Es war einmal eine Zeit, da war Babelsberg für viele noch ein rotes Tuch und für andere der Ort der roten Träume. [1]
Heute ist davon allenfalls noch eine rote Couch übrig geblieben, die in der animierten Gif-Datei des Veranstalter der Gesprächsreihe "Film meets IT" wie folgt illustriert wird:
Es ist gut zehn Jahre her, da hatte sich ein französischer Investor schon einmal zu diesem Thema (s)einen Kopf gemacht, um Auskunft gebeten und allerlei Expertise abgefragt. Aber das, was damals noch als "utopisch" bewertet worden war, scheint heute mehr Gehör zu finden:
Filmhersteller und IT-Spezialisten müssen miteinander reden, um die Zukunft digitaler Medien und medialer IT zum Erfolg und zu innovativen neuen Geschäftsideen zu führen.
Tatsächlich? Tatsächlich!
Die fehlende Datenanbindung des Standortes und die Frage eines zentralen Datenspeichers für Babelsberg sind in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden. Jetzt ist Bewegung in die Sache gekommen: endlich gibt es für den Standort adäquate, sehr flexible Möglichkeiten einer Breitbandanbindung. Auch die Nutzung eines nahen Rechenzentrums ist über eine 10Gbit-Datenanbidnung möglich.
Also wird das Thema - einmal mehr - zur Diskussion gestellt werden: Wie hoch der Bedarf an Speicher und Datentransfer in Babelsberg wirklich ist? und verkündet: FILM MEETS IT klärt auf und stellt die Frage nach der Strategie der Zukunft für digitales, filebasiertes Produzieren in Babelsberg.
Hört, hört! Manchmal können ja schon die richtigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt die Diskussion in die richtige Richtung lenken: und damit die richtigen Entscheidungen anstossen.
Also nichts wie hin zur Rotor Film Babelsberg in den Cinema Stage Studio F (ehemals DEFA70) in der August-Bebel-Straße 26 - 53 in
14482 Potsdam.
Anmeldung und ein Einblick in die Veranstaltung: HIER.
Auf Seite 35 der - hier auch als PDF einsehbaren - Studie ist zu lesen:
Der Medienstandort Babelsberg verfügt derzeit insbesondere über eine nicht ausreichende
technologische Infrastruktur im Bereich Datenleitung. Hier sind vor allem die besondere, historisch
gewachsene Rechtesituation auf dem Hauptgelände des Standortes und bislang kaum marktfähige
Tarife problematisch. Die Unternehmen wünschen sich höhere Bandbreiten, marktfähige Tarife und
auf ihre Produktionsweisen abgestimmte Tarifstrukturen mit hoher Flexibilität, gutem Service und
direkten Ansprechpartnern. Damit wären sie in der Lage, einen sehr viel höheren Anteil ihrer Daten
direkt und ohne physische Datenträger auszutauschen. Dies ist nur über den Wettbewerb mehrerer
Anbieter möglich. Eine konsequente Umsetzung dieser Forderungen ist aus den beschriebenen
Gründen bislang schwierig. Erste Schritte für eine Verbesserung der Gesamtsituation sind getan aber
nicht ausreichend.
Es lohnt sich wirklich, sich einen Moment Zeit zu nehmen und die Ergebnisse genauer zu studieren.
Vor allem lohnt es sich aber auch, den zeitnah ins Netz gestellten Mitschnitt der Diskussionsveranstaltung anzusehen.
Dort gibt es nämlich im Hintergrund zu den angesprochenen Themen eine Reihe von weiteren Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt und die hier - aus Sicht des Autors - wie folgt zusammengefasst werden.
– Das Thema 100 Jahre Babelsberg war die letzte Chance, sich positiv auf seine ebenso glorreiche wie wechselvolle Geschichte des Standortes zu beziehen.
– Die nächsten 10 Jahre werden darüber entscheiden, ob dieser Standort mit all seinen klassischen Gewerken noch eine Zukunft haben wird oder nicht.
– Klar ist, dass im Schatten dieses Ruhms sich eine Reihe von neuen Anbietern alter und neuer Dienstleistungen werden etablieren können. Sei es, um ein Outsourcing klassischer Gewerke zu neuen Bedingungen zu gewährleisten, sei es, um ganz neue Konzepte der Wertschöpfung zur Geltung zu bringen.
– In beiden Fällen wird aber in Zukunft kein Stein mehr auf dem anderen bleiben: Selbst viele gute Hallen machen noch keinen erfolgreichen Filmpark. Und selbst noch so gute Handwerksleistungen des klassischen Bühnen- und Kulissenbaus werden den Vormarsch der virtuellen Produktionswelten zu verhindern in der Lage sein.
– Der Einzug der IT in diese Welt der klassischen Filmproduktion - im TV-Sektor inzwischen längst alltägliche Praxis, in der es schon heute keine materiellen Bild- und Tonträger mehr gibt - wird auch vor den grossen Errungenschaften der letzten 100 Jahre nicht Halt machen.
– All die Konzepte einer just-on-time-Produktion und eines lean managements werden die klassischen Gewerke der Filmproduktion bis in die Grundfesten erschüttern. Das, worauf das klassische Babelsberg so stolz ist, läuft Gefahr, auch zum Fluch der neuen Zeit zu werden: von den hohen Personal- und Fixkosten bis hin zu Qualitätsansprüchen, um die sich heute kaum noch einer zu scheren scheint...
– Ein Wehklagen nach dem Motto: Früher war alles besser, hat da aber überhaupt keine Chance. Denn die Zukunft eines neuen Films fängt heute schon auf der Oberfläche eines Tablet-PCs an Gestalt anzunehmen noch bevor das erste Treatment geschrieben ist. Und der wichtigste Produktionsstandort für einen neue Film ist - immer noch - ein gutes Kaffeehaus.
– Starbucks und Serverfarmen gibt es überall auf der Welt. Selbst wenn diese nun auch auf dem Gelände in Babelsberg einen weiteren Standort aufmachen würden, wäre damit der Standort noch lange nicht gerettet. Er hätte sich damit modernisiert und böte doch nicht mehr als "more of the same"
– Die Begegnung zwischen Medien- und IT-Leuten ist so notwendig wie die Aussöhnung von Cowboys und Indianern, so Ernst Feiler, aber selbst dann wäre damit allein der Standort noch nicht gerettet. Ja, diese notwendige Entwicklung läuft Gefahr, das klassische Geschäft noch stärker in Frage zu stellen als bisher.
– Solange mit neuer IT nichts anderes geschieht, als die Gewerke noch leichter an jene Standorte zu verlagern, an denen gerade die jeweils beste Filmförderung angepriesen wird, ist nicht mehr gelungen, als den alten Wein in neuen Schläuchen nur scheinbar einer neuen Wertschöpfung und Wertschätzung zuzuführen.
– Die Herausforderung ist noch viel grösser: es geht nicht nur um den Paradigmenwechsel der Medienproduktion in eine IP-basierte Welt der Bits und Bytes. Es geht darum herauszufinden, was von dem alten Ruhm und Glanz dieses Standortes in dieser neuen digitalen, vernetzten, globalisierten Welt neu wieder auferstehen kann.
– Allein dadurch, dass das Metropolis-Film-Sujet in einem Madonna-Song wieder hervortritt, wird das Babelsberg-Image nicht überleben können. Und selbst dadurch, dass man gelernt haben wird, sich der neuen IKT-Techniken in Zukunft zu bedienen, ist die Zukunft dieses Standortes noch lange nicht gesichert.
– Zukunftssicherung bedeutet vielmehr in Visionen zu investieren, die zu mehr führen als die Verwandlung des Analogen und Festkörperhaften in das Digitale und Virtuelle.
– Die Zukunft von Babelsberg kann nur dann gefunden werden, wenn die Suche nach jenen Werten gefördert wird, die jenseits der Digitalisierung liegen. In einer solchen - postglobalen - Gesellschaft [2] wird auch das im Materiellen verkörperte "Schöne und Gute" nicht obsolet sein.
– Man muss also beides machen: endlich nachholen, was andere schon längst auf den Weg gebracht haben, und mutiger sein, wenn es um die Umsetzung von Zukunftsszenarien geht. Um das zu leisten, wären zweierlei Dinge notwendig, die im Rückblick und im Ausblick auf die 100 Jahre Babelsberg gefehlt haben:
— gerade auch die Gründe für die Fehler und Fehlschläge schonungslos zu beschreiben, zu analysieren und aus ihnen zu lernen
— gerade die geschichtliche Relevanz des Erlebten und die hohen traditionellen Werte des Geschaffenen zum Anlass zu nehmen, dass Utopien nicht nur im Film vorkommen und Visionen eine Chance auf Realisierung bekommen - und das im weltweiten Wettbewerb.
C’est tout. Mehr dazu? Auf Anfrage!
PS.
Vielen Dank für die inzwischen eingegangenen An- und Nachfragen.
Am häufigsten kam dabei zur Sprache, dass das, was der Film erzählt immer schon ein virtuelles Gut gewesen sei, während sich nun auch das Medium, auf dem das Material für diese Geschichten fixiert worden sind, immaterialisiert habe: keine Filmspule mehr, kein Trägermaterial mehr, das noch auf einem Schneidetisch liegen oder sich in einen Projektor eingespannt werden können.
Die Vermutung lautet, dass jetzt, wo alles immateriell und virtuell werden wird - oder schon geworden ist - sich eine Art "Gegenbewegung" etablieren würde, die nach einer Art von Rematerialisierung verlangen wird.
Ein grosses Thema, auf das auch schon in "DaybyDay" immer wieder eingegangen wurde [3]
Wie virulent diese Thema aber einst werden wird, sei an einem Beispiel erläutert, das zunächst damit gar nichts zu tun hat: an Autos, die - als Elektroautos - wieder stumm geworden sind und nun einen eigenen künstlichen Sound benötigen, um damit die "Fußgänger, Fahrradfahrer und vor allem sehbehinderte und blinde Verkehrsteilnehmer" auf ihr Fahren aufmerksam zu machen.
Siehe dazu den Beitrag von Tim Hannes Schauen über die Geräusche für die Zukunft.