Auf der Website des Berliner Buchhandels wurde mit Datum vom 1. 11. 2010 folgende Erklärung veröffentlicht:
Herausforderung und Chance E-Book: Große Resonanz auf Einladung zum Dialog
Wirtschaftssenator Harald Wolf bringt Verlage und Druckereien an einen Tisch
Die technische Innovation des E-Books wird nach dem amerikanischen auch den deutschen Markt erobern, Prognosen gehen von einem Anteil zwischen 5 % und 25 % für die nächsten Jahre aus. Wirtschaftssenator Harald Wolf diskutierte gestern im Roten Rathaus mit Berliner Verlagen und Druckereien über Strategien des Medienstandortes. Wolf appellierte an die Branchenvertreter, gemeinsam und rechtzeitig zu handeln. Die Musikindustrie habe zu spät auf Probleme wie Produktpiraterie reagiert.
Wirtschaftssenator Harald Wolf: „Berlin ist als Medienstandort gut aufgestellt. Berlin muss die Chancen technischer Innovationen nutzen. Wir stehen in der Diskussion über die Anforderungen, die das E-Book an die Wertschöpfungskette stellt. Die Branche sollte schnell Onlineangebote schaffen, bevor das Feld von anderen übernommen wird. Die Veranstaltung heute war ein sehr guter Auftakt für einen stetigen Dialog.“
Detlef Bluhm, Börsenverein des Deutschen Buchhandels Berlin-Brandenburg: „Das E-Book stellt die Verlags- und Buchhandelslandschaft vor neue Herausforderungen, deren Folgen derzeit kaum realistisch absehbar sind. Sicher ist jedoch, dass Verlage bei der Konvertierung ihrer Inhalte überwiegend auf Dienstleister zurückgreifen werden. Dazu bieten sich Druckereien an. Mit ihren Partnern im Printbereich haben sich die Berliner Verlage heute auf einen intensiven Dialog über die mögliche Zukunft verständigt.“
Michael Linnardi, Verband Druck Medien Berlin Brandenburg: „Das E-Book wird das gedruckte Buch nicht verdrängen, sondern den Buchmarkt ergänzen. Es wird weiterhin das besonders schön gedruckte Buch geben, bei dem die Haptik oder die aufwändige Gestaltung eine große Rolle spielt. Die Druckbetriebe in Berlin stehen bereit, ihre Dienste sowohl für die Herstellung von E-Books als auch von Printprodukten anzubieten.“
Diese Erklärung steht offensichtlich im Zusammenhang mit der Tagung "Homer 3.0" die vom Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels am Donnerstag und Freitag dieser Woche, also am 4. und 5. November 2010, im Harnack-Haus der Max-Planck-Gesellschaft in der Ihnestraße 16-20 in 14196 Berlin-Dahlem ausgerichtet wird.
Hier das Programm der Veranstaltung als PDF-File vorab, sowohl als LINK als auch zur direkten Einsichtnahme an dieser Stelle:
Nachdem die Stellungnahmen zu dieser Veranstaltung schon vor ihrem Beginn publiziert wurden, soll diesem besonderen Umstand ob der Fülle der Themen in dieser Woche Rechnung getragen und ebenfalls der Bericht darüber an dieser Stelle platziert werden.
Das ist umso leichter, da es nicht möglich sein wird, vom gesamten Verlauf der Veranstaltung zu berichten und auf die zahlreichen Beiträge einzeln Bezug zu nehmen.
Und das geschieht umso lieber, da hier auf regionaler Ebene Themen angesprochen werden, die für die ganze Republik und weit darüber hinaus von Bedeutung sind und die es gilt, mit Verve anzupacken, deren Auswirkungen aber gerade vor Ort ganz konkret spürbar werden und ebenda auch bewältigt werden müssen.
Deshalb sei hier nur in aller Kürze und exemplarisch auf zwei Vorträge hingewiesen, die am Nachmittag des ersten Tages auf der Tagesordnung stehen werden:
Der Bericht der Buchhändlerin Susanne Martin aus Stuttgart über ihr Geschäft im Jahr 2013
Sowie die Stellungnahme aus dem Hause "Google" zu aktuell brennenden Themen, Google Books betreffend, aber auch die Frage nach der Bewertung der Diskussion um die Gewährung von Leistungsschutzrechten für die Verleger im Rahmen der Diskussion um den "Dritten Korb".
Obwohl es hier durchaus kritisch zur Sache ging und immer wieder die konkreten Bedürfnisse im Raum standen, gelang es - zumindest am Nachmittag des ersten Tages - auf geradezu exemplarische Art und Weise, in den Vorträgen der unterschiedlichen Parteien direkt auf den Punkt zu kommen, ohne dass dadurch ein weiterer Dialog vereitelt worden wäre.
Klar, dass man nicht ein Umfeld wie dieses und einen Tag wie diesen zum Anlass genommen hat, neue Projekte und Politiken anzukündigen. Klar auch, dass man sich mit Hinweisen wie - "ich bin an diesem Punkt nicht wirklich vom Fach" - einigen kritischen Fragestellungen schon entzogen hat, bevor sie überhaupt zur Entfaltung hätten kommen können - und dennoch: Was erfrischend und auffallend und konstruktiv war, das war der Anspruch und die Absicht aller Beteiligten, aus der aktuellen durch die Zahlen über das Nutzerverhalten offensichtlich werdenden Notwendigkeit zur Veränderung etwas machen zu wollen.
Man war vielleicht nicht immer im gleichen Boot, aber treibt offensichtlich im gleichen Fluss der Zeit auf das offene Meer einer globalisierten Ökonomie und Technologie hinaus.
Es ist zu hoffen, dass es an anderen Orten eine detailliertere Berichterstattung über Verlauf und Inhalt dieser zwei Tage geben wird.
Hier nur einige ausgesuchte Highlights:
– Der Hinweis auf das Verschwinden des Segments der Bücherregale aus dem Ikea-Katalog, der in dem Satz kulminierte: "Das Bücherzimmer ist tot."
– Der Hinweis auf den Wandel von der Portabilität zur Mobilität des Buches, der in dem Satz kulminierte: „Kartoffelpuffer haben sich auch durchgesetzt“.
– Der Hinweis, dass selbst 100 Millionen iPads nicht allein das Gesicht und die Geschicke der Zukunft bestimmen werden, wenn es schliesslich im Netz schon heute mehr als 2 Milliarden Nutzer gibt.
– Die Einsicht, dass die eigene Position nicht immer die Referenz für die gesamtgesellschaftlich relevanten Entwicklungen sei, die in dem Satz kulminierte: "Ich bin begeistert davon, aber das bringt noch niemanden weiter."
– Die Beobachtung, dass die schwarz-weissen e-Ink-Reader in absehbarer Zeit tatsächlich zum Preis von 29,- Euro über den Ladentische gehen werden und selbst ein iPad als notwendige Draufgabe für ein zweijähriges e-Abo-Angebot einer Tageszeitung heute schon angeboten wird.
– Die Erkenntnis, dass in Zukunft die integrierten Plattformen - und deren Betreiber - das Sagen haben werden. Wenn schon heute das Handelsblatt mit Amazon zusammengeht, dann sei das eine ganz neue Welt, in der man erst einmal seine Erfahrungen machen müsse, bis auf die, dass so hart verhalt werden müsse wie noch nie.
– Der Hinweis, dass dennoch heute schon Wirklichkeit ist, was eigentlich nicht sein darf: Dass ein Plattformbetreiber ein bereits an den Endkunden per Download verkauftes "Buch" über Nacht wieder von dessen Rechner entfernt. Zitat: "Was würden Sie denn davon halten, wenn jemand bei Ihnen nachts unangemeldet in die Wohnung kommt, um sich die bei ihm gekaufte Publikation wieder aus Ihrem Regal zu holen?"
– Die Erkenntnis, dass vieles, was heute eigentlich hätte Wirklichkeit sein sollen, inzwischen schon wieder vom Markt verschwunden ist, Microsofts "Plays for Sure"-Konzept zum Beispiel. [1], oder das Google-Wave-Projekt. [2]
– Bücher werden auch in Zukunft nicht abgelöst, sondern um eine weitere Darreichungsform medial ergänzt und genutzt. Zum Beispiel von jener Zielgruppe der "50plus Kunden", denen es nun endlich möglich ist, ihre Wunschtexte in einer ihnen genehmen SCHRIFTGRÖSSE lesen zu können.
– Auch elektronische Bücher werden in Zukunft in Buchhandlungen verkauft werden - um gleich auf die dafür geeigneten Reader geladen zu werden. Stichwort "OYO" unter dem Motto: „Thalia in der Tasche“ [3]. So ist und bleibt alles "ready for use", so wie jedes andere Buch auch, von dem man maximal noch den Schutzumschlag zu entfernen hat.
– Selbst in einem Null-Acht-Fünfzehn-Buchhandel geht heute schon fünf Prozent des Gesamtumsatzes online raus. Dabei ist es zumeist noch ein recht kleiner Kundenkreis mit recht hohen Nutzungszahlen und -zahlungen.
– Angebote wie die von Libri digital werden allerdings bislang kaum wirklich genutzt; Links alleine lassen sich sowieso kaum verkaufen. Und der Versuch, sich über Libri auch einen Reader zu bestellen, ist schlicht und einfach gescheitert. Die Forderung, dafür dann auch noch 25,- Euro pro Monat zu bezahlen, ist eine Zumutung.
– Legitime Forderungen des Buchhandels wären: Der harte Kopierschutz muss entfallen, das Angebot muss vermittelbar sein, ebenso wie die Preise. Und das alles zu auskömmlichen Konditionen.
– Aber es gibt auch An-Forderungen an den Buchhandel, auch wenn die zumeist schmalen Renditen grösseren eigenen Investitionen eher entgegenstehen: Es geht nicht mehr ohne eine funktionale Homepage, eine e-Book-Verkaufsstation und ohne dafür ausreichend qualifizierte Mitarbeiter, die auch an - möglichst noch bezahlbaren - Fortbildungen teilnehmen können. Und wollen.
– Bei aller nach wie vor anzutreffenden Skepsis und Zurückhaltung vieler Kolleginnen und Kollegen: Die Buchhandlungen von heute und morgen brauchen eigene Plattformen. Nachdem schon die Navis die Atlanten aus den Regalen vertrieben haben, ist es Zeit, dass zumindest die e-Books als Zusatzgeschäft begriffen werden. Denn das "digitale Lesen" ist heute schon Realität.
– In Japan werden inzwischen die digital generierten und mobil vertriebenen Publikationen in höheren Stückzahlen vertrieben als Bücher mit entsprechendem Inhalt. Diese werden vielmehr "danach" gedruckt, als Folge der online generierten Vertriebserfolge.
– Google versteht sich als "Partner der Verlage", dabei wird heute schon der gesamte Bestand der gemeinfreien Werke der Bayerischen Staatsbibliothek eingescannt und zur Besichtigung freigegeben: zu 100% durchsuchbar und zu 20% "durchblätterbar". Für die Zukunft bedarf es aber einer gesetzlichen Regelung für die Zurverfügungstellung der verwaisten Werke zu akzeptablen Konditionen.
– Ob die nun in den USA startenden "Google-Editions" auch in Deutschland kommen werden, hängt noch von einer ausreichenden Beteiligung von Verlagen und Verlegern ab. Ein vollständiger Online-Zugang wäre dabei aber ebenso garantiert wie eine komplette Kompatibilität mit allen auf dem Markt befindlichen Endgeräten.
– In der Zeit von 1995 bis 2010 ist die tägliche Musiknutzung um 150% gestiegen, aber heute kommen auf einen legal erworbenen Song fünf illegale. Die Versuche mit einem eigenen Online-Portal der Situation Herr zu werden sind gescheitert. Heute arbeitet man mit den Mitteln der Aufklärung, einer Verbesserung des Angebotes und der Abschreckung (mit allen rechtlichen Mitteln). Damit ist, obwohl die Breitbandpenetration zugenommen hat, die Zahl der illegalen Downloads relativ zurückgegangen.
– Die Intertextualitätshandwerkerer à la Hegemann werden die Meinung vertreten, dass es eh keine Originalität mehr gebe, sondern nur noch die Echtheit. [4]. Eine "Veredelung des Plagiats" durch den Protest alleine, das wird nicht reichen. Mehr als das Buch ist daher das Phänomen an sich von Interesse. Und dass ausgerechnet ein Blogger die Wahrheit herausgefunden hat, ist ein wahrlich signifikanter Zufall.
– Wenn der Verlag das Manuskript eines Autoren nicht nur druckt, sondern zur Veröffentlichung annimmt, wird er damit umgehen wie mit einem Rohdiamanten. Das bedeutet: der Urheber muss im Kernpunkt dessen bleiben, was es zu erhalten und zu fördern gilt. Aber es gilt auch der Satz: „Sterben die Verwerter, sterben die Urheber“. Dafür sei der Staat kein "Schutzvater", aber durchaus für die Beantwortung der Frage nach einem klareren Ordnungsrahmen zuständig.
Zum guten Schluss: die Diskussion die im Spannungsfeld der Interessen der Autoren, der Leser, der Agenten, der "Feedbacker" und der "Crowdsourcer" steht.
Auch wenn diese vom Moderator Holger Volland nicht ganz mit der gleichen Souveränität und Aufmerksamkeit gelenkt werden konnte, mit der er zuvor den ganzen Tag aufs Gleis gestellt hatte - Kompliment dafür -, macht es hier noch Sinn, an diesem Gespräch teilzuhaben:
Denn man macht sich keine Illusionen, wenn beispielsweise Ralf Akenbrecher vom Aufbau Verlag Sätze sagt wie: "Wir sind getriebene und nicht die Treiber".
Und wenn Jürgen Neffe nach seiner "Feier für die Entleibung des Buches" feststellt, dass heute immer noch die gleiche Grundstimmung herrsche wie zu jenem Zeitpunkt von vor 18 Monaten, als er seinen ZEIT-Artikel geschrieben habe [5]. In vielen grossen Häusern sei er seitdem gewesen und immer noch seien Viele allzu träge, zu ängstlich und würden lieber nichts machen als die Bereitschaft zeigen, Fehler zu riskieren. Und dennoch und trotz alledem sei er der Meinung, dass man heute noch in der Buch-Branche etwas bewegen könne.
Und wenn Drücke sagt: "Wir haben kein Produkt-Problem, wir haben ein Bezahl-Problem" und als Buchempfehlung verweist auf: Jaron Lanier: You are Not a Gadget.
Und wenn Herr Heveling von der CDU sagt: "Es war noch nie die Aufgabe der Politik, alle unter einen Hut zu bekommen." Und vorhersagt: Deutschland sei derzeit noch die Nummer drei nach den USA und Japan. Aber in Zukunft, da sei der Absturz vorprogrammiert...
Und wenn ein Holm Friebe von "The late age of print" spricht und von den Bücherregalen als einer Innovation aus den dreissiger Jahren. Morgen aber werde ein solches Regal "als Möbel und Kompetenztapete" abgelöst sein.
Etwa von einer virtuellen Bild-Tapete, vor der dann einzelne Dreh-Buch-Szenen als 3D-Formate frei in den Raum gestellt werden können - so wie es bereits im Film "Minority Report" zu sehen war?!
Zum guten Schluss der Vorschlag, im nächsten Jahr im Vorfeld der Buchmesse 2011 eine Begegnung zu organisieren, in der aus der Praxis für die Praxis berichtet werden wird.
Das Ganze nur auf Einladung und nur wenn die Bereitschaft besteht, im Rahmen einer solchen Veranstaltung einmal die Angst vor einem möglichen Fall der (D)Ebit-Data und Verletzungen von NDAs beiseite zu räumen und stattdessen mit den vielgeliebten Vor-Urteilen aufräumen zu wollen: gemeint ist, um es im guten Neudeutsch zu sagen, ein BOOKMAKERS’ BARCAMP.
WS.