Verantwortung & Zukunft

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 00 Uhr 26 Minuten

 

Dieser Titel könnte, ja sollte der Titel der diesjährigen MEDIENTAGE MÜNCHEN werden.

Das Programm der Veranstaltung des Jahres 2009 stand unter dem Thema:

MUT - Medien und Transformation

Jetzt, im Jahr 2010, wäre es eine konsequenter und mutiger Schritt, diesem Titel auch Taten folgen zu lassen.

Der Beweggrund:

Die Spatzen pfeifen es seit langem von den Dächern: Nachdem der Ministerpräsident des Landes nun auch zum zweiten Mal nicht zur Eröffnung dieser Veranstaltung hat anwesend sein können - weder persönlich noch in Form einer Video-Schaltung [1], nachdem selbst die Position des Moderators der Elefantenrunde in diesem Jahr erstmals zur Disposition steht und nachdem klar ist, dass sich diese politischen Gipfelveranstaltungen in der bisher eingeübten Form mehr und mehr überlebt haben - und das nicht nur deshalb, da nach wie vor Frauen in dieser Runde die Ausnahmen zu sein scheinen. Nachdem also all diese und weitere not-wendige Veränderungen anstehen, wird es dringender denn je, den MUT zur Transformation nicht nur im Titel zu führen, sondern auch selbst für sich als Veranstalter in Anspruch zu nehmen.

Zur Vorgehensweise:

Nachdem in den vorangegangenen Jahren bereits in einer Reihe von persönlichen Gesprächen auf diese notwendigen Veränderungen hingewiesen wurde, die im Nachgang dazu eingereichten schriftlichen Anregungen aber bislang nicht einmal einer freundlichen Empfangsbestätigung Wert zu sein schienen, ist es vielleicht zieführender, den Kern dieser Überlegungen als "user generated concept" in dieser Form in den öffentlichen Raum zu stellen. Und das weder in einem "facebook"-account noch auf twitter, sondern in dieser Form eines "DaybyDay"-Beitrages - zumal jetzt, unmittelbar nach der Berlinale die Vorbereitungen zur bevorstehenden CeBIT 2010 einen Abstecher zur heute in München durchgeführten Veranstaltung [2] nicht zulassen.

Der Anlass:

Dass es zu diesem Vorschlag kommt ist einem interessanten Zufall zu verdanken: Am Sonnabend-Abend war zunächst auf ARTE ein zusammenfassender Bericht über die Berlinale 2010 avisiert - und dann fiel im EPG der Blick auf eine Sendung, die auf dem Kanal des Senders Phoenix ausgestrahlt wurde: Der Film von Katrin Seybold:

Die Widerständigen
Zeugen der Weißen Rose
 [3]

Was dieser Film in Wort und Bild auch zeigt, das ist der Verlauf des kurzen Prozesses, den der Volksgerichtshof mit den Tätern gemacht hat. Er wurde eigens für eine Sonderverhandlung - jenseits des Rechtes bzw. der auch 1943 geltenden Gesetze - nach München verlegt, sofort auf "den schwersten Fall hochverräterischer Flugblattpropaganda, der sich während des Krieges im Altreich ereignet hat" zu reagieren.

Und eben dieser Prozess fand in eben jenem "Justizpalast" statt, in dem sich alljährlich die Teilnehmer der Medientage München zur wichtigsten Party dieses Kongresse einfinden.

Zur Begründung:

Schon in den vergangenen Jahres hat sich in Einzelgesprächen - soweit diese bei dem hohen Geräuschpegel ausserhalb der Lounge in der grossen Halle, auf den Treppen und Gängen überhaupt möglich waren - immer wieder herausgestellt, dass so gut wie niemand wusste, an welchem Ort diese Veranstaltung eigentlich durchgeführt wurde, geschweige denn, welche Entscheidungen an diesem Ort gefällt und als sogenannte "Angelegenheiten" im sofortigen Vollzug umgesetzt worden waren.

Das ist keine Vorwurf und keine Rüge, sondern es ist eine Tatsache, dass wir "Erwachsenen" oft selber kaum mehr Kenntnisse und Verständnis für historische Situationen haben, die wir oft genug den Jugendlichen vorwerfen, nicht mehr in ihr Denken und Handeln einbeziehen zu können.

In diesem zweiten Jahrzehnt dieses neuen Jahrtausends werden die Zeitzeugen, die noch den Jugendlichen von ihrer Zeit in den Konzentrationslagern hätten berichten können, alle gestorben sein.

Was das bedeutet, lässt sich schon an dem Umstand ermessen, dass selbst das Leben in einem ehemals zerstörten und dann geteilten Deutsch-Land kaum noch Gegenstand der Lebenserfahrung der jungen Generation ist.

Während wir von den "digital natives" und uns "Erwachsenen" als denjenigen reden, die in diese digitale Welt - mehr oder weniger - eingewandert sind, beklagen wir den Verlust von historisch referenzierter Wahrnehmung, beklagen wir, dass in der digitalen Welt nur Geschichten erzählt anstatt Geschichte gemacht würde und haben immer noch nicht begriffen, wie wichtig es wäre, in welcher Verantwortung wir stehen, um in der Zukunft der digitalisierten Welt das "Historische" wieder er-finden zu müssen.

Die Lobpreisungen des immersiven Bewegtbilderlebnisses und die Wahrnehmungsmöglichkeiten einer "augmented reality" lassen uns vergessen, dass es offensichtlich mehr und mehr dieses externen "inputs" bedarf, damit wir noch die Realität in ihrer Wertigkeit erfahren - und uns zu ihr verhalten können.

Zum Konzept:

Nein, im Jahr 2010 und den folgenden muss die Party nicht aus diesem Justizpalast verbannt werden - aber es wäre schon viel gewonnen, wenn es zumindest einen Raum gäbe, in dem an diesem Abend Filme wie der oben benannte gezeigt werden würden. Wohlwissend, dass sich eine solcher Raum nicht als das neuen "highlight" dieses Festes herauszustellen sein wird, wohl aber als Symbol für eine neue entdeckte Verantwortlichkeit, für die Medienmacher mit ihrer Arbeit ein Stück weit einstehen.

Mit dem Titel: Verantwortung und Zukunft soll nicht moralinsaures Gejammer über dem Partypalast ausgeschüttet werden, aber dieser hier dargestellte Zusammenhang endlich wahr-genommen und angenommen werden.

Gerade in diesen neuen Zeiten die so sehr von der Digitalisierung und ihren Folgen geprägt sein werden, ist es an der Zeit, darüber - auch öffentlich - nachzudenken, welche Rolle den Medien zukommt, wenn die Menschen als Zeit-Zeugen verstorben sein werden.

In der nachfolgend zitierten Veranstaltung geht es um das "Zukunftspotenzial von bewegten Bildern" und es wird die Frage gestellt "Welcher Content auf welchen Kanälen?".

Auf den Medientagen 2010 sollte dieser Frage nicht länger nur technisch diskutiert werden, sondern auch inhaltlich, nicht länger nur allein aus der aktuellen Perspektive, sondern auch in der aus der Geschichte erwachsenen Verantwortung für unsere Zukunft.

Bewegte Bilder - bewegte Zeiten

Heute führt der gleich Veranstalter in Zusammenarbeit mit der KPMG eine Informationsveranstaltung im Hotel Kempinski zum Thema:

Bewegte Bilder - bewegte Zeiten

Video als Erfolgskonzept für ALLE Medienunternehmen?

mit dem folgenden Programm durch:

* Keynote: Andreas Briese, Strategic Partnership Development Manager Germany & Scandinavia, YouTube

Moderation: Thomas Aigner, Inhaber Aigner Media, München

13.45 Uhr: Zukunftspotenzial von bewegten Bildern: Welcher Content auf welchen Kanälen?

* Peter Kerckhoff, Bereichsleiter Content & Media Partnering, Products and Innovation, Deutsche Telekom, Darmstadt

* Rüdiger Oppers, Chefredakteur NRZ, Geschäftsführer NRW.TV, Beauftragter Bewegtbild WAZ-Mediengruppe, Essen

* Rainer Tief, Leiter Programmbereich Multimedia und Jugend, Bayerischer Rundfunk, München

* Peter Christmann, Geschäftsführer snack TV, München

* Christian Sommer, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), Hamburg

16.00 Uhr: Geschäftsmodelle - wer soll das bezahlen?

* Wolfgang Elsäßer, Geschäftsführer Astra Deutschland, Unterföhring

* Jens Schröter, Leiter Burda Journalistenschule, Burda Services, München

* Christian Wenger, Executive Producer & Director MSN Deutschland, Unterschleißheim

* Dr. Hans-Peter Ketterl, Leiter Werbung, Medien und Product Placement, BMW Deutschland, München

* Dominik Reisig, Gründer und CEO, CAVI , Hamburg

Anmerkungen

[1Wenngleich er auch beim ersten No-Show im Jahr 2008 vom Moderator der "Elefantenrunde" direkt über dessen laufenden Fernseher in der Staatskanzlei angesprochen wurde...

[2Siehe am Schluss dieses Textes: "Bewegte Bilder - bewegte Zeiten".

[3Im Widerstand der Weißen Rose war neben den Geschwistern Hans und Sophie Scholl ein Freundeskreis von überwiegend jungen Menschen aus der bürgerlichen Gesellschaft aktiv.

In ihrem Film kombiniert Regisseurin Katrin Seybold die Aussagen von Zeitzeugen mit bisher unveröffentlichten Fotos von Tatorten, Gestapobeamten, Richtern und dem Henker. So entsteht ein einzigartig authentisches Porträt der Widerstandsgruppe.

Hans Scholl, Alexander Schmorell und Professor Kurt Huber riefen in ihren sechs Flugblättern zum sofortigen Ende des Krieges und zum Sturz des Regimes auf. Die Aufrufe wurden als Schwerverbrechen gewertet, die führenden Mitglieder, die Verfasser der Flugblätter und ihre engsten Helfer Sophie Scholl, Willi Graf und Christoph Probst 1943 zum Tode verurteilt.


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