In Essen OUT - in Madrid IN: Cinegames

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 3. Mai 2007 um 13 Uhr 19 Minuten

 

Leser von "DaybyDay" wissen, dass das Thema: Spiele und Kino immer wieder und sehr frühzeitig aufgenommen worden ist. Sowohl wenn es um die Verquickung von Filmmotiven in Comupterspielen geht - und vice versa - als auch dann, wenn es um neue Nutzungskonzepte der Kinos unter Einbeziehung der Spiele-Industrie geht.

Im Jahr 2006 war bereits im CinemaxX-Kino in Essen ein erster Versuch in dieser Richtung gestartet worden - für gerade mal 4 Monate. Arne Schmidt, Cinemaxx-Sprecher, in einem Gespräch mit Linda Osusky von "pressetext.deutschland" am 26. Februar 2007:
"Wir mussten das Angebot einstellen, weil zu wenig Besucher kamen" [...] "Wir mussten feststellen, dass dieses Konzept als Event gut funktioniert, nicht aber als dauerhafte Einrichtung"

In Madrid im Yelmo-Cineplex dagegen ist die Chose anders gelaufen. Enrique Martinez, der Schöpfer des Konzeptes von Cinegames bezieht sich daher in seinem Gespräch mit der International Herald Tribune auch lieber auf die Erfahrungen im eigenen Haus. "Wir sehen die Zukunft in Multiplexen mit fünf Sälen, wovon einer für klassische Hollywoodfilme reserviert ist und die restlichen Säle als Videohallen und 3-D fungieren".

Die Rede ist von einem adaptierten Kinosaal mit 50 Plätzen und Dutzenden von Workstations mit Videospielen die das Spiel-Erlebnis in einem Kino zu einem Gruppen-Event werden lässt, "das von High-Tech-Effekten wie Nebel, Laserlicht, hochauflösenden Digitalprojektoren und vibrierenden Sitzen untermalt wird."

Was in dieser Berichterstattung (wohlweislich?) verschwiegen worden ist, das ist der Umstand, dass der wirkliche wirtschaftliche Schaden des Essener Experiments nicht nur auf die ungenügende Zahl an Nutzern zurückzuführen ist, sondern darauf, dass das Kino mit seinen Spielangeboten in Konflikt mit dem bundesdeutschen Spielhallengesetz gekommen war.

Aus der Sicht der Landesämter in Nordrhein-Westfahlen hatte nämlich die in der Überschrift "Vom Lichtspielhaus zur Spielhölle" des oben genannten Artikels genannte Formatänderung ihre wahre amtsgültige Wahrheit entfaltet und das Kino den (Spiel-)Regeln des Deutschen Spielhallengesetzes unterworfen. Womit die Betreiber dieser Einrichtung offensichtlich nicht wirklich gerechnet hatten.

Dabei ist diese Diskussion wahrlich nicht neu: hier ein Zitat aus dem Computer Base Diskussionforum, in dem zu dem Thema "LAN-Parties vor dem Aus?" schon im März des Jahres 2005 folgende These und Gegenthese zur Diskussion gestellt wurden:

Am 16. März 2005 schreibt "FH16" in seinem 647sten Beitrag aus Zürich:

@The_Jackal: ich erkläre dir gerne, warum eine Internetcafe unter das Spielhallengesetz fällt. Per Definition ist eine Spielhalle ein Ort, in dem "Kunden verschiedene Arten von Spielautomaten und Videospielen angeboten werden". Nun, wie du erkennst, fällt ein Internetcafé auch darunter. Ergo ist eine Bewilligung nötig.

Klar, man könnte eine Ausnahme machen. Nur: wo liegt dann die Grenze zwischen einem Internetcafé und einer Spielhalle, wenn bei beiden Orten gespielt werden kann? Wenn ein Internetcafé nicht darunter fiele, gings garantiert nicht lange und schon benützt ein Spielhallenbetreiber nur noch PCs mit Internetzugang und gibt sich als Internetcafé aus um sich die Bewilligung zu ersparen. Und damit so etwas nicht passiert, muss das Gesetz eben strikt angewendet werden. Gleiches Recht für alle, so funktioniert der Rechtsstaat.

Ich verstehe die Jammerei einfach nicht. Wer ein rechtsfreies Land will, soll nach Nigeria oder weiss-nicht-wohin-sonst gehen. Aber dann soll er sich bitte nicht beschweren, wenn der Staat völlig willkührlich entscheidet. Ich meine: was soll das, das deutsche Rechtssystem ist doch wirklich nicht schlecht.

PS: ob der LAN-Veranstalter nur die Ausgaben deckt oder Gewinnorientiert arbeitet, kann nicht objektiv beurteilt werden, also ist es - rein rechtlich gesehen - völlig irrelevant.

Und die Gegenrede von "The_Jackal" lässt mit seinem 3.318ten Beitrag nicht lange auf sich warten:

Da irrst du aber gewaltig, denn ein Internet Café biete schließlich keine Computerspiele an, damit du dort zocken kannst. Es ist zuerst einmal eine Möglichkeit ins Internet zu gehen. Was die Leute dann am PC machen, das ist der Unterschied.

Das Problem mit PCs ist nämlich, dass sie ein Universalgerät sind, aber darf man darf für alles eine Steuer, Gebühr oder ein Verbot verlangen, was der PC machen kann??

Die GEZ hat kein Recht Gebühren zu verlangen (und IMO wird die EU das auch so sehen), weil 1. Der Computer mit Internet wohl nicht nur und sogar am wenigsten dafür genutzt wird auf der ARD und ZDF Seite zu surfen. 2. Ist es möglich die Inhalt mit Pay per View zu sichern. Eine Pauschale ist hier völlig fehl am Platz.

Genauso ist es mit Internet Cafés. Ich habe noch nie gesehen, dass man da 100 Rechner hat und jeder zockt miteinander, gegeneinander oder gegen die KI!

Allein der Zweck des Internet Café ist schon mal ganz anders. Keiner macht ein Internet Café auf um LANs zu veranstalten!

DESHALB IST ES ABOLUT FALSCH SO EINE VERORDNUNG!

Was lernen wir daraus: wie wichtig es sein kann, dass auch ein Kinobetreiber sich in einer für ihn vielleicht so abwegigen Szene wie die der LAN-Party-Spieler - und deren Anwälte - einmal umschauen sollte, wenn er sich für ein neues Produkt zu interessieren beginnt.

Das, was die Sache so schwierig macht in Deutschland ist der Umstand, dass selbst die Bereitschaft, das Kino neu erfinden zu müssen und der Wille, dafür sogar neues Geld auszugeben die wenigen innovativen Kräfte der Branche nicht daran hindert, dennoch Rückschläge dieser Art einstecken zu müssen.

So ist und bleibt Deutschland das Land der Ideen in einem Heer von Ordnungshütern deren fixe Idee es ist, auf ihre Art und Weise ideenreich neuen Entwicklungen im Wege zu stehen: und das "zu Recht".


Nachtrag vom Montag, den 30. April 2007

Inzwischen haben die Diskussionen auch mit den US-Veranstaltern von Diskussionsforen erste Erfolge gezeitigt: das gilt sowohl für das der NAB vorgelagerte Digital Cinema Summit in Las Vegas und voraussichtlich auch für die Cinema Expo in Amsterdam. In beiden Fällen wird aus dem "Other Digital Stuff" im Kino ein positiv besetztes neues Feld eines "New Cinema Experience" - jenseits des klassischen Hollywood-Films. Denn die Zeit wird kommen, da auch "Hollywood" solche Events nicht mehr länger als eine Bedrohung sondern als eine zukünftige Quelle der Bereicherung - auch ihres Geschäftes - sehen wird. [1]

Dankenswerter weise wurde jetzt dieses Thema auch in der BBC-WorldService-"Culture Shock"-Sendung dieses Tages nochmals aufgegriffen und kommentiert.

Das dort Gesagte ist wahrlich Wasser auf die Mühlen des Autors von "DaybyDay", dessen Flügel schon schon seit langem fröhlich dieses "Lied" vor sich hingeklappert haben.

Da der Mitschnitt dieser Sendung nach Anfrage beim BBC Hörer-Service aber jeweils nur bis zur Folgesendung, also für eine Woche, dem Internet-Publikum zur Verfügung steht, haben wir diesen Beitrag in die folgenden Teilzitate und in einen MP3-"Strom" gewandelt, so dass diese Aussagen auch noch nach dieser Zeit der geneigten Leser- und Hörerschaft - auch in den USA - zur Verfügung stehen mögen.

Von daher also: Ein Doppelklick auf den weissen Pfeil auf grünem Grund - und "good listening"!

 Amoderation Tim Marlow:

Text-Teaser für die Reportage zum Thema Cinema gaming - or why going to the cinema to watch a film could soon be so passe…at least in Madrid where a movie theatre has recently been transformed into an interactive video game.

 Reportage aus Madrid, Teil 1:

 Reportage aus Madrid, Teil 2:

 Studiokommentar von Martin Raymond (Future Lab.), Teil 1:

 Studiokommentar von Martin Raymond (Future Lab.), Teil 2: