
Eingeleitet wird dieser Text von der These des Buchmessen-Chefs Boos, dass es derzeit der einen "Urknall im Publishing Universum" gäbe.
Was in der Tagesspiegel-Kolumne vom 11.10.2012 00:00 Uhr sogleich unter der Überschrift Dem Urknall lauschen wie folgt kommentiert wird:
" Der stets schön jungenhaft wirkende 51-jährige Boos ist dabei derjenige, der die Zukunft tatkräftig-optimistisch angeht. Er spricht von den „vollkommen neuen Zusammenhängen, Produktideen und Geschäftsmodellen“, von einer Entwicklung, die für ihn nichts weniger als der „Urknall im Publishing“ ist.
Er weiß, dass der „Bücherwurm in die Cloud“ wandert (und nicht kriecht, also aufrecht, mit Haltung) und stellt bei seiner Eröffnungspressekonferenz eine „Roadmap to publishing trends“ vor, die sich allerdings selbst nach mehrmaligem Studium nur schwer entschlüsseln und verstehen lässt. "
Da dieser Text dieser Roadmap in der Kolumne nicht als Link zitiert wird, hier eben dieser an dieser Stelle nochmals zur Kenntnis:
http://blog.buchmesse.de/2012/10/10/roadmap2012/.
Und da bis zum Ende der Buchmesse kein einziger Beitrag als Reaktion auf diesen Text angezeigt wird [sic!], wird als Angebot "für einen weitergehenden und weiterführenden Dialog" ein Link auf diese Seite eingestellt. Für die Zeit, in der auch diese Messe erst einmal vorbei ist und dem Echo dieses erneut verkündeten Urknalls nachgelauscht werden konnte. [9] [10]
Das CEO Gespräch zum Thema: "Umwälzungen und neue Grenzen" nahm für sich in Anspruch, zur Frankfurter Buchmesse "die führenden Akteure der aktuellen Umwälzungen der weltweiten Buchindustrie" zu präsentieren um jene Zukunftsperspektiven zu diskutieren, "welche durch diese Akteure nachhaltig geprägt werden":
— Santiago de la Mora, Director, Print Content Partnerships, EMEA , Google
— Jamie Iannone, President, Barnes & Noble Digital Products
— Elodie Perthuisot, Director of Books, Fnac
— Michael Serbinis, CEO, Kobo
— V.Valliappan, Category Head-Books, Indiaplaza
Die Ausgangsthese:
"Globalisierung und Digitalisierung treiben den Umbau der Buchindustrie vehement voran, und erfinden wie Wissen und Lesen im größtmöglichen Maßstab für Konsumenten weltweit neu organisiert werden. Die Traditionen des Buchs erleben derart Umwälzungen auf allen Ebenen.
Diese Umformung wird indessen nicht nur von den herkömmlichen Akteuren des Gewerbes vorangetrieben, insbesondere den Verlagen. Vielmehr treten Unternehmungen neuer Größenordnungen aus den Bereichen Handel, Technologie oder Kommunikation auf den Plan und übernehmen neue Rollen, bis zu dem Punkt, dass sie alle unterschiedlichen Funktionen des Buchmarktes selbst zu übernehmen trachten. Firmen, die ihr Profil auf einem Markt entwickelt haben, internationalisieren ihr Angebot. Neue Märkte bringen wiederum neue Spieler mit hohen Ambitionen hervor, während Lesen und Bücher mittels neuer technischer Geräte und Vertriebskanäle eingebettet werden zwischen andere Angebote mit digitalen Inhalten, was wiederum zu einem völlig neuen Verhalten der Konsumenten führt."
Es ist hier leider nicht der Ort - wie es so schön heisst - einen detaillierten Report von dieser Veranstaltung zu geben. Es ist vielmehr zu wünschen, dass einer der Veranstalter, Livres Hebdo, The Bookseller, buchreport, PublishNews Brazil oder Publishers Weekly hierüber in seinen Publikationen berichten wird. [11]
Aber eine ganz besondere Beobachtung sei an dieser Stelle doch zur Sprache gebracht: Die nach wie vor "Erste-Welt-zentrische" Sicht auf die globalen Märkte, die mit dem Thema einer möglichen Expansion, vor allem nach Südamerika und Asien verbunden sind.
Der einzige Vertreter aus einem dieser zu "erobernden" Länder machte dann auch unmissverständlich deutlich, dass die aktuelle Sicht der Anwesenden - hier auf Indien - sich seit der Zeit der Britischen Hegemonie nicht wirklich verändert habe - auch dann nicht, wenn man jetzt zumindest eingeladen werde, mitzureden.
Recht hat der Mann. Es war augenscheinlich wahrzunehmen, wie sich am Ende der Veranstaltung die Zuschauer in grossen Trauben um die Podiumsgäste versammelten: nur der Mann aus Indien war inzwischen vom Podium gegangen, denn keine oder keiner hatte einen Grund gesehen, ihn ansprechen zu wollen. Niemand.