Zum Pokalfinale: DAS Google Eigentor

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 01 Uhr 04 Minuten

 

"Bremen droht hier alles zu verspielen in diesen Minuten." - So der Kommentar zur Live-Übertragung im ZDF in der 54. Spielminute.

Aber noch wichtiger als dieses Spiel war die Nachricht, mit der das "Heute"-Journal in der Spielpause ihre (Kurz-)Nachrichten-Sendung aufgemacht hatte: Danach würde der "Big Brother" von einst heute "Google" heissen, nachdem nachgewiesen worden sei, dass bei der Erfassung der Bilddaten für das Street-View-Projekt auch Wireless-Internet-Adressen ausgespäht und erfasst wurden.

"Entgegen früheren Beteuerungen", so das ZDF, " hat Google nun eingeräumt, dass seine Street-View-Fahrzeuge auch Inhalte mitgeschnitten haben, die über offene WLANs ausgetauscht wurden."

Das ZDF hatte bereits im Zusammenhang mit dem Google-Latitude-Projekt über diesen Verdacht berichtet [1], denn Datenschützer Peter Schaar auftreten lassen mit den Worten:

"Wenn jetzt heimlich solche Informationen gesammelt werden ist das doch ein weitgehender Eingriff in Persönlichkeitsrechte - hier werden Informationen hinter meinem Rücken gesammelt."

um sodann Google Sprecher Kay Oberbeck mit den folgenden Worten zu zitieren:

"Es handelt sich bei der Anlage dieser Wireless- oder WiFi-Daten keineswegs um persönlich identifizierbare Daten, sondern um anonyme Daten die öffentlich zugänglich sind, die auch noch jeder selber bestimmen kann, welche er davon preisgeben möchte oder welche nicht - insofern entbehrt dieser Vorwurf jeglicher Grundlage."

Auf der heute publizierten Website des Senders heisst es u.a.:

"Der Konzern hatte am Freitag eingeräumt, unter anderem in Deutschland mit seinen Kamera-Wagen jahrelang persönliche Nutzerdaten aus drahtlosen Computernetzen aufgezeichnet zu haben. Es seien versehentlich Daten aus nicht mit Passwort geschützten, drahtlosen Netzen gespeichert worden, hieß es in einem offiziellen Internet-Blog des Konzerns. Diese Informationen seien nie benutzt worden. [...] Google kündigte an, das Erfassen von WLAN- Funkstationen durch seine umstrittenen Kamera-Autos für den Dienst Street View zu stoppen und auch nicht wieder aufzunehmen. Das Unternehmen erörtere mit den Aufsichtsbehörden in den betroffenen Ländern, wie diese Daten vernichtet werden können. Neben Deutschland und den USA nannte Google Frankreich, Brasilien und Hongkong. "

Und Kay musst erneut vor die Kameras und erklären:

"Das war ein Fehler, den wir zutiefst bedauern und für den wir um Entschuldigung bitten."

Es ist klar, dass sich in der Folgezeit Viele mit grossem Eifer über diese Praktiken hermachen und zu Recht beklagen werden, dass Konzerne wie Google erst auf Druck und nach heftigen Beschwerden auf diese Vorwürfe reagieren.

Und dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es hier um eine hyperpotente Dienstleistung gehandelt hat, die die Techniker und Programmierer zum Einsatz gebracht haben, ohne dass damit ein wirklich aktives und konkretes Ausspähen beabsichtigt gewesen wäre.

Dieser Hinweis wird hier nicht zur Entschuldigung zur Diskussion gestellt, sondern es wird vielmehr auf diesem Wege darauf aufmerksam gemacht, dass die Indentifizierung von Wi-Fi-Access Points, wie es auf Englisch heisst, heute bereits eine mehr als nur interessante Daten- und Revenue-Quelle ist, an der sich bereits andere seit langem und mit grossem Erfolg niedergelassen haben: Von der Fraunhofer-Gesellschaft mit ihrem Pilotprojekt in Nürnberg, in dessem Verlauf laut einem Bericht von Alfred Krüger zu Beginn des Jahres 2008 in einem Umkreis von gerade mal 25 Quadratkilometern um die 30tausend Wi-Fi-Stationen identifziert werden konnten - bis hin zur Firma SKYHOOK Wireless die nach den dem Autor vorliegenden Informationen schon heute stärker sind als der ganze Google-Clan [2].

Das Mitmachen bei den Social Communities führt zunehmend zu einer Strategie der Kapitalisierung der bislang nur individuell wahrgenommenen Vorteile bei gleichzeitiger Sozialisierung der Verluste: an Identität und Authentizität.

Wenn Bayern München gegen Werder Bremen am Ende dieses Tage Drei zu Null in Berlin gewonnen hat, dann bricht für die Bremen Fans eine Welt zusammen. Aber auch sie wissen, dass es am Ende eines solchen Pokal-Final-Spiels nur einen Sieger geben kann.

Wenn die Politik gegen einen Wirtschaftsriesen zu Felde zieht und dabei einen Achtungs-Erfolg erzielt, dann ist damit aber dennoch nicht der Gewinner in diesem Spiel festgelegt, in dem es keinen Sieger und kein gutes Ende geben wird.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Und selbst wenn in einem solchen Moment gerne von einem "Scheiss-Spiel" geredet wird, sollte nicht vergessen werden, dass es hier nicht nur um die Schattenseiten des Sports geht, sondern um eine gründliche Missachtung jeglichen Fair-Plays.


Nachtrag aus der Welt vom 20. Mai, S. 26 und aus WeltOnline :

Redaktionsbesuch von Larry Page
Google-Gründer setzt bei Datenschutz auf Dialog

Von M. Bewarder und J. Stüber

[...] Larry Page, einer der Gründer des Internetkonzerns Google, weiß, wie man um Entschuldigung bittet: „Die Aufzeichnung der Daten tut uns wirklich Leid. Es war ein Fehler – ganz eindeutig“, sagte er bei einem Besuch bei der WELT-Gruppe in Berlin. [...]

Es sieht so aus, als ob Firmengründer Larry Page und Google-Chef Eric Schmidt unterschiedlich mit dem Fehltritt umgehen: Während Page die Bedeutung des wichtigen Themas nicht schmälern möchte, setzte Schmidt im Gespräch mit stern.de auf Konfrontation: „Krise? Das nennen Sie eine Krise?“, sagte er und antwortete auf die Frage nach einer möglichen Anklage in Deutschland: „Wem wurde Schaden zugefügt? Nennen Sie mir diese Person!“ Schmidt poltert, Page setzt auf Dialog. [...]

Page sagt: „Wir würden die Daten gerne löschen und arbeiten dafür mit den jeweils zuständigen Behörden zusammen, damit diese auch mit unserer Herangehensweise zufrieden sind.“ Page weiß, wie schwer sein Unternehmen durch die Datenpanne getroffen ist. [...]

Anmerkungen

[1In "heute" vom 22. April 2010, ab 19 Uhr: "Der Internetriese Google entsetzt Datenschützer: Die Google-Fahrzeuge, die für den digitalen Kartendienst Street View fotografieren, erfassen nebenbei auch sämtliche WLAN-Netze."

[2Als öffentlich bekanntes Indiz wird auf die Entscheidung des Hauses Motorola verwiesen, in Zukunft nur noch mit Skyhook zu kooperieren.


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